"Nichts hat sich geändert" Wagner-Rebellen rekrutieren offenbar weiter Kämpfer
Nach dem gescheiterten Wagner-Aufstand versucht die russische Führung, die Söldnergruppe aufzulösen. Die aber rekrutiert offenbar weiter wie bisher.
Trotz des blutigen Aufstands der russischen Militärfirma Wagner gibt es offenbar keine Anzeichen für eine Auflösung der Organisation. Laut einer Recherche des britischen Senders BBC sind die Rekrutierungsstellen der russischen Söldnergruppe weiterhin aktiv. BBC-Journalisten hatten mit einer russischen Telefonnummer Wagner-Büros in mehreren russischen Städten angerufen und sich als Interessenten ausgegeben. Dort wurde ihnen mitgeteilt, dass das Geschäft wie gewohnt weitergehe.
Am Wochenende hatten Wagner-Kämpfer unter ihrem Anführer Jewgeni Prigoschin die südrussische Millionenstadt Rostow am Don eingenommen und anschließend eine Militärkolonne nach Moskau geschickt. Prigoschin brach den Marsch jedoch vor Moskau ab. Der Kreml stellt die Söldner nun vor die Wahl: entweder sich der russischen Armee anzuschließen, zu ihren Familien oder ins Exil nach Belarus zu gehen.
Diese Botschaft scheint bei Wagner noch nicht angekommen zu sein, wie die verdeckten Anfragen der BBC zeigen: So bestätigte eine Wagner-Frau vom "Viking Sportclub" in der arktischen Stadt Murmansk dem Sender, dass sie immer noch Kämpfer für die Ukraine anwerbe.
"Nichts hat aufgehört, wir rekrutieren weiter"
"Wir rekrutieren, ja. Wenn jemand [in den Ukraine-Krieg] gehen möchte, muss er mich nur anrufen und wir vereinbaren einen Termin", so die Frau zur BBC. Die Rekrutierungsbüros von Wagner sind in der Regel in Kampfsportvereinen oder Boxclubs angesiedelt.
Auch weitere Personen von Wagner-Rekrutierungsstellen sagten zur BBC, dass neue Mitglieder Verträge mit der Söldnergruppe selbst und nicht mit dem russischen Verteidigungsministerium abschließen, wie vom Kreml eigentlich vorgesehen war.
"Das hat absolut nichts mit dem Verteidigungsministerium zu tun", so ein Mann beim Sportverein "Sparta" in der ostrussischen Wolgograd. "Nichts hat aufgehört, wir rekrutieren weiter", zitiert ihn die BBC.
Anwerbeversuche auch in Kasachstan?
Der Konflikt zwischen Wagner und dem russischen Verteidigungsministerium gilt als Auslöser für die Revolte vom vergangenen Wochenende. Die russische Regierung hatte die Wagner-Söldner bis zum 1. Juli zwingen wollen, Verträge beim Verteidigungsministerium zu unterschreiben und damit zu regulären Streitkräften zu werden. Das Dekret kam einer De-Facto-Zerschlagung der Söldnergruppe gleich, was vermutlich zur Revolte von Wagner-Chef Prigoschin führte.
Unterdessen gehen wohl auch die Rekrutierungsversuche im Internet und näheren Ausland weiter. Die Behörden in Kasachstan haben ihre Bürger vor verdeckten Anwerbeversuchen sowohl seitens der russischen Armee als auch der Söldnertruppe Wagner gewarnt. In der Region Kostanaj an der Grenze zu Russland hätten beide Organisationen versucht, online Soldaten für den Krieg in der Ukraine zu rekrutieren, so die örtliche Staatsanwaltschaft.
Auf die Teilnahme an bewaffneten Konflikten im Ausland stehe eine Strafe von bis zu zehn Jahren, betonte die Staatsanwaltschaft. In örtlichen Medien gab es wiederholt Berichte über den Tod kasachischer Staatsbürger bei Kämpfen in der Ukraine.
Kommt die große Säuberung?
Wie es nach der Revolte weitergeht, ist unklar. Die russische Regierung hat Wagner-Chef Prigoschin das Exil in Belarus ermöglicht, vermittelt durch den dortigen Machthaber Alexander Lukaschenko. Experten zufolge gilt Russlands Präsident Wladimir Putin jedoch als angeschlagen.
Der Aufstand, der sich Experten zufolge mit dem "Marsch auf Moskau" zu einem Putschversuch entwickelte, könnte von ranghohen Militärs unterstützt worden sein. Seit Tagen kursieren Gerüchte um eine Säuberungsaktion. Der als Prigoschin-nah geltende Top-General Sergej Surowikin soll bereits festgenommen worden sein.
- bbc.com: Wagner still recruiting despite mutiny, BBC finds (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagentur afp