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Kachowka-Staudamm gesprengt: Könnte die Ukraine ihn selbst zerstört haben?


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Militärexperte zur Sprengung bei Cherson
"Dammbruch ist Gelegenheit für eine Überraschung"


Aktualisiert am 07.06.2023Lesedauer: 1 Min.
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Dammbruch: Könnte die Ukraine ihren Staudamm auch selbst gesprengt haben? (Quelle: t-online)

Könnte die Ukraine ihren Staudamm bei Cherson auch selbst gesprengt haben? Militärexperte Ralph Thiele zeigt auf, warum das nicht so unwahrscheinlich ist.

Nahe der südukrainischen Stadt Cherson ist in den frühen Morgenstunden der Kachowka-Staudamm gesprengt worden. Wer für die Sprengung verantwortlich ist, bleibt noch unklar. Die Ukraine und der Westen beschuldigen Russland, Russland wiederum weist die Vorwürfe von sich und unterstellt der Ukraine einen Angriff auf den eigenen Damm.

Militärexperte und Oberst a. D. Ralph Thiele weiß, dass es für beide Seiten genug Gründe gäbe, den Staudamm gesprengt zu haben. Im Video-Interview mit t-online schätzt er die aktuelle Lage ein.

Seit vergangenem Jahr halten russische Soldaten die Anlage besetzt. Befürchtet werden nun schwere Überschwemmungen. Nach ukrainischen Angaben sind in der "kritischen Zone" rund um den Damm etwa 16.000 Menschen zu Hause. Die Flutwelle aus dem Kachowka-Stausee setzte ukrainischen Behörden zufolge acht Ortschaften ganz oder teilweise unter Wasser, teilweise auch die Gebietshauptstadt Cherson.

Videotranskript lesenEin- oder Ausklappen

"Wenn am Ende nicht (wort rausschneiden) nur wenige Menschen ums Leben gekommen sind, dann wird man sagen, wie genial von der Ukraine, dass sie diesen Plan so angelegt hat. Keiner hätte damit gerechnet, nicht? Da wird man sozusagen Heldenmut, Intelligenz und so was preisen."


Noch sind es Spekulationen: wer ist tatsächlich für die Sprengung des Staudammes Nowa Kachowka bei der südukrainischen Stadt Cherson verantwortlich? Die Ukraine und Russland beschuldigen sich gegenseitig.


Ralph Thiele argumentiert im Interview mit t-online, warum die Sprengung durch die Ukraine selbst gar nicht so unwahrscheinlich sei.

"De facto gibt es militärische Nutzen für beide Seiten, die Ukraine und Russland. Sie brauchen Überraschungsmomente. Um die doch weitaus stärkeren Russen personalmäßig und auch in Ausrüstung und Munition zu übertreffen, zu überwinden. Das ist jetzt natürlich vor dem Hintergrund wie so etwas Schlimmem wie einem Bruch des Staudamms schwierig, sich vorzustellen, dass jemand das absichtsvoll auch auf eigene Menschen anwendet."

Aufnahmen in den sozialen Medien zeigen riesige Wassermassen, die ungehindert vom Kachowka-Reservoir in den Fluss Dnipro strömen.

Diese Simulation zeigt außerdem, wie sich das Hochwasser in 15 - 20 Stunden über die Region ausbreiten soll. Insgesamt seien etwa 16.000 Menschen am Westufer und 22.000 Menschen am Ostufer des Dnipro von den Überschwemmungen betroffen.


"Es entsteht auch eine Bedrohung der Krim, insbesondere der Wasserversorgung. Wir gehen davon aus, dass eines der Hauptziele der ukrainischen Offensive sein wird, auch die Krim zu befreien, zunächst mal durch Unterbrechung der Landzunge. Also von daher gibt es sozusagen Nützlichkeiten, die jetzt durch den Dammbruch entstehen. Es wird russisches Gerät weggeschwemmt. Es werden vielleicht auch Soldaten ertränkt, es werden die Verteidigungslinien aufgeweicht. Also von daher könnte so etwas einen Sinn machen. Das würde ein stärkeres Argument, wenn man feststellt, dass nicht viele Menschen am Ende betroffen sein werden."

Thiele ist überrascht, wie schnell wichtige Informationen und auch Evakuierungsmöglichkeiten von beiden Seiten nach dem Angriff zur Verfügung standen.

Er vergleicht die schnellen Reaktionen mit denen in Deutschland, als das Hochwasser das Ahrtal überflutete:


"Ich habe hier unser Drama in Bad Neuenahr vor Augen, wo wir unendlich lange gebraucht haben, zu erfassen, was da los ist, Notmaßnahmen einzuleiten. Beide Seiten haben sehr schnell reagiert, auch mit Warnungen und mit Evakuierungsaufrufen. Das finde ich bemerkenswert. Der ukrainische Gouverneur kündigte gerade im Fernsehen an, dass die Leute, die in den bedrohten Gebieten auf die Busse warten sollen, die kommen. Also wie gesagt, für mich ist das alles unfassbar. Also wenn ich wie gesagt an den Horror bei uns denke, wie wenig das ging und da in einem Kriegsland, ist das alles dann so gut vorbereitet."

Sollte die Ukraine den Staudamm gesprengt haben, sei auch das bereits ein Teil der Offensive gegen Russland, so Thiele.
"Die Hoffnung ist es, einen größeren Durchbruch zu erzielen. So, und wie macht man das? Die Russen sollen ausmanövriert werden, ihre Führung soll überfordert werden. All dieses soll sozusagen die russische Führung ablenken. Soll sie dazu bringen, Kräfte durch die Gegend zu schicken, die dann eben nicht im Kriegsgebiet zur Verfügung stehen. Die Offensive rollt. Und jetzt braucht man eben die Gelegenheit zum Durchbruch. Und da sage ich jetzt mal nüchtern - obwohl es mir schwerfällt mit dem Thema Dammbruch. Aber das ist die Gelegenheit für eine Überraschung, weil damit keiner gerechnet hat."


Doch auch für die russische Seite gebe es Gründe, den Staudamm zu sprengen, vermutet Thiele.

"Wenn am Ende nicht nur wenige Menschen ums Leben gekommen sind, dann wird man sagen, wie genial von der Ukraine, dass sie diesen Plan so angelegt hat. Keiner hätte damit gerechnet, nicht? Da wird man sozusagen Heldenmut, Intelligenz und so was preisen. Für die russische Seite. Wenn sie in Person Angriffe der Ukrainer erwartet, dann könnte man sagen, sie hat durch das Überschwemmen einfach die Flussüberquerung des Dnipros, der ja letztlich die Fronten teilt, dort dramatisch erschwert."

Es gehöre zu den gängigen Argumentationsmustern in diesem Krieg erst einmal der russischen Führung viele der Angriffe zu unterstellen. Doch nicht immer könne das auch belegt werden, so Thiele.
"Wenn man nüchtern über solche Dinge nachdenkt, dann muss man eben sehen es gibt Gründe, die für die die Russen sprechen, das zu tun. Es gibt eben auch Gründe, die für die Ukraine sprechen. Und im Grunde wird jetzt ein Schleier nach dem anderen fallen. Und im Zuge dessen, werden wir dann feststellen, haben die Russen ein großes Verbrechen, ein großes Kriegsverbrechen begangen? Oder haben die Ukrainer eine unglaubliche Finte angelegt?"


Was die Gründe der Ukraine sein könnten, ihren eigenen Staudamm zu sprengen und Bürgerinnen und Bürger potenziellen Gefahren auszusetzen, erfahren Sie hier oder oben im Video.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Ralph Thiele vom 6. Juni
  • Reuters
  • Twitter
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