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Russlands Krieg gegen die Ukraine: Wie Putin Wasser als Waffe nutzt


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"Sommermonate werden ziemlich hart"
Die nächste akute Bedrohung ist da


23.03.2023Lesedauer: 4 Min.
Die Region Saporischschja: Rund 16 Millionen Menschen haben in der Ukraine keinen sicheren Zugang zu sauberem Wasser.Vergrößern des Bildes
Die Region Saporischschja: Rund 16 Millionen Menschen haben in der Ukraine keinen sicheren Zugang zu sauberem Wasser. (Quelle: Dmytro Smolyenko/imago-images-bilder)

Der Winter hat der kriegsgebeutelten Ukraine viel Leid und Tod gebracht. Doch auch die wärmeren Monate stellen eine große Bedrohung für die Bevölkerung dar.

Der Kachowkaer Stausee in der Südukraine ist das größte Bewässerungskanalsystem Europas mit einer Gesamtlänge von mehr als 1.600 Kilometern. Im Frühjahr steigt der Wasserstand gewöhnlich an – durch geschmolzenen Schnee und den Regen, der in den angrenzenden Fluss Dnipro fließt. Doch in diesem März liegt der Wasserspiegel weit unter dem Normalwert, er sank zuletzt um zwei Meter. Das ist der niedrigste Stand seit 30 Jahren, wie unter anderem der Sender NPR unter Berufung auf die ukrainischen Behörden berichtet.

Das hat einen triftigen Grund: Die russische Armee kontrolliert das Wasserkraftwerk am unteren Ende des Stausees. Im November des vergangenen Jahres haben die Soldaten die Schleusentore geöffnet, wie Satellitenbilder beweisen sollen.

Zudem gab es Explosionen am Damm, sodass dieser beschädigt wurde. Das hat fatale Folgen für die Bewohnerinnen und Bewohner in der Region – denn der Stausee versorgt die Dörfer und Städte mit Wasser. Zudem bewässert er rund eine halbe Million Hektar Getreide- und Gemüsefelder im heißen, trockenen Sommer.

16 Millionen Ukrainer haben keinen sicheren Zugang zu Wasser

Der Kachowkaer Stausee steht beispielhaft für die Strategie des Kremlchefs Wladimir Putin, die Zivilbevölkerung durch eingeschränkte Wasserversorgung ins Leid zu stürzen. Dem UN-Kinderhilfswerk Unicef zufolge haben derzeit rund 16 Millionen Menschen in der Ukraine keinen sicheren Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen. Experten gehen davon aus, dass sich die Situation seit Beginn der Invasion dramatisch verschlechtert hat – und in den kommenden, wärmeren Monaten zu noch größeren Problem führen kann.

Eine aktuelle Studie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) und der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN), die in der Fachzeitschrift Nature Sustainability veröffentlicht wurde, hat die vielfältigen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf den Wassersektor des Landes untersucht.

Die Verschlechterung der Situation sei nicht nur auf direkte Angriffe auf Wasserleitungen, Kanäle, Pumpstationen oder Wasseraufbereitungsanlagen zurückzuführen, sondern auch auf die starke Abhängigkeit der Wasserinfrastruktur von der Stromversorgung, die unterbrochen wurde oder ganz zusammenbrach, so die Expertinnen und Experten. Das habe sehr langfristige Folgen und Risiken für die Bevölkerung, die Umwelt und die weltweite Ernährungssicherheit.

Wasser als militärisches Druckmittel

In bewaffneten Konflikten gehörten Süßwasser und Wasserinfrastruktur demnach zu den am stärksten gefährdeten Ressourcen. Dabei könne der Zugang zu Wasser zum Auslöser des Konflikts werden, als militärisches Druckmittel dienen oder der Wassersektor selbst direkt von Kriegshandlungen betroffen sein, heißt es in der Studie.

"In der Ukraine finden militärische Aktionen in einer Region statt, in der es einen hoch entwickelten und industrialisierten Wassersektor gibt", sagt Oleksandra Shumilova, IGB-Forscherin und Erstautorin der Studie, die selbst aus der Ukraine stammt. Dies sei eine besondere Situation im Vergleich zu anderen militärischen Konflikten weltweit, die den Wassersektor beträfen.

Die umfangreiche kritische Wasserinfrastruktur des Landes umfasse große Mehrzweck-Stauseen, Wasserkraftwerke, Kühlanlagen für Kernkraftwerke, Wasserreservoirs für Industrie und Bergbau sowie ein ausgedehntes Versorgungsnetz für die landwirtschaftliche Bewässerung und die städtische Wasserversorgung.

"Explodierte Munition verseucht den Boden mit Schwermetallen"

Wegen des Krieges werden große Gebiete durch Dammbrüche überflutet und ungeklärte Abwasser verschmutzt. Zudem wird Munition in Gewässern versenkt. "Explodierte Munition verseucht den Boden mit Schwermetallen", erläutert Serhij Natrus, Leiter der Abteilung Ökologie der Gebietsverwaltung Donezk, im Gespräch mit der "tagesschau". Hinzu komme, dass Menge und Qualität von Trinkwasser und Wasser für die Landwirtschaft erheblich zurückgegangen sei, erklären die Experten des IGB und der SGN.

Im Fluss Siwerskyj Donez sind laut der regionalen Umweltbehörde seit Beginn des russischen Angriffskrieges mehr Schadstoffe nachgewiesen worden, darunter Stickstoff, Erdöl, Pestizide und Schwermetalle. Das berichtet die "tagesschau". Der Fluss versorgt den gesamten Donbass mit Trinkwasser.

Zudem befürchten die Umweltexperten, dass Grundwasser und Böden mit Minenwasser oder gefährlichen Stoffen aus Abraumhalden belastet werden könnten, weil eilig geschlossene Bergwerke im Kohlegebiet Donezk unkontrolliert geflutet wurden.

"Über einen Monat lang gab es kein Leitungswasser"

In der Stadt Mykolajiw spüren die Bewohnerinnen und Bewohner die Auswirkungen der geschädigten Wasserinfrastruktur besonders. Dort sei das Thema Wasser fast täglich in den Nachrichten, sagt die IGB-Forscherin Oleksandra Shumilova. Sie stammt selbst aus Mykolajiw. Im April 2022 sei eine 90 Kilometer lange Transferleitung beschädigt worden, die Wasser aus dem Fluss Dnipro geliefert habe.

"Über einen Monat lang gab es kein Leitungswasser", so Shumilova. Später sei das Wasser mit häufigen Unterbrechungen aus einer anderen Quelle geliefert worden, aber auch nach der Aufbereitung sei es nicht zum Trinken geeignet.

"Jeden Tag sieht man lange Schlangen von Menschen mit Plastikflaschen, die auf Wasser warten", sagt Shumilova. Dass Millionen von Menschen seit Monaten keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, hat demnach negative Auswirkungen auf die Gesundheit und erhöht das Risiko von Epidemien in der Ukraine.

"Diese Regionen sind in diesem Krieg besonders gefährdet"

Der IGB-Studie zufolge befindet sich der größte Teil der Wasserinfrastruktur in den südlichen und östlichen Teilen der Ukraine – Gebiete mit intensiver landwirtschaftlicher Produktion und großen Industrieanlagen der Metallverarbeitung, des Bergbaus und der chemischen Produktion.

"Diese Regionen sind in diesem Krieg besonders gefährdet und stehen exemplarisch dafür, wie wichtig es ist, die Wassersysteme vor Verschmutzung und Gewalt zu schützen", sagt Peter Gleick, Mitbegründer und Senior Fellow des Pacific Institute for Studies in Development, Environment, and Security in Oakland, USA. Auch Gleick gehört zu den Autoren der Studie.

Die Expertinnen und Experten sind zudem um das Atomkraftwerk in Saporischschja besorgt, das am Ufer des Kachowkaer Stausees liegt und auf Kühlwasser daraus angewiesen ist. Ein Dammbruch gefährde die Sicherheit des Kernkraftwerks. Es könne zu einer sekundären radioaktiven Kontamination durch unkontrollierte Freisetzung von radioaktivem Material kommen.

"Sommermonate werden ziemlich hart"

Aber wie will die Ukraine die Probleme mit der Wasserinfrastruktur lösen? Die Regierung hat dem Sender NPR zufolge versucht, die Flut am Kachowkaer Stausee einzudämmen, indem sie Wasser aus anderen ukrainisch kontrollierten Stauseen entlang des Dnipro-Flusses abgelassen hat. So soll der Stausee am AKW Saporischschja vorübergehend wieder gefüllt werden.

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"All dies birgt die Gefahr, dass der Wasserstand in der gesamten Kaskade der Dnipro-Stauseen in der Ukraine auf ein kritisches Niveau sinkt", erklärt das ukrainische Ministerium für Umweltschutz und natürliche Ressourcen dem NPR. "Infolgedessen könnten 70 Prozent der ukrainischen Bevölkerung, die Wasser aus dem Dnipro-Stausee verbrauchen, ohne Wasser dastehen."

IGB-Forscherin Shumilova warnt: "Meiner Meinung nach werden die Sommermonate ziemlich hart werden."

Verwendete Quellen
  • igb-berlin.de: "Krieg in der Ukraine bedroht Süßwasserressourcen und Wasserinfrastruktur"
  • npr.org: "A shrinking reservoir signals Ukraine and Russia are waging a dangerous water war" (englisch)
  • tagesschau.de: "'Wo Krieg herrscht, verlieren wir die Natur'"
  • english.nv.ua: "Kakhovka hydro plant reservoir water level drops after dam is damaged" (englisch)
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