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Ukraine-Krieg im Jahr 2023: Putin am Ende? Erst dann schweigen die Waffen


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Ukraine-Krieg im Jahr 2023
Putin steht mit dem Rücken zur Wand


Aktualisiert am 04.01.2023Lesedauer: 6 Min.
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Krieg in der Ukraine: Darum gelingt es Putins Truppen nicht, die Oberhand zu gewinnen. (Quelle: t-online)

Der blutige Abnutzungskrieg in der Ukraine geht auch im Jahr 2023 weiter. Doch wie lange kann Russland seinen Angriff noch fortsetzen? Vier Prognosen.

Sie sind wütend und schwören blutige Rache. Die einflussreichen russischen Militärblogger und Nationalisten auf Telegram haben mit Entsetzen auf den ukrainischen Artillerieangriff auf eine Schule in Donezk reagiert, in der russische Rekruten stationiert waren. Inzwischen hat der Kreml 89 tote Soldaten gemeldet.

"Der Feind hat uns schwerste Niederlagen in diesem Krieg zugefügt. Nicht wegen seiner Coolness oder seines Talents, sondern wegen unserer Fehler", schrieb Daniil Bezsonow auf Telegram. Der russische Militärexperte Boris Roschin wirft der russischen Armee "Inkompetenz" vor und die "Unfähigkeit", aus den Erfahrungen des Krieges zu lernen. Der Ton wird immer rauer – und für Kremlchef Wladimir Putin begann das Jahr 2023 mit der nächsten katastrophalen Nachricht.

Video | Moskau bestätigt viele Tote: Wie viele Russen wurden in Donezk getötet?
Quelle: Glomex
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Die Invasion lief in den vergangenen elf Monaten für Putin nicht nach Plan. Seit Beginn der ukrainischen Gegenoffensive im Spätsommer muss die russische Armee in der Ukraine immer wieder Gebietsverluste einstecken – Niederlagen mit Symbolkraft. Der russische Präsident braucht eigentlich dringend militärische oder politische Erfolge, aber eben die zeichnen sich nicht ab. Im Gegenteil:

  • Die ukrainische Bevölkerung bleibt standhaft, trotz gezieltem russischem Raketenterror gegen zivile Infrastruktur und die ukrainische Energieversorgung.
  • In Europa steigen die Temperaturen und damit sinken auch die Gaspreise erheblich – trotz der gestoppten Gasimporte aus Russland. Die von Putin erhofften Pleitewellen und das Frieren der Menschen im Winter bleiben aus.
  • An der Front in der Ukraine gibt es für die russische Armee kaum militärische Fortschritte. Der wichtige Verkehrsknotenpunkt Bachmut in der Oblast Donezk wird zwar von Russland seit Monaten angegriffen, aber bislang konnte die russische Armee die Stadt nicht einnehmen – trotz vieler Soldaten, die Moskau aus dem Süden der Ukraine in den Osten verlegen ließ.

Aber wie geht es nun 2023 weiter im Ukraine-Krieg? Momentan tobt ein Abnutzungskonflikt, der noch lange anhalten könnte. Anzeichen für Gespräche oder gar für einen Waffenstillstand gibt es bisher nicht. Stattdessen geht es vor allem um eine zentrale Frage: Wer hält länger durch? Die Ukraine mit Unterstützung des Westens? Oder Russland mit Hilfe aus dem Iran und Nordkorea?

Vier Prognosen zum weiteren Kriegsverlauf:

1. Russland startet eine Frühjahrsoffensive, die darüber entscheiden kann, wie der Krieg ausgeht.

Die russische Armee ist militärisch weiterhin in einer schwierigen Situation, weil es ihr schwerfällt, mit den derzeit eingesetzten Truppen alle besetzen Gebiete zu verteidigen und gleichzeitig wieder in die Offensive zu gehen. Besonders deutlich wird das im Donbass.

Wenn der Schnee schmilzt und es wieder wärmer wird, erwarten einige Experten dennoch russische Offensiven in allen annektierten Gebieten. "Nur etwa die Hälfte der 300.000 mobilisierten russischen Truppen befindet sich bereits im Kampfgebiet. Der Rest, zusammen mit den nach dem Abzug von Cherson frei gewordenen Kräften, gibt den Russen die Möglichkeit, eine Offensive zu starten", sagte David Gendelman, Militärexperte in Israel, dem britischen Nachrichtensender BBC. Russland fahre derzeit eine Zermürbungstaktik, mit massiver Zerstörung durch Artillerie und gezielten Angriffen auf die Zivilbevölkerung.

In der Tat hat der Kreml sein minimales Kriegsziel noch nicht erreicht: die vollständige Besetzung der von Russland annektierten Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson. Putin hält offiziell an diesen Zielen fest. Sollte aber die mögliche Offensive im Frühjahr scheitern, würde er weiter in Bedrängnis geraten. Auch die russischen Ressourcen und das Kriegsmaterial dürften im Sommer deutlich knapper werden – schon jetzt fehlt es an Halbleitern, gelenkten Raketen und modernen gepanzerten Fahrzeugen. Zudem sind die Kämpfe verlustreich, im Sommer dürften Putin zudem erneut die Soldaten ausgehen.

2. Die Kämpfe werden sich auf den Osten der Ukraine konzentrieren

Es ist wahrscheinlich, dass die russischen Kriegsziele kein Bluff sind. Die Angriffe werden sich also mutmaßlich auf den Osten konzentrieren. Zwar wird es auch in anderen Teilen des Landes weiterhin Raketenterror geben, aber Großstädte wie Kiew oder Odessa scheinen aktuell vor russischen Bodenangriffen sicher. "Derzeit sehe ich bei Russland nicht die notwendigen militärischen Fähigkeiten, bis nach Moldau zu marschieren", sagte Claudia Major, Sicherheitsexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".

Hinzu kommt: Ohne offizielle Kriegserklärung, ohne erneute Mobilmachung in Russland und ohne die Umstellung der russischen Wirtschaft auf Kriegswirtschaft dürfte ein längerer Abnutzungskrieg für Moskau nur schwer zu führen sein. Gegen einen vereinten Westen, der die Ukraine mit Kriegsgütern und Geld unterstützt, kann Russland nur schwer ankommen.

Aber auch die Ukraine könnte ihre Gegenoffensive im Frühjahr fortsetzen. Experten sind sich einig: Sie braucht mehr Waffen und am besten Kampf- oder Schützenpanzer, um mehr Gebiete zu befreien. Weitere Gebietsgewinne der Ukraine hängen vor allem davon ab, wie viele Kräfte sie aufwenden muss, um die russischen Angriffe abzuwehren. Wie viele ukrainische Truppen sind also frei für einen erneuten Angriff? "Nachdem der Schlamm gefriert, werden wir die Antwort auf diese Frage bekommen", erklärt Gendelman. "Und diese Antwort wird uns deutlicher machen, wie das alles enden wird."

3. Eine Chance auf Frieden gibt es nur ohne Putin

Trotz des Mangels an Ressourcen auf beiden Seiten bleibt auch ein langer Krieg wahrscheinlich, der noch über das Jahr 2023 hinaus anhalten wird. "Die Ukraine hat nur die Wahl zwischen Krieg und Vernichtung: Krieg, also die russisch besetzten Gebiete zu befreien, oder unter russischer Besatzung – wie in Irpin oder Isjum – vernichtet zu werden", erklärte Sicherheitsexpertin Claudia Major.

Die ukrainische Führung kann demnach keinen Bedingungen für Verhandlungen zustimmen, die die Aufgabe von Staatsgebiet bedeuten. Schmerzhaft musste Kiew in diesem Konflikt erfahren, dass sie ihre Bevölkerung Kriegsverbrechen, Mord und Folter preisgibt, wenn Gebiete von Russland besetzt werden.

Putin will dagegen keinen Frieden. In der Psychologie hat man eine Begrifflichkeit für ein solches Phänomen: eskalierendes Commitment. Es beschreibt einen Geisteszustand, in dem ein Mensch schon sehr viel in eine Sache investiert hat – Zeit, Geld, Prestige oder Menschenleben. In dem Zustand neigen Menschen dazu, an einer Sache festzuhalten und Warnungen auszublenden. Schließlich sollen die Investitionen nicht umsonst gewesen sein, sie sollen sich auszahlen. Und der russische Präsident hat sein Land bereits tief in einen katastrophalen Krieg geritten.

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Schon längst geht es für Putin in der Ukraine um das Überleben seines Regimes. Zu viele tote russische Soldaten und militärische Niederlagen hat es gegeben, dazu kommen die Sanktionen gegen Russland und die internationale Isolation. Putin hat schon jetzt sein Vermächtnis in Trümmer gelegt, auch wenn er militärisch das Blatt noch wenden sollte.

Deswegen sind sich einige Expertinnen und Experten sicher: Frieden kann es nur ohne Putin geben. "Frieden in der Ukraine bedeutet, dass Russland sein Militär zusammenpackt und nach Hause geht", sagte die Analystin Olga Lautman von der Washingtoner Denkfabrik Center for European Policy Analysis der britischen Zeitung "TheSun". Das werde unter Putin aber nicht passieren. "Wenn sein Regime zusammenbricht und es ein neues Gesicht im Kreml gibt, das Wiedergutmachung leisten will, dann kann es kurzfristige Veränderungen geben."

4. Nur eine starke Ukraine kann den Preis für Russland in die Höhe treiben.

Andere Experten gehen von einer Waffenruhe im Sommer aus. "Ich rechne im Frühsommer mit einem Stillstand, an dem beide Seiten sagen: Jetzt bringt es nichts mehr", sagte zum Beispiel der frühere Bundeswehr- und Nato-General Hans-Lothar Domröse den Funke-Zeitungen. "Wir werden im Verlauf des Jahres 2023 einen Waffenstillstand haben." Die Analyse ist optimistisch. Sie setzt eine Art von Rationalität im Kreml voraus, die dort schon seit Kriegsbeginn nicht mehr herrscht.

Es wird sicherlich zu einem Zeitpunkt eine Waffenruhe geben. Für Friedensverhandlungen, die mutmaßlich lange andauern dürften, braucht es allerdings internationale Strukturen für Gespräche, Sicherheitsgarantien und eine Waffenruhe. All das ist derzeit nicht ansatzweise in Sicht. Im Gegenteil: Russland hält an seinen völkerrechtswidrigen Annexionen fest und rüstet ideologisch eher auf als ab.

Mit Aussicht auf das Jahr 2023 haben sich die Vorzeichen im Ukraine-Krieg auf dem Schlachtfeld demnach kaum geändert. Eine Grundvoraussetzung für einen Frieden wird sein, dass sich beide Seiten darauf einigen können, den Konflikt einzufrieren. Claudia Major stellt klar: Der Westen kann mit seiner Unterstützung für die Ukraine dafür sorgen, "dass sie durchhält, so viel wie möglich Territorium befreien und die Kosten für Russland in die Höhe treiben kann – dann tritt dieser Zeitpunkt hoffentlich bald ein. Dann schweigen die Waffen".

An diesem Punkt ist der Konflikt aber bisher noch lange nicht – aller Hoffnungen zum Trotz.

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