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Nachtüberblick: Verwirrung um abgeschossene Rakete in Belarus


Sorge in Ukraine
Belarus spricht nach Raketenfund von möglicher Provokation

Von dpa
Aktualisiert am 30.12.2022Lesedauer: 4 Min.
Das Fragment einer Rakete, die in Belarus gefunden wurde. Kiew will den Vorfall aufklären.Vergrößern des Bildes
Das Fragment einer Rakete, die in Belarus gefunden wurde. Kiew will den Vorfall aufklären. (Quelle: BELTA)

Minsk hat nach dem Fund einer Flugabwehrrakete in Belarus von einer möglichen ukrainischen Provokation gesprochen. Kiew will den Fund aufklären.

Das Verteidigungsministerium in Minsk hat nach dem Fund einer Flugabwehrrakete auf belarussischem Staatsgebiet von einer möglichen Provokation Kiews gesprochen. "Entweder wurde die ungelenkte Flugabwehrrakete wegen der schlechten Ausbildung der Mannschaft unabsichtlich abgefeuert, oder die Rakete war defekt, oder aber es handelt sich um absichtliche Provokation der ukrainischen Streitkräfte", sagte der Chef der belarussischen Flugabwehr, Kirill Kasanzew, in einer am Freitag im Nachrichtenkanal Telegram verbreiteten Stellungnahme des Ministeriums.

Staatsmedien in der belarussischen Hauptstadt Minsk hatten berichtet, dass eine vom Flugabwehrsystem S-300 abgeschossene Rakete am Donnerstagvormittag auf belarussisches Staatsgebiet gefallen sei. Kasanzews Angaben nach wurde sie über dem Landkreis Iwanawa im westbelarussischen Gebiet Brest abgefangen. Wegen des Vorfalls wurde in Minsk bereits der ukrainische Botschafter einberufen.

Ukraine sorgt sich vor russischen Angriff aus Belarus

Am Donnerstag hat die Ukraine einen massiven russischen Raketenangriff abgewehrt. Ein Teil der russischen Raketen traf dabei auch Objekte im westukrainischen Gebiet Lwiw. "Daher ist auch eine Provokation vonseiten des Terroristen-Staats Russland nicht auszuschließen, der eine Flugroute seiner Marschflugkörper so ausgewählt hat, um ihren Abschuss im Luftraum über Belarus zu provozieren", hieß es in einer Erklärung des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Das wäre ein ähnlicher Vorfall wie im November, als polnisches Gebiet getroffen wurde.

In der Ukraine sind die Sorgen groß, dass Russland von Belarus aus einen neuen Angriff starten könnte. Ein solcher Vorfall könnte von Belarus und Russland daher als Vorwand genutzt werden, um von dort aus wieder aktiv zu werden. Belarus ist nicht direkt an Kampfhandlungen in der Ukraine beteiligt. Allerdings hat Machthaber Alexander Lukaschenko russischen Truppen die Militärstützpunkte in seinem Land für Angriffe auf die benachbarte Ukraine überlassen.

Stoltenberg fordert mehr Waffenlieferungen an die Ukraine

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat Deutschland und die anderen Bündnisstaaten zu weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine aufgerufen. "Es mag paradox klingen, aber militärische Unterstützung für die Ukraine ist der schnellste Weg zum Frieden", sagte der Norweger der Deutschen Presse-Agentur. Hintergrund sei, dass Russlands Präsident Wladimir Putin davon überzeugt werden müsse, dass er sein Ziel, die Kontrolle über die Ukraine zu übernehmen, nicht erreichen werde. Dann könne es eine friedliche Verhandlungslösung geben, die ein Überleben der Ukraine als unabhängiger demokratischer Staat gewährleiste.

Stoltenberg machte dabei auch deutlich, dass er die jüngsten ukrainischen Angriffe auf militärische Ziele in Russland für vollkommen legitim hält. "Jedes Land hat das Recht, sich zu verteidigen. Auch die Ukraine", sagte er. Russland ist vor mehr als zehn Monaten in sein Nachbarland Ukraine einmarschiert.

Selenskyj: Jeder Angriff bringt Russland näher ans Tribunal

Mit seinen Raketenangriffen auf das Energienetz der Ukraine schadet Russland nach Darstellung der ukrainischen Staatsführung letztlich auch sich selbst und seinen Bürgern. "Mit jedem solchen Raketenangriff treibt sich Russland nur noch tiefer in eine Sackgasse" und steuere einem Internationalen Straftribunal entgegen, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache am Donnerstagabend.

Der "Status des größten Terroristen der Welt" werde sich noch lange auf Russland und seine Bürger auswirken, sagte Selenskyj. "Und jede Rakete bestätigt nur, dass das alles mit einem Tribunal enden muss, genau so wird es sein." In seinen Unterredungen mit anderen Staats- und Regierungschefs versucht der ukrainische Präsident, deren Unterstützung für ein internationales Strafgericht nach dem Vorbild des Nürnberger Tribunals für NS-Verbrecher zu gewinnen. Geht es nach Selenskyj, sollen sich eines Tages auch Politiker und Militärs aus Russland für den Angriffskrieg gegen die Ukraine verantworten.

Nach Selenskyjs Darstellung hat der jüngste russische Raketenangriff erneut schwere Schäden im Energienetz in weiten Teilen der Ukraine verursacht. Mit Blick auf mögliche weitere Attacken warnte er: "Dieses Jahr hat noch zwei Tage, vielleicht wird der Feind erneut versuchen, uns dazu zu bringen, das Neue Jahr im Dunkeln zu feiern."

Ukrainische Armee greift Stellungen bei Berdjansk an

Die ukrainischen Streitkräfte haben nach eigener Darstellung russische Stützpunkte in der Umgebung der Industrie- und Hafenstadt Berdjansk im Südosten des Landes angegriffen. Dabei seien rund 50 russische Soldaten "liquidiert" worden, teilte der Generalstab in Kiew mit. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Die Militärs in Kiew machten keine Angaben dazu, mit welchen Waffensystemen Berdjansk angegriffen worden sei. Die Stadt am Asowschen Meer liegt knapp 100 Kilometer hinter den aktuellen Frontlinien.

Schwere Kämpfe erschütterten am Donnerstag erneut die Umgebung der Frontstadt Bachmut im Osten der Ukraine. Dort seien einmal mehr Vorstöße der russischen Streitkräfte zurückgeschlagen worden, teilte die Militärführung in Kiew mit.

Wichtige Unterstützung in Form von Waffen und Munition dürften die ukrainischen Streitkräfte auch weiterhin aus den USA erhalten. Am Donnerstagabend (Ortszeit) unterzeichnete US-Präsident Joe Biden das neue Haushaltsgesetz seiner Regierung, das unter anderem milliardenschwere Hilfen für die Ukraine vorsieht. Der zuvor von beiden Kongresskammern gebilligte Etat hat ein Volumen von 1,7 Billionen US-Dollar (1,6 Billionen Euro), wovon knapp 858 Milliarden Dollar auf Verteidigungsausgaben entfallen. Für die Unterstützung der Ukraine sind rund 45 Milliarden US-Dollar vorgesehen.

Selenskyj-Beraterin: 15.000 Vermisste in Ukraine

Gut zehn Monate nach Kriegsbeginn gelten in der Ukraine nach Angaben der ukrainischen Präsidentenberaterin Alona Verbytska Tausende Soldaten und Zivilisten als vermisst. "Russland hat aktuell 3.392 ukrainische Kriegsgefangene bestätigt, aber in der Ukraine gelten derzeit 15.000 Menschen als vermisst, darunter viele Zivilisten", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag). Das Schicksal dieser Menschen sei völlig ungewiss, sagte Verbytska, die sich als Ombudsfrau für die Rechte ukrainischer Soldaten engagiert. "Wir wissen nicht, was mit ihnen geschehen ist."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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