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Putins billige Erpressung: Auch Deutschland muss einen Preis zahlen


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Drohung mit dem Undenkbaren
Putins billige Erpressung

MeinungEin Kommentar von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 17.10.2022Lesedauer: 4 Min.
Wladimir Putin: Der russische Präsident versucht mit dem Einsatz von Wut und Angst die westlichen Demokratien politisch zu destabilisieren.Vergrößern des Bildes
Wladimir Putin: Der russische Präsident versucht, mit dem Einsatz von Wut und Angst die westlichen Demokratien politisch zu destabilisieren. (Quelle: SPUTNIK/reuters)

Für Russland ist der Ukraine-Krieg eine Katastrophe, Putins Drohungen sind ein Zeichen der Schwäche. Die deutsche Gesellschaft darf sich nicht spalten lassen.

Wladimir Putin steht mit dem Rücken zur Wand. Für die russische Armee ist die militärische Lage im Ukraine-Krieg weiterhin katastrophal und für Moskau gibt es immer weniger Optionen, sich gesichtswahrend aus dieser Misere zu ziehen. Vor diesem Hintergrund müssen die russischen Drohungen verstanden werden, Nuklearwaffen einzusetzen – die Drohungen sind und bleiben vor allem eines: ein Akt der Verzweiflung.

Russland führt nicht nur einen blutigen Angriffskrieg gegen die Ukraine, vielmehr sieht sich Putin im Krieg mit dem "kollektiven Westen". In diesem Konflikt betrachtet die russische Führung das Durchhaltevermögen und die Leidensfähigkeit der demokratischen Gesellschaften in der Ukraine und im Westen als Achillesferse. Deshalb lässt der russische Präsident Kriegsverbrechen begehen, Wohnviertel bombardieren und verbreitet in Europa Furcht vor einem kalten Winter und gar der atomaren Vernichtung.

Dieses Spiel mit unserer Angst ist zwar berechenbar. Dennoch zeigt es seine Wirkung: Besonders in Ostdeutschland gibt es Proteste gegen den Kurs der Bundesregierung im Ukraine-Krieg. Und mit Blick auf den kommenden Winter sinkt das Vertrauen in Teilen der Bevölkerung. Dabei wird eine Tatsache oft vergessen: Nur Putin ist für den Krieg und dessen Folgen verantwortlich. Nur der russische Präsident hat die Welt in diese Krise gestürzt.

Im Westen ist nun Durchhaltevermögen gefragt. Auch Deutschland darf sich durch die russische Droh-Rhetorik nicht vom Kurs abbringen lassen. Der Westen muss in diesem Konflikt weiterhin geeint stehen. Das ist die Quelle unserer gegenwärtigen Stärke. Ein Atomkrieg dagegen wäre Selbstmord für Putin. Und obwohl er sich im Ukraine-Krieg komplett verrechnete, ist der russische Präsident kein suizidaler Charakter, der die Welt ins "Armageddon" (Joe Biden) stürzt.

Putin ist schwach

Doch selbst wenn: Von einem Selbstmordattentäter darf sich die Welt erst recht nicht erpressen lassen. Natürlich muss die Bundesregierung die Drohungen aus Moskau ernst nehmen. Mit dieser Ernsthaftigkeit begegnet sie den Sorgen der vieler Deutscher und sendet keine unnötige Provokation in Richtung Moskau.

Gleichwohl darf die kriegerische Rhetorik des Kremls nicht zum richtungsweisenden Faktor für die deutsche Politik werden. Denn eines ist gewiss: Wer in dieser Lage mit einem Atomkrieg droht, ist schwach. Das gilt insbesondere für Putin.

Der Kremlchef muss nicht nur international die bröckelnde Fassade der russischen Supermacht vor dem Zusammenbruch bewahren. Offenbar will er auch die Hardliner in Russland besänftigen, die schon seit vielen Monaten ein strammeres Vorgehen im Ukraine-Krieg fordern.

Klar: Jede Atommacht hat am Ende eine theoretische Eskalationsdominanz gegenüber Ländern, die über keine Nuklearwaffen verfügen. Aber im Ukraine-Krieg wären die politischen Kosten für Russland um ein Vielfaches höher als der militärische Nutzen. Damit würde Putin sein Land endgültig zum Paria machen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Atombomben von Kriegs- zu Abschreckungswaffen. Die Angst vor ihnen ist die eigentliche Waffe, denn zum Glück wollte bisher keine Macht mit ihrem Einsatz die Zerstörung des Planeten riskieren. Putin nutzt die Drohung mit Kernwaffen als politisches Instrument und auch die Nato sendet mit dem aktuellen Manöver eine Drohung der Einsatzbereitschaft in Richtung Russland.

Kremlverbündete in Deutschland

Doch all das bedeutet nicht, dass der Kreml tatsächlich einen Atomkrieg plant. Diese Einordnung müssen sich die Menschen in Deutschland vor Augen halten.

Es sind politische Kräfte wie Sahra Wagenknecht (Linke) oder große Teile der AfD, die zu den Wegbereitern für Putins indirekten Angriff auf Deutschland werden. Sie verbreiten die Ängste, ganz im Sinne des Kremls. Und sie stärken das Narrativ, dass sich der Westen und insbesondere die USA gegen einen Frieden in der Ukraine stellen.

Das ist vor allem eines: Der billige Versuch, die Einigkeit im Westen anzugreifen, in dem auch die deutsche Gesellschaft politisch destabilisiert wird.

Es war zwar nicht überraschend, dass der Kreml auch im Angesicht der russischen Kriegsverbrechen ideologische Steigbügelhalter in Deutschland findet. Diese sind oft in einem veralteten Weltbild erstarrt, das sich nach dem Kalten Krieg nicht verändert hat. Für sie gilt immer noch: USA gegen Russland, Ost gegen West.

Mit Verweis auf das vergangene Jahrhundert kritisiert Wagenknecht etwa eine Doppelmoral des Westens und ignoriert dabei völlig, dass sich viele westliche Demokratien in den vergangenen zwei Jahrzehnten außen- und sicherheitspolitisch enorm gewandelt haben. Der Westen hat viele Machtwechsel erlebt, Russland nur wenige.

Trotzdem sind Ängste und Empörung eine wirkungsvolle politische Waffe. In Deutschland gibt es derzeit nicht nur Angst vor einem Atomkrieg, sondern gleichzeitig Empörung über Politiker, die mit Tipps zu Waschlappen und Pullovern die öffentliche Debatte bereichern. Aber eben diese Debatte zeugt von einer Privilegiertheit, der sich viele Menschen in der Bundesrepublik nicht bewusst sind. Im Gegenteil.

Auch Deutschland zahlt einen Preis

Wladimir Putin hat mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch uns indirekt den Krieg erklärt. Unserer demokratischen Grundordnung, unserer Idee von politischer Freiheit und internationaler Selbstbestimmung.

Nur der Kremlchef kann diesen Krieg beenden, aber bisher gibt es keine Friedensinitiative aus Moskau. Natürlich ist dieser Konflikt teuer, auch für uns. Aber wir in Deutschland bezahlen zum Glück nicht mit Menschenleben, sondern mit einem Teil unseres Wohlstandes. Und das ist ein Privileg.

Dieser Krieg wird ein globaler Wegweiser sein. Es geht nicht nur darum, dass Putin moralisch mit diesem Angriffskrieg nicht durchkommen darf. Sondern auch darum, dass kriegerischer Landraub und militärischer Imperialismus in der internationalen Politik keine gewinnbringenden Optionen mehr sein dürfen, auch für Atommächte nicht. Der Westen darf nicht zulassen, dass Putin mit seinem Krieg eine Welt schafft, in der erneut Waffen zu einem dominierenden Machtfaktor werden.

Der Misserfolg seiner "militärischen Spezialoperation" ist entscheidend dafür, eine Aufrüstungs- und Gewaltspirale zu verhindern, an deren Ende möglicherweise wirklich die Gefahr eines Nuklearwaffeneinsatzes steht. Auch deshalb muss der Westen die Ukraine unterstützen, deshalb darf Russland diesen Krieg nicht gewinnen.

Der größte Beitrag, den Deutschland in diesem Krieg leisten kann, sind demnach keine Leopard-Panzer. Vielmehr darf sich die deutsche Bevölkerung nicht spalten lassen, sollte der Winter rauer werden. Auf diese Schwäche spekuliert Putin, sie ist wahrscheinlich seine einzige Chance in dieser Kriegskatastrophe für Russland. Am Ende liegt es an uns, ihm diesen Ausweg zu verbauen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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