Britischer Geheimdienstchef "Die Kosten für die Russen sind schwindelerregend"
Der Überfall auf die Ukraine wird für Russland zum Desaster, sagt Geheimdienstler Jeremy Fleming. Das würden jetzt auch die Russen begreifen.
Russland müsse im Krieg gegen die Ukraine gewaltige Verluste an Menschen und Material einstecken, während der Besatzungsarmee der Nachschub ausgehe. Das sagt der Chef des britischen Geheimdienstes GCHQ, Jeremy Fleming. Die Entscheidungsfindung von Kriegsherr Putin nennt Fleming "fehlerhaft", berichtet die Journalistin Deborah Haynes unter Berufung auf das Manuskript einer Rede, die Fleming am heutigen Dienstag vor Sicherheitsexperten halten wollte.
"Die russischen Gewinne werden rückgängig gemacht", zitiert Haynes auf Twitter daraus. "Die Kosten für Russland an Menschen und Material sind schwindelerregend. Wir wissen – genau wie die russischen Kommandeure am Boden –, dass ihnen die Vorräte und Munition ausgehen", so Fleming. Die Ukrainer dagegen würden das "Blatt wenden". Daran werde auch die Mobilisierung in Russland nichts ändern.
"Das versteht auch die russische Bevölkerung"
"Russlands Kräfte sind erschöpft. Die Rekrutierung von Häftlingen und nun die Mobilisierung Zehntausender unerfahrener Vertragssoldaten zeigt, wie verzweifelt die Lage des Kreml ist. Und das versteht inzwischen auch die russische Bevölkerung", so Fleming. "Die Russen erkennen, wie falsch Putin die Situation eingeschätzt hat. Jetzt flüchten sie vor der Einberufung ins Militär und ihnen wird klar, dass sie nicht länger reisen können."
Auch langfristig werde die russische Bevölkerung unter dem Krieg leiden, prognostizierte Fleming. "Sie wissen, dass ihr Zugang zu moderner Technologie und Einflüssen von außen stark eingeschränkt sein wird. Und sie beginnen, das ganze Ausmaß der menschlichen Katastrophe dieses mutwillig begonnenen Krieges zu begreifen."
Rückschläge für Kriegsherr Putin
Flemings Einschätzung kommt nach einer Reihe schwerer Rückschläge, die die russische Armee in der Ukraine zuletzt hinnehmen musste. Nach den rasanten Gebietsgewinnen in der Region Charkiw setzte die ukrainische Armee zunächst ihre Gegenoffensive in der Region Cherson im Süden des Landes fort und steht dort nicht mehr weit von der Regionalhauptstadt entfernt.
Als schwerer Rückschlag für Kriegsherr Putin gilt außerdem der Anschlag auf die Kertsch-Brücke am Wochenende, die das russische Festland mit der besetzten Halbinsel Krim verbindet. Über das Bauwerk schafft Russland einen Großteil des Nachschubs für seine Truppen auf der Krim und im Süden der Ukraine herbei. Jetzt ist eine komplette Fahrbahn der Brücke zerstört und die Schienentrasse schwer beschädigt. Noch lässt sich jedoch nicht sagen, wie sehr die Schäden an der Brücke den russischen Nachschub beeinträchtigen.
Im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums gehen die britischen Geheimdienste ferner auf die neue Rolle des Armeegenerals Sergej Surowikin ein. Seine Ernennung vor wenigen Tagen sei mutmaßlich der Versuch, die Durchführung russischer Angriffe in der Ukraine zu verbessern. Über lange Zeit habe Moskau keinen Zuständigen mit einer Gesamtaufsicht über das Geschehen gehabt. Dennoch stehe auch Surowikin vor einer russischen Armee, die schlecht für die Aufgabe ausgestattet sei.
- twitter.com: @haynesdeborah (englisch)
- Material der Nachrichtenagentur dpa