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AfD-Erfolg in Pirna: OB-Wahl ist ein Warnschuss für 2024 | Deutschland


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Tagesanbruch
Das ist ein Warnschuss

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 19.12.2023Lesedauer: 6 Min.
Björn Höcke (Archivbild): Die AfD in Thüringen hat in aktuellen Umfragen 34 Prozent.Vergrößern des Bildes
Björn Höcke: Die AfD in Thüringen verbucht so hohe Zustimmungswerte wie nie. (Quelle: nordphoto GmbH/Hafner/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es ist ein Warnschuss: Die AfD stellt nach dem ersten Landrat und dem ersten Bürgermeister in Pirna nun auch ihren ersten Oberbürgermeister. Was das für Pirna bedeuten kann und wie sehr der neue Amtsträger Tim Lochner nicht nur mit extremen Kräften in der AfD, sondern auch mit China flirtet, erklärt mein Kollege Jonas Mueller-Töwe hier.

Aufgeregt reagierte das politische Berlin am Montag auf Lochners Wahl, verdammte die AfD, falsche Strategien vor Ort und sah die Demokratie sterben. Dabei ist jetzt keine Zeit für Entsetzen. Denn die Wahl gibt nur einen kleinen Vorgeschmack auf das kommende Jahr, in dem uns Schlagzeilen wie die von der Pirnaer Wahl begleiten dürften: Acht Kommunalwahlen stehen 2024 an, fünf davon in den ostdeutschen Bundesländern. Dazu drei Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sowie die Europawahlen bundesweit.

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Zu wenig ist Gesamtdeutschland bisher bewusst, wie dieses Super-Wahljahr das Land durchschütteln könnte und wie sehr die Stimmungslage im Osten pro AfD steht. In Thüringen zum Beispiel hat die AfD in Umfragen zur Landtagswahl seit Monaten stabil um die 34 Prozent Zustimmung – und damit einen zweistelligen Vorsprung vor der CDU wie der regierenden Linken. FDP und Grüne kommen derzeit nicht einmal auf fünf Prozent und flögen aus dem Parlament.

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Der Osten könnte radikal Schluss machen mit der Farbenlehre, wie wir sie seit Jahren in unseren Parlamenten kennen. Adelt er mit der Höcke-, der Sachsen- und der Brandenburg-AfD noch dazu die besonders extremen Verbände der AfD, wäre das der deutlichste Mittelfinger in Richtung Berlin: Wir pfeifen auf eure Parteien, auf euren Verfassungsschutz, auf eure Demokratie. Und an die AfD das Zeichen: Jetzt kann euch alles gelingen.

Bei den anderen Parteien dominiert angesichts dieser Aussichten die Hilflosigkeit. Rezepte, Ideen, konzertierte Programme als Gegenmittel? Fehlanzeige. So geht es seit Gründung der AfD, die verschärfte Lage mit Blick auf 2024 hat daran nichts geändert. Schnappatmung aber wird die AfD nicht stoppen.

Hoffnungsvoll schielt mancher in den Parteizentralen deswegen auf das Bündnis Sahra Wagenknecht. Ein neues Wahlangebot, das darauf zielt, Protest- und Nichtwähler zu gewinnen – es gilt mit Blick auf die Wahlen im nächsten Jahr als größte Chance, die AfD kleinzukriegen.

Doch das Wagenknecht-Projekt steht massiv unter Zeitdruck. Es versucht gerade innerhalb von Monaten aufzubauen, was normalerweise über Jahre und Jahrzehnte wächst. Gespräche mit potenziellen Mitgliedern werden zurzeit bundesweit geführt, Gelder für die Wahlkämpfe gesammelt. Der Startschuss soll Ende Januar fallen: Da sollen 400 Männer und Frauen auf einem Gründungsparteitag in Berlin über die Satzung, ein Rumpf-Programm und eine Europawahl-Liste mit 20 Kandidaten entscheiden.

Das Problem: Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist eine Kopfgeburt, im wahrsten Sinne des Wortes. Es wächst vom Kopf nach unten, nicht andersherum, wie es Parteien in der Regel tun. Das Aufstellen einer EU-Liste ist da noch das kleinste Problem. Für die Landtagswahlen braucht es ein Vielfaches an Personal, das kandidiert, aber auch Plakate hängt, Wahlstände betreibt, Büros eröffnet, den direkten Kontakt zum Wähler pflegt, die schnöde Organisation übernimmt.

Auffällig vorsichtig äußern sich deswegen die BSW-Funktionäre nach wie vor: Ob ihr Bündnis zu den drei Landtagswahlen im Osten überhaupt antreten wird, ist demnach noch nicht ausgemacht. Zu den Kommunalwahlen gibt es einzelne Vorstöße in West wie Ost. Dass BSW dort aber breitflächig vertreten sein kann, dürfte ausgeschlossen sein. Dafür nämlich braucht es noch einmal mehr: Personal, Strukturen, Personal.

Wagenknecht also ist keine sichere Bank. Die Parteien von CDU bis Linke werden selbst wirksam wirbeln müssen, um zu verhindern, dass sich Deutschland 2024 von unten und aus dem Osten kommend AfD-blau färbt. Das bedeutet Basisarbeit, Klinkenputzen, zähe Diskussionen in Turnhallen und an Wahlkampfständen, um schon verlorene und lange verdrossene Wähler wiederzugewinnen. Es ist harte und oft undankbare Arbeit, die jetzt erledigt werden muss.

Und sie sind spät dran damit. Volle Kraft auf den Osten – so wie die AfD müssten die anderen Parteien dieses Signal eigentlich schon seit Monaten setzen. Sie müssen nun dringend aufwachen. Schon um ihrer selbst willen: Anhaltende Schnappatmung kann bekanntlich rasch zum Atemstillstand führen.


Paukenschlag aus Karlsruhe für Berlin?

Folgt der nächste Paukenschlag aus Karlsruhe? Das Bundesverfassungsgericht verkündet an diesem Dienstag, ob in Berlin die Bundestagswahl 2021 wiederholt werden muss. Zur Erinnerung: In der Hauptstadt hatte man die Wahl ordentlich in den Sand gesetzt, es gab fehlende und falsche Wahlzettel, in einigen Wahllokalen wurden noch lange nach Ablauf der Frist Kreuze gesetzt.

Die Folgen des Wahldebakels für das Bundesland waren bereits groß: Die Wahl zum Abgeordnetenhaus musste wiederholt werden. Seither regieren nicht mehr SPD, Linke und Grüne in Berlin, sondern eine große Koalition aus CDU und SPD.

Das Verfassungsgericht könnte nun auch mit Blick auf die Bundestagswahl erheblich an den Ergebnissen aus Berlin zweifeln. Drei Varianten sind denkbar: Die Wahl könnte gar nicht, in Teilen oder aber komplett wiederholt werden. Experten halten es für wahrscheinlich, dass es zu einer Wahlwiederholung kommt – in welchem Umfang aber ist ungewiss.

Die Folgen für den Bundestag sind noch unklar, dürften mit Blick auf die Größe des Bundeslandes aber überschaubar bleiben. Eine komplette Wiederholung könnte vor allem für die Linke wie das Bündnis Sahra Wagenknecht massive Folgen haben: Die Linke ist nur noch durch drei gewonnene Direktmandate im Bundestag vertreten – und zwei dieser Direktmandate holten Gesine Lötzsch und Gregor Gysi in Berlin. Verlieren sie bei einer erneuten Wahl ihre Mandate, fliegen auch alle Linken-Abgeordneten raus, die über ihre Liste eingezogen sind. Darunter: Sahra Wagenknecht.

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Was steht noch an?

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gibt eine Pressekonferenz zum Jahresende. Ort und Zeitpunkt wurden aus Sicherheitsgründen nicht vorab bekannt gemacht.


In Frankenthal startet ab 10 Uhr ein Zivilprozess gegen den Impfstoffhersteller Biontech wegen möglicher Impfschäden. Eine Frau aus Rheinland-Pfalz klagt, weil es nach einer zweiten Impfung bei ihr zu einer beidseitigen Lungenarterien-Embolie gekommen sei. Biontech hält die Klage für unbegründet.


Seit 2018 muss in jedem staatlichen Gebäude in Bayern gut sichtbar im Eingangsbereich ein Kreuz hängen. Der religionskritische Bund für Geistesfreiheit geht gegen den sogenannten Kreuzerlass vor, das Bundesverwaltungsgericht verkündet um 13.30 Uhr seine Entscheidung.


Auf der Reykjanes-Halbinsel in Island ist ein Vulkan ausgebrochen. Der Eruption ging eine wochenlange Serie an Erdbeben voraus. Islands Präsident Gudni Jóhannesson teilte mit, es sei noch unklar, welchen Schaden der Ausbruch anrichten könnte. Wir halten Sie über die Geschehnisse auf dem Laufenden.


Was lesen?

Die Ampel will ihren Haushalt retten und setzt den Rotstift an – unter anderem bei den Landwirten. Doch die sind eine Macht, wenn sie auf die Straße gehen. Meine Kollegen Camilla Kohrs und Julius Zielezinski haben sich beim Bauern-Protest am Brandenburger Tor umgehört.


Die CDU unter Friedrich Merz bricht in ihrem neuen Grundsatzprogramm mit der Islampolitik eines früheren Bundespräsidenten aus ihren Reihen und mit ihrer Altkanzlerin. Sie wünscht sich dabei eine Welt zurück, die es nicht mehr gibt, kommentiert mein Kollege Christoph Schwennicke.


Der Bundestrainer hat die Spekulationen angeheizt, dass einer der erfolgreichsten deutschen Spieler in die Nationalelf zurückkehren könnte. Meine Kollegen Robert Hiersemann und Florian Wichert streiten hier, ob das so eine gute Idee ist.


Ohrenschmaus

Sie lebte ein bewegtes Leben und brannte sich mit ihrer Stimme ins europäische Gedächtnis ein: Édith Piaf. Der Franzosen liebste Chanson-Sängerin würde heute ihren 108. Geburtstag feiern. Deswegen sei ihr berühmtes "Nein, ich bereue nichts" empfohlen – als Song wie Lebensmotto. Hier können Sie den "Spatz von Paris" live singen hören.


Zum Schluss

Simple Wahrheiten im Autohaus:

Ich wünsche Ihnen einen sorgenfreien Dienstag. Morgen begleitet Florian Harms Sie in den Tag.

Herzlichst

Ihre Annika Leister
Politische Reporterin im Hauptstadtbüro von t-online
Twitter: @AnnLei1

Was denken Sie über die wichtigsten Themen des Tages? Schreiben Sie es uns per E-Mail an t-online-newsletter@stroeer.de.

Mit Material von dpa.

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