Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Tagesanbruch-Podcast Jung, faul, überfordert?
Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
kennen Sie das? Man kämpft sich durch den Alltag, gibt stets sein Bestes, scheut bei der Arbeit keine Mühen, engagiert sich vielleicht auch noch nebenher für etwas Soziales und stellt obendrein keine hohen Ansprüche. So geht man durchs Leben, wird älter und sieht morgens im Spiegel die Spuren der jahrelangen Plackerei.
Und dann begegnet man jungen Leuten, die ganz anders ticken. Die alles gleichzeitig haben wollen: Karriere, Geld, Anerkennung – aber auch viel Freizeit, Extras und bitte nicht zu viele Anforderungen. Wo wir alten Hasen unermüdlich geackert haben und beim Jonglieren mit Ausbildung, Job und Familie wenig Zeit für Müßiggang blieb, stellen Menschen zwischen Mitte zwanzig und Mitte dreißig ganz andere Ansprüche ans Leben. Viele von ihnen sind nicht bereit, jahrelang Kompromisse zu machen und ihr persönliches Wohlbefinden einem Arbeitgeber oder gar der Gesellschaft zu opfern.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich ertappe mich dabei, dass mich diese Haltung irritiert. Muss man nicht erst einmal etwas leisten, bevor man Forderungen erheben kann? So habe ich es gelernt. Mit 15 arbeitete ich in einer Fabrik, ganz hinten in der Maschinenschlosserei, Öl, Schmutz, Lärm. Abends fiel ich todmüde ins Bett. Später folgten andere Jobs und unbezahlte Praktika, bevor ich als kleines Licht in einer Redaktion Nachrichten schreiben durfte: nachts, während die anderen schliefen. Arbeit und Projekte neben der Promotion, und natürlich wollte ich auch eine Familie gründen. Ich habe den Eindruck: Viele in meiner Generation haben es so oder so ähnlich gemacht. Klaglos.
Die Älteren unter uns waren noch viel stärker gefordert. Wenn ich an meine Großmutter denke, die nach dem Krieg als Witwe mit einem Sekretärinnengehalt fünf Kinder aufzog, Tag und Nacht ackerte und trotzdem ein fröhlicher, zufriedener Mensch blieb, möchte ich mich vor ihr verbeugen (vielleicht sieht sie's ja von droben).
Warum sind die Jungen heute so anders? Sind sie verwöhnt, faul und schnell überfordert – oder haben sie gute Gründe für ihre Haltung? Liegt das Problem womöglich gar nicht bei ihnen, sondern eher bei uns Älteren? Ich denke, die Antwort auf diese Frage wird mitentscheiden, wie Deutschland sich entwickelt. Ob wir unseren Wohlstand erhalten können und ein erfolgreiches Land bleiben. Deshalb haben meine Kollegin Lisa Fritsch und ich den Generationenforscher Simon Schnetzer eingeladen, mit uns im Podcast zu diskutieren. Was der Leiter der "Trendstude Jugend in Deutschland 2023" berichtet, hat mir nicht nur die Augen geöffnet, sondern mich auch nachdenklich gemacht. Im zweiten Thema erkläre ich, warum das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die gesamte Regierungspolitik verändern kann. Hören Sie bitte:
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Ob Sie jung sind oder alt oder junggebliebene Alte: Genießen Sie das Wochenende! Draußen wird's immer frischer, aber drinnen kann man sich's behaglich machen. Der nächste Tagesanbruch kommt am Montag von Daniel Mützel, von mir lesen Sie am Dienstag wieder.
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Quellen für verwendete Töne:
SWR2, Bundesfinanzministerium