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Scholz, Habeck & Co.: Wie soll das mit der Ampelkoalition nur weitergehen?


Meinung
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Tagesanbruch
Na, dann: Gute Nacht!

MeinungVon Tim Kummert

Aktualisiert am 13.12.2022Lesedauer: 5 Min.
Olaf Scholz: Umbau zum Schlafwagen?Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Umbau im Schlafwagen? (Quelle: IPON/imago-images-bilder)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

es ist zwar noch nicht einmal Mitte Dezember, aber die letzte Woche des Jahres ist bereits in vollem Gange. Zumindest die letzte Woche des politischen Durchwurschtelns 2022. In den nächsten Tagen diskutieren die Abgeordneten noch mal über dies und das, dann verabschieden sie sich in die Weihnachts- und Winterpause. Erst Mitte Januar geht der Parlamentsbetrieb wieder los.

Ein Monat Ruhe. Vielleicht nutzt manch einer in der Ampelkoalition die Zeit, um sich zu überlegen, was die Regierung eigentlich noch so vorhat. In den nächsten drei Jahren. Bis zur Wahl.

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Denn gut 365 Tage nach ihrem Amtsantritt wirken SPD, Grüne und FDP seltsam ideenlos. Da ist kein Antrieb, keine Vision. Die FDP betont bei jeder sich bietenden Gelegenheit, wie wichtig die Schuldenbremse für die Staatsfinanzen ist. Das mag stimmen, aber ist nur eine überschaubare inhaltliche Mission. Die Grünen verabschiedeten sich von ihrer Anti-Atomkraft-Haltung. Doch ohne Gründungsmythos wissen sie noch nicht so recht, was ihr neuer Markenkern sein soll.

Und die SPD? Hat nach dem Mindestlohn zuletzt auch die Bürgergeld-Reform, ihr zweites Prestigeprojekt, durch Bundestag und Bundesrat gebracht. Die größten Wahlkampfversprechen sind damit abgehakt. Und jetzt?

Gehandelt hat die Regierung zuletzt vor allem, wenn die Krise in den Alltag der Menschen krachte wie ein Ziegelstein durchs Fenster. Die Gaspreise explodieren? Da muss eine Bremse her! Die Inflation schießt nach oben? Da machen wir einen Gipfel im Kanzleramt! Das ist nicht falsch. Aber es reicht nicht aus.

In all dem Gezänk in den Niederungen der Tagespolitik – das Handwerk beherrschen vor allem Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck – wird deutlich, was fehlt: Es sind die großen Linien. Wer kann eigentlich sagen, was unsere Regierung mit dem Land vorhat? Abgesehen davon, dass alles irgendwie besser (oder zumindest nicht schlechter) werden soll?

Über Armin Laschet hieß es einst, er wolle im Schlafwagen ins Kanzleramt rollen. Nun wirkt es bisweilen, als wolle Olaf Scholz das Kanzleramt zum Schlafwagen umbauen. Na dann: gute Nacht.

Die Bürger wenden sich zunehmend ab. In einigen Umfragen fehlt der Ampel inzwischen eine Mehrheit, das Bündnis würde zum jetzigen Zeitpunkt womöglich nicht wiedergewählt. Dass die Union deutlich vor der Kanzlerpartei SPD liegt, ist kein Zufall. Ein reines Verwalten ist in der Krise zu wenig, so etwas goutieren Wähler nicht.

Natürlich lässt sich einwenden, dass die Niederungen der Realpolitik selten glanzvoll sind. Aber Regierungspolitik ist mehr, als nur auf Krisen zu reagieren. Sie braucht eine grundsätzliche Richtung. Ein Ruck, wie ihn der frühere Bundespräsident Roman Herzog gefordert hat, würde Deutschland guttun. 25 Jahre nach Herzogs Rede.

Was haben die Koalitionspartner bei ihrem Start nicht alles versprochen? Einen neuen politischen Stil. Dass sie mehr erklären und dem Wähler auf Augenhöhe begegnen wollen. Durch das lagerübergreifende Bündnis sollte auch eine größere Breite der Gesellschaft abgebildet werden. Von all dem ist wenig zu sehen.

Und so entsteht bei vielen Menschen der Eindruck, die Regierung mache fast nichts. Kennen Sie Klara Geywitz? Wahrscheinlich nicht, obwohl sie Bundesbauministerin ist. Haben Sie schon mal etwas von Lisa Paus gehört? Sie kümmert sich ums Familienministerium. Und wissen Sie wirklich, was Cem Özdemir vorantreibt? Immerhin ist er Landwirtschaftsminister.

Wenigstens einer wagte sich bis vor Kurzem immer wieder vor: Robert Habeck. Natürlich inszenierte er sich und nahm für Instagram gern lange Videos mit sorgenvoller Miene auf. Aber er versuchte eben auch, seine Politik zu erklären. Inzwischen ist von Habeck kaum noch etwas zu hören.

Dafür bemüht sich der Gesundheitsminister gerade, mit einer großen Krankenhausreform Akzente zu setzen. Zwar kommuniziert Karl Lauterbach lieber klassisch über Pressekonferenzen als über Instagram-Videos. Aber er ließ immerhin etwas Gestaltungswillen erkennen. Viele andere im Kabinett nehmen den zwar auch für sich in Anspruch. Nur folgt dann wenig.

Das gilt sogar für den Bundeskanzler. Obwohl er ein eher zurückhaltender Mensch ist, kommuniziert er viel. Doch bei den Wählern bleibt wenig hängen. Den wenigsten dürfte klar sein, wohin er das Land steuern will.

Es gibt wenige Antworten der Regierung, aber so viele Fragen: Warum kann sie sich nicht auf eine kluge Klimapolitik einigen? Ist die Pandemie nun zu Ende oder nicht? Wo ist ein echter Vorstoß zur umfassenden Digitalisierung zu erkennen? Warum geschieht so wenig für eine modernere Landwirtschaft? Und wieso gibt es keinen überzeugenden Plan, wie die Bürger jenseits der Energie von den hohen Preisen entlastet werden können?

Im Moment wirkt es so, als habe sich die selbsternannte Fortschrittskoalition in eine Schlurf-Regierung verwandelt. Der Kanzler und Minister sollten über den Jahreswechsel Kraft tanken. Es wäre in unser aller Sinne.


Was steht an?

Kanzler Olaf Scholz absolviert heute einen Termin, der Einigkeit transportieren soll: Pressewirksam wird er am Mittag zwei U-Boote in Kiel taufen, mit dabei ist der Premierminister von Singapur, Lee Hsien Loong. Die Schiffe wurden von einer deutschen Werft von Thyssenkrupp gebaut — die gemeinsame Einweihung soll auch zeigen: Wir unterstützen andere Länder in angespannten Zeiten. Auch, wenn es um schweres Kriegsgerät geht.

Bundespräsident Steinmeier besucht heute um 10 Uhr morgens das Zentrum der Berliner Stadtmission. Steinmeier will sich mit Bewohnern austauschen, auch mit Mitarbeitern eines Wohnverbundes sprechen, in dem alkoholkranke Menschen unterkommen.

Und dann ist da ja noch der Fußball: Argentinien trifft heute um 20 Uhr bei der Fußballweltmeisterschaft auf Kroatien. Es geht um den Einzug ins Finale, der andere Endrunden-Teilnehmer wird dann morgen ermittelt. Heute um 12 Uhr mittags hält der DFB seine "Jahresbilanz" nach dem WM-Aus der Nationalmannschaft in der Vorrunde ab. Es dürfte ein Termin werden, auf den der Begriff "Scherbengericht" zutrifft.


Was lesen?

Eine bundesweite Razzia gegen "Reichsbürger" beschäftigt Deutschland auch noch Tage später. Da Informationen offenbar frühzeitig nach außen drangen, befürchten manche, auch die Verdächtigen könnten gewarnt worden sein. Möglicherweise nicht völlig zu Unrecht: Meine Kollegen Jonas Mueller-Töwe, Johannes Bebermeier und Annika Leister sind auf eine schwere Ermittlungspanne gestoßen.

Nach der "Reichsbürger"-Razzia geht jetzt auch eine Diskussion um das Waffenrecht los. Eigentlich dürfen Extremisten keine Waffen besitzen — aber der Verfassungsschutz hat den Behörden teilweise gar nicht verraten, wer ein Extrem ist ist. Auch die Recherche meines Kollegen Carsten Janz empfehle ich ihnen sehr.

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Was amüsiert mich?

Die Grenzen dessen, was sich eigentlich käuflich erwerben lässt, scheinen gegenwärtig zu verschwimmen.

Kommen Sie gut durch diesen Dienstag. Morgen schreibt an dieser Stelle unsere Chefreporterin Miriam Hollstein für Sie.

Herzliche Grüße,

Ihr Tim Kummert
Politischer Reporter im Hauptstadtbüro von t-online
Twitter: @TKummert

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Mit Material von dpa.

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