Größtes Rätsel der Luftfahrt Was geschah wirklich mit MH370?
Was geschah mit Flug MH370? Darüber rätseln Ermittler auch fast ein Jahr nach dem spurlosen Verschwinden der Boeing 777. Alle möglichen Theorien wurden durchgespielt und meist verworfen. Steckt doch der Pilot dahinter?
Zaharie Shah ist Pilot der Malaysia Airlines und 52 Jahre alt, als er seinen letzten Flug antritt. Am 8. März 2014 sitzt er am Steuer von Flug MH370. Die Boeing verschwindet 40 Minuten nach dem Start in der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur auf dem Weg nach Peking urplötzlich vom Radar. Seitdem fehlt jede Spur von dem Flugzeug und den 239 Menschen an Bord.
Hunderte Ermittler testen seit fast einem Jahr Unglückstheorien, aber nichts ist plausibel. Deshalb rückt Zaharie jetzt erneut in ihr Visier.
Doku zum "größten Rätsel der Luftfahrt"
"Es ist eindeutig das größte Rätsel der Luftfahrtgeschichte", sagt Malcolm Brenner in einer Dokumentation des Fernsehsenders National Geographic. Er ist einer der erfahrensten Unfallermittler weltweit und war lange bei der US-Transportsicherheitsbehörde NTSB. Die Umstände seien viel zu mysteriös für einen Unfall, meinen Experten in dem Film. Ein Cockpitkenner müsse die Maschine bewusst gelenkt haben.
Zunächst der Stopp zweier Kommunikationssysteme gleichzeitig: "Es gibt keine elektrische Verbindung zwischen beiden und damit keinen Grund außer menschlichem Eingreifen, warum sie gleichzeitig ausgingen", sagt Brenner. Zudem passierte dies genau zu dem Zeitpunkt, als die Maschine von der malaysischen Flugüberwachung in die vietnamesische flog und weder die eine noch die andere den fehlenden Kontakt sofort merkte.
"Das muss ein Pilot gemacht haben"
Dann die kurz darauf folgenden abrupten Kursänderungen: "Für mich steht fest, das muss ein Pilot gemacht haben", sagt John Nance, Flugexperte des Senders ABC in dem Film. "Das sieht ganz nach einem sorgfältigen Plan aus, um jeder Entdeckung zu entgehen", meint Brenner. Unter den Passagieren war nach den Erkenntnissen der Ermittler niemand mit der nötigen Pilotenerfahrung.
So viel wissen die Experten nach Auswertung von Satellitendaten: die Maschine flog noch rund sieben Stunden Richtung Süden. Sie gehen davon aus, dass sie im Indischen Ozean, rund 2000 Kilometer westlich von Perth abstürzte, als das Benzin ausging. Die Australier koordinieren die Suche nach wie vor dort. Fast die Hälfte des 60.000 Quadratkilometer großen Gebietes ist abgesucht, aber von dem Wrack fehlt weiterhin jede Spur.
Möglicher Hergang
So könnte es nach Meinung der Experten gelaufen sein: Kapitän Zaharie schickt den Kopiloten unter einem Vorwand, beispielsweise, dass er ihm einen Kaffee holen soll, aus dem Cockpit. Er schließt die Tür, setzt die Sauerstoffmaske auf, und lässt manuell den Druck in der Kabine fallen. Die Menschen können sich noch zwölf Minuten mit den Sauerstoffmasken retten, dann fallen sie ins Koma. Zaharie lenkt die Maschine an allen Radarpunkten vorbei Richtung Antarktis und schaltet dann womöglich auf Autopilot. Nur: Warum will der Pilot sich und alle anderen umbringen?
"Ich finde die Theorie eher schwach", meint dann auch Jörg Schlüter, der am Raumfahrtinstitut der Nanyang-Universität in Singapur lehrt. "Warum sollte er so weit fliegen, warum hat er die Maschine dann nicht gleich zum Absturz gebracht?"
Zaharie ist ein Mann im besten Alter. Er ist Vater von drei Kindern, hat ein Enkelkind. "Ich habe noch zwei, drei Tage vor dem 8. März mit ihm gesprochen, es gab kein Anzeichen, dass etwas nicht stimmte", sagt ein Kollege Zaharies. Zaharie ist begeisterter Hobbykoch und Heimwerker. Der Flugfanatiker hat einen eigenen Simulator zu Hause. "Wir haben nichts Ungewöhnliches an dem Simulator gefunden, aber wir warten noch auf die Ergebnisse der US-Experten", teilt ein Mitarbeiter von Polizeichef Khalid Abu Bakar mit. "Ihr Bericht kommt bald heraus."
Ähnliche Fälle sind vorgekommen
Ewan Wilson, ehemaliger Geschäftsführer von Kiwi International Airlines und einer der Autoren von "Goodnight 370", vertritt ebenfalls die These, dass der Pilot für das Verschwinden der Maschine verantwortlich ist. In seinem Buch listet er fünf ähnliche Fälle auf, in denen mutmaßlich eine Absicht des Piloten vorlag.
Der Jüngste von ihnen ereignete sich im November 2013 als Flug TM470 der mosambikischen Airline LAM auf halber Strecke von Maputo nach Luanda nach schnellem Sinkflug vom Radar verschwand. Später wurden die Trümmer der Embraer 190 in einem Nationalpark gefunden. Alle 33 Insassen waren tot. Der Co-Pilot habe sich zum Zeitpunkt des Unglücks in der Toilette befunden, so Wilson in "Goognight 370". Zudem hätten Ermittlungen nach dem Absturz ergeben, dass der Pilot unter Depressionen und Eheproblemen litt.
Suche an der richtigen Stelle?
Der renommierte Sicherheitsexperte des Onlineportals FlightGlobal, David Learmount, hält das von National Geographic aufgezeigte Szenario mit einem lebensmüden Flugzeuglenker zumindest für möglich. Dann liefe die Suche nach dem Wrack aber an der falschen Stelle, schreibt er in seinem Blog: "Wenn die Klimaanlage im Flugzeug frühzeitig ausgeschaltet war und blieb, hätte die Maschine weiter fliegen können (als jetzt angenommen)." Der Treibstoff hätte ohne Betrieb der Klimaanlage länger gereicht.
"Mein Gefühl ist bei der jetzigen Beweislage sehr stark, dass wer auch immer verantwortlich ist, die Absicht hatte, das Flugzeug und die Passagiere einfach spurlos vom Planeten verschwinden zu lassen", mutmaßt Brenner in dem Dokumentarfilm.