Schwieriger Spagat in der Ukraine-Krise Die SPD, die Altkanzler und die Russland-Politik
Nicht immer kommt in Parteien Freude auf, wenn sich pensionierte Politiker wieder in das Alltagsgeschäft einmischen. In der Ukraine-Krise entsteht derzeit sogar der Eindruck, als ob eine ganze Garde früherer SPD-Politiker wieder aktiv wird - um gegen den Russland-Kurs der Großen Koalition mobil zu machen.
Am Samstag etwa lobte Altkanzler Helmut Schmidt den russischen Präsidenten Wladimir Putin in der "Bild"-Zeitung als "vorausschauenden Politiker", der keinen Krieg wolle.
Die von der Bundesregierung mitgetragenen EU-Sanktionen lehnt er ebenso ab wie der andere SPD-Altkanzler, Gerhard Schröder, eine Woche zuvor - und betont nebenbei, dass die Politik des Westens auf dem großen Irrtum beruhe, "dass es ein Volk der Ukrainer gäbe, eine nationale Identität".
In der SPD erntet Schmidt Schweigen
In der aktiven SPD erntet Schmidt dafür vor allem eines - Schweigen. Auf keinen Fall will man sich offen so über den richtigen Russland-Kurs streiten, wie dies in der Union angesichts der Abweichler wie CSU-Vizechef Peter Gauweiler und des außenpolitischen Sprechers Philipp Mißfelder der Fall war.
"Wir leiden lieber still", meint ein Sozialdemokrat etwas sarkastisch und räumt eine gedrückte Stimmung gerade bei den SPD-Außenpolitikern ein. Denn das russische Vorgehen auf der Krim und in der Ostukraine sei natürlich besonders schmerzhaft für jene Partei, die sich traditionell am stärksten für eine Aussöhnung auch mit der Sowjetunion und dann Russland eingesetzt habe. Deshalb wirkt die nun drohende Eskalation besonders bedrohlich.
Keine Kritik an Schmidt
Aber am besten sei es, das Thema überhaupt nicht offen zu debattieren, heißt es. Als etwa der außenpolitische Sprecher der SPD, Niels Annen, auf die abwertende Bemerkung von Altkanzler Schmidt reagieren sollte, niemand der derzeit Handelnden habe eine vernünftige Idee für die Zukunft der Ukraine, sagte er im "Deutschlandfunk" nur: "Sie werden mir nachsehen, dass ich als Sozialdemokrat und als Hamburger Abgeordneter nun sicherlich nicht Ihre Sendefrequenzen dafür nutzen werde, Helmut Schmidt, den ich sehr bewundere, zu kritisieren."
Das erinnert an das verbreitete, pikierte Schweigen in der SPD, als die Fotos von der Umarmung Schröders mit Putin in St. Petersburg öffentlich wurden.
Platzeck erntet Widerspruch
Dabei sind die Altkanzler nicht die einzigen, die vehement das Erbe der Entspannungspolitik verteidigen wollen. Auch die früheren SPD-Granden Erhard Eppler, Klaus von Dohnanyi und Matthias Platzeck, der heute Chef des deutsch-russischen Forums ist, fordern statt Sanktionen mehr Dialog mit Moskau.
Platzeck allerdings erntete offenen Widerspruch, als er auch noch das erklärte Ziel der Bundesregierung infrage stellte, die ukrainische Präsidentschaftswahl am 25. Mai zu sichern. Platzeck hatte wie Russlands Führung für eine Verschiebung plädiert.
Das Problem mit Steinmeier
Das Problem: Mit fast jeder Äußerung kritisiert die alte SPD-Garde damit nicht nur etwa Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, sondern auch den eigenen SPD-Mann, Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Denn erst am Montag hatten die EU-Außenminister einer Verschärfung der Visa- und Kontensperrungen gegen Russen und Ukrainer zugestimmt, die für die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich gemacht werden.
Und die "Bild"-Zeitung enthüllte genüsslich eine nicht autorisierte Passage eines Schröder-Interviews mit der "Welt am Sonntag", in der Schröder seinem früheren Kanzleramtschef zwar das Vertrauen ausgesprochen hatte, dies aber mit dem dann gestrichenen Wörtchen "noch" versehen habe.
Gabriel nimmt Steinmeier in Schutz
Wohl auch deshalb reagierte die SPD dankbar auf eine Kritik, die aus einer ganz anderen Richtung gegen Steinmeier kam - und gegen die man sich gerade im Europawahlkampf leichter wehren kann. Denn der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl, Markus Ferber, hatte Steinmeier das Scheitern seiner diplomatischen Vermittlungsversuche in der Ukraine vorgeworfen.
Empört wies die SPD dies zurück: SPD-Chef Sigmar Gabriel nahm seinen Parteifreund mit einer eleganten Hommage an Altkanzler Schmidt in Schutz: Wer den Außenminister dafür kritisiere, dass dieser immer wieder versuche, die Menschen an den Verhandlungstisch zu bekommen, vergesse den Ausspruchs Schmidts: "Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln, als eine Minute schießen."
Merkel will keinen Koalitionsstreit
Aber auch die Union springt dem Außenminister hier entschlossen bei, nicht ganz uneigennützig. Denn einen Koalitionsstreit will sich Kanzlerin Merkel in der als sehr schwerwiegend eingeschätzten Ukraine-Krise nicht leisten. Schon die Debatte, ob die EU mit ihrem Angebot eines Assoziierungsabkommens mit der Ukraine eine Mitschuld an der Eskalation trägt, wird zum jetzigen Zeitpunkt als gefährlicher Spaltpilz empfunden und nach Möglichkeiten heruntergeredet.
Also wurde Ferber auch von CSU-Chef Horst Seehofer gerüffelt. Und folgerichtig betont der Regierungssprecher alle zwei Tage auf Nachfrage oder unaufgefordert, wie eng Kanzlerin und Außenminister in der Ukraine- und Russland-Politik zusammenarbeiteten - ungeachtet aller Kritik.