"Anti-Terror-Einsatz" Bittere Demütigung für Kiew in der Ost-Ukraine
Kiew
Ziel der Operation war die Stadt Slawjansk, auf die sich schon der erste Einsatz am Sonntag konzentriert hatte. Zuvor hatten die Aufständischen ein Ultimatum der Übergangsregierung verstreichen lassen - und sie taten es wieder. Westliche Beobachter sprechen immer wieder von einigen wenigen Separatisten, die das Weltgeschehen beeinflussen. Nun leisteten sie erneut äußerst wirkungsvoll und entschlossen Widerstand.
Ukrainische Panzer mit russischen Fahnen
Wie das ukrainische Verteidigungsministerim berichtete, hielten "Anwohner" die Kolonne schon in Kramatorsk auf, das 20 Kilometer südlich von Slajwansk in der umkämpften Region Donezk liegt. Sie umlagerten die Einheit, schimpften, zeigten Drohgebärden. Auf ein Blutbad wollten Kiews Soldaten es offensichtlich nicht ankommen lassen. Uniformierte ohne Abzeichen übernahmen sechs der Panzerfahrzeuge und fuhren damit durch die Innenstadt von Slawjansk - unter russischen Fahnen.
Gegenüber Reportern gaben sie sich als "Selbstverteidigungskräfte" von der Krim aus. So waren stets die auf der Schwarzmeer-Halbinsel agierenden Soldaten bezeichnet worden, hinter denen der Westen und Kiew russische Einheiten vermuten. Die Krim sagte sich los und schloss sich der Russischen Föderation an. Auch jetzt gilt Moskau als Drahtzieher, während der Kreml diese Anschuldigungen von sich weist.
Wenige Stunden nach dem Zwischenfall in Kramatorsk gab auch der Rest der Militärkolonne auf. Die Soldaten begannen, vor einem uniformierten Mann ohne Abzeichen ihre Waffen unbrauchbar zu machen. Im Gegenzug erhielt der Trupp die Zusicherung, mit den Militärfahrzeugen den Rückweg antreten zu können.
"Jetzt reicht es uns"
Nach Angaben der "Selbstverteidigungskräfte" hätten sich ihnen 150 ukrainische Soldaten angeschlossen. Ein in Slawjansk übergelaufener ukrainischer Soldat sagte, er und andere Angehörige einer Fallschirmjägereinheit wollten nicht auf das eigene Volk schießen. "Wir haben seit Wochen nichts Vernünftiges zu essen bekommen, Kiew hat uns vergessen. Jetzt reicht es uns", rief einer der übergelaufenen Soldaten laut "Spiegel Online". "Wir sind das Volk", ein anderer.
Ukrainische Soldaten sitzen auf Panzern, die nun unter russischer Flagge fahren. Sie tragen zum Teil die orange-schwarze Schleife, das Sankt-Georgs-Band - ein Tapferkeitszeichen des russischen Militärs.
Ein AP-Reporter will gesehen haben, dass eine Einheit der ukrainischen Luftlandetruppen die Seiten gewechselt hat. Einer ihrer Soldaten sagte demnach in Slawjansk, man sei nun auf der Seite der pro-russischen Aktivisten. Sechs Schützenpanzer seien in die Kleinstadt gefahren und an den Kontrollpunkten von pro-russischen Aktivisten enthusiastisch begrüßt worden. Die Soldaten hätten grüne Tarnanzüge getragen, sie seien ausgerüstet mit Automatikwaffen und Granatwerfern.
Rathaus von Donezk gestürmt
In der nahegelegenen Metropole Donezk stürmten rund 20 pro-russische Bewaffnete das Rathaus. Wie eine AFP-Reporterin vor Ort berichtete, erklärten die Aktivisten, ihre einzige Forderung sei die Organisation eines Referendums über die Bildung einer "föderalistischen" Ukraine. In Donezk wird seit Anfang April bereits der Sitz der Regionalregierung besetzt gehalten.
In der Region Lugansk wurden nach Angaben des Kiewer Verteidigungsministeriums ein Offizier und ein Soldat von pro-russischen "Extremisten" als "Geiseln" genommen und an einen unbekannten Ort gebracht.
Bürgerwehren pro Kiew
Mehrere Einheiten der ukrainischen Streitkräfte seien an der Suche nach den beiden Militärs beteiligt. Kiew kündigte eine "harte Reaktion" auf derlei Angriffe auf ukrainische Soldaten an.
In einigen Städten des Ostens, auf den die Zentralregierung immer weniger Zugriff hat, bildeten sich indes Bürgerwehren. Sie wollen die Sicherheitskräfte der pro-westlichen Führung unterstützen und sich gegen die nach Russland orientierten Separatisten verteidigen.