EU in der Krim-Krise Schulz: "Kriegsgefahr zurück in Europa"
Durch den Konflikt um die Krim sieht der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), die Gefahr eines Krieges nach Europa zurückgekehrt. "All diejenigen, die geglaubt haben, Krieg oder Kriegsgefahr wären kein Thema mehr, sehen sich eines Besseren belehrt", sagte Schulz auf dem EU-Gipfel in Brüssel.
"Wir reden vom Risiko eines bewaffneten Konflikts." Das "sehr brutale Vorgehen" Russlands zur Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim bedeute eine "neue Dimension", sagte der SPD-Politiker.
Ukraine warnt Russland "offiziell"
Schulz äußerte nach einem Treffen mit den EU-Staats- und Regierungschefs die Befürchtung, dass sich Russlands "Begehrlichkeiten" nicht auf die Krim beschränken. "Und deswegen ist jeder weitere Schritt der russischen Regierung zu beantworten mit verschärften Sanktionen" bis hin zu einer "dramatischen wirtschaftlichen Konfrontation", sagte der EU-Parlamentspräsident. Die EU müsse Moskau deutlich machen, dass sie ein Überschreiten der von Russland erreichten Grenze nicht akzeptiere.
Wie real die Gefahr ist, zeigt eine Ankündigung der ukrainischen Regierung: Sie werde einen Versuch der "Annexion" ihrer östlichen Landesteile durch Russland "militärisch" beantworten. Das erklärte Übergangsministerpräsident Arseni Jazenjuk laut Regierungsangaben am Rande des EU-Gipfels. "Ich möchte Russland offiziell warnen: Wir werden auf jeglichen Versuch, die Ukraine zu erobern, entschlossen reagieren, einschließlich militärischer Mittel", sagte Jazenjuk. Dies gelte auch für die nicht mehrheitlich russischsprachigen Landesteile und selbst dann, wenn russische Kräfte die Grenzen zur Ukraine auch nur überschreiten sollten.
Russland versucht derweil die Wogen zu glätten: Moskau hat nach eigenen Angaben nicht die Absicht, mit seinen entlang der ukrainischen Grenze stationierten Truppen ins Nachbarland einzumarschieren. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu habe seinem US-Kollegen Chuck Hagel in einem Telefonat versichert, dass die Soldaten nur dort seien, um Manöver abzuhalten, teilte das Pentagon mit. Ukrainischen Boden würden sie nicht betreten.
Die EU zögert noch
Die EU hat die von Moskau ausgehende Gefahr zwar erkannt, zögert aber noch immer, drastische Maßnahmen zu ergreifen, um Putin in die Schranken zu weisen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs beraten zwar über eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland. Geplant ist aber nur eine Ausdehnung der bereits bestehenden Reisebeschränkungen und Kontosperren auf weitere russische und ukrainische Verantwortliche.
Vor Wirtschaftssanktionen schreckt die EU aber weiter zurück. Zwar sagte Kanzlerin Angela Merkel bei ihrer Ankunft: "Wir werden sehr deutlich machen, dass wir auch bei weiterer Eskalation bereit sind, wirtschaftliche Sanktionen einzuführen." Doch eine Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen Moskau gilt zum jetzigen Zeitpunkt als ausgeschlossen.
"Wir werden noch einmal deutlich machen, dass die Annexion der Krim gegen alle internationalen Verträge verstößt", sagte Merkel weiter. Ebenso wie der französische Präsident François Hollande kündigte die Kanzlerin lediglich an, dass die EU ihre Sanktionsliste verlängern und weitere Verantwortliche für die Abspaltung der Halbinsel von der Ukraine mit Einreiseverboten und Kontosperren belegen werde.
Hollande sagte, es werde "eine Aussetzung der politischen Beziehungen geben". Der für Juni geplante EU-Russland-Gipfel könne unter den derzeitigen Bedingungen nicht stattfinden. Der britische Premierminister David Cameron forderte, die EU-Staaten sollten mit einer klaren und einheitlichen Stimme sprechen. "Was Russland getan hat, ist nicht akzeptabel."
Deutlicher wird da schon die Präsidentin der Baltenrepublik Litauen, Dalia Grybauskaite, die vor einer russischen Expansion warnte: "Sie bedrohen uns noch immer", sagte sie und forderte deutlich eine härtere Gangart gegenüber Moskau. Die bisherige Sanktionsliste sei nicht ausreichend, es seien sehr niedrigrangige Offizielle darauf verzeichnet. "Es ist an der Zeit, auf enge Verbündete Putins zu zielen", forderte Grybauskaite. Dabei müsse auch über Wirtschaftssanktionen und Waffenembargo gesprochen werden.
Russland beantwortet Sanktionen mit Sanktionen
Russland zeigt sich bislang von den Maßnahmen des Westens denkbar unbeeindruckt. Vize-Außenminister Riabkow sagte zu den westlichen Drohungen, Russland werde auf weitere Strafmaßnahmen mit eigenen Sanktionen reagieren. Er nannte laut der Nachrichtenagentur Interfax auch "asymmetrische Schritte" und drohte unter anderem mit Auswirkungen auf die Atom-Gespräche mit dem Iran.
Auf neue Sanktionen des USA gegen weitere russische Regierungsbeamte sowie eine Bank reagierte Moskau denn auch umgehend mit Vergeltung: Der Kreml verhängte Einreiseverbote gegen führende US-Politiker, darunter auch den republikanischen Senator John McCain.