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Marina Weisband in Kiew: "Niemand nimmt Vitali Klitschko ernst"


Piratin auf dem Maidan
Marina Weisband: "Niemand nimmt Klitschko ernst"

spiegel-online, von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 20.02.2014Lesedauer: 3 Min.
Marina Weisband von der Piratenpartei wurde in Kiew geboren. In den letzten Tagen engagierte sie sich bei der ukrainischen OppositionVergrößern des Bildes
Marina Weisband von der Piratenpartei wurde in Kiew geboren. In den letzten Tagen engagierte sie sich bei der ukrainischen Opposition (Quelle: dpa-bilder)

Marina Weisband verbrachte die vergangene Woche auf dem Maidan. Im Interview berichtet die Piratin und gebürtige Ukrainerin von ihren maskierten Begleitern und erklärt, warum die Opposition nicht mit einer Stimme spricht. Deutsche Medien zeichnen ihrer Ansicht nach ein verzerrtes Bild.

SPIEGEL ONLINE: Frau Weisband, Sie haben die vergangene Woche auf dem Maidan verbracht. Wie war die Stimmung?

Weisband: Es war ein sehr gemischtes Bild. Da waren Nationalisten, Ultralinke, Rentner. Auf der Bühne wurden Gedichte vorgetragen, am Rande an Barrikaden gearbeitet. Die Lage war noch ruhig, aber die Leute waren orientierungslos.

SPIEGEL ONLINE: Man sieht vor allem Bilder hochgerüsteter Demonstranten mit Stahlhelm, Knüppel, kugelsicherer Weste.

Weisband: Ja, fast jeder zweite auf dem Maidan ist maskiert und trägt improvisierte Schutzkleidung. Die rüsten sich so auf, weil ihnen hochgerüstete Polizeitruppen mit Kalaschnikows gegenüberstehen, die für eine autoritäre Regierung arbeiten. Ich hatte auch erst Angst, über den Platz zu laufen, weil da überall Männer mit Knüppeln sitzen. Aber die meisten waren sehr freundlich. Ich wurde selbst von zwei Maskierten begleitet, als ich mal zur Gruschewskistraße ging, wo sich die Demonstranten und die Berkut-Einheiten gegenüberstehen. Meine Begleiter waren sehr freundlich, wahrscheinlich nicht einmal volljährig.

SPIEGEL ONLINE: Was wollten Sie überhaupt dort?

Weisband: Ich war eine Woche in Kiew, und wurde von Demonstranten eingeladen, in deren Offener Universität auf dem Maidan einen Vortrag über "Liquid Democracy" zu halten. Die Leute auf dem Platz sind ja in verschiedene Gruppen gespalten, es gibt keine gemeinsame Diskussion, wie es weitergeht. Meine Mitstreiter arbeiteten daran, gemeinsame Forderungen aller Gruppen zu erarbeiten. Das ist jetzt durch die Eskalation erst mal hinfällig.

SPIEGEL ONLINE: Die Opposition hat doch klare Forderungen.

Weisband: Es gibt zwei große Fraktionen. Da sind die Oppositionsparteien und da ist die unabhängige Bürgerbewegung, die zunächst gar mit dem Motto "Maidan ohne Politik" aufgetreten ist. Von denen glauben die meisten, die Oppositionsparteien würden sich genauso korrupt wie die jetzige Regierung verhalten, kämen sie an die Macht.

SPIEGEL ONLINE: Welche Rolle spielt Vitali Klitschko?

Weisband: Klitschkos Rolle wird in Deutschland sehr überschätzt. Die Oppositionsparteien sind Teil des Euromaidans, aber nicht die Speerspitze. Klitschko wird als Figur kaum ernst genommen. Ich selbst habe niemanden getroffen, der von ihm begeistert war. Er spricht kaum ukrainisch, sagt bei seinen Auftritten nur wenige Sätze. Die Leute sind gegen Korruption auf der Straße und nicht für oder gegen eine Partei. Das ist zumindest mein Eindruck von vor Ort.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind in der Ukraine geboren und haben noch einen ukrainischen Pass. Wie geht es Ihnen jetzt, mit dieser Eskalation?

Weisband: Ich mache mir natürlich Sorgen. Man weiß abends nicht, was die Ukraine für ein Land sein wird, wenn man am nächsten Morgen aufwacht. Kiew ist jetzt im Ausnahmezustand, Verwandte von mir leben dort, Bekannte sind auf dem Maidan.

SPIEGEL ONLINE: Sie waren bis Sonntag vor Ort, aber jetzt wo die Lage eskaliert, sitzen Sie in Münster vor den Livestreams und twittern.

Weisband: Ich schäme mich fast, wieder zu Hause zu sein. Aus meiner Gruppe hätte niemand gedacht, dass es jetzt schon eskaliert.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben ein Bild getwittert, offensichtlich ein Propagandabild, das suggerieren will, auf dem Maidan hänge ein großes Hitler-Porträt. Wer verbreitet das?

Weisband: Dieses Bild stammt von einem russischen Twitteraccount - der Avatar hat im Foto eine kleine Russlandflagge. Das sehe ich als Teil der russischen Propaganda. Auch das russische Fernsehen, was vor allem im Osten der Ukraine geguckt wird, verbreitet, dass auf dem Maidan vor allem Nationalisten und Hitler-Kollaborateure seien. Es wird gezielt mit Desinformation gearbeitet.

SPIEGEL ONLINE: Die gibt es doch auch.

Weisband: Ja, auch. Ich möchte auch nicht, dass bewaffnete rechte Milizen die Macht übernehmen. Aber die Demonstranten müssen sich auch wehren.

SPIEGEL ONLINE: Wann kehren Sie zurück auf den Maidan?

Weisband: Ich hoffe im Frühjahr. Im Moment ist die Einreise für mich zu gefährlich, ich bin ja auf dem Maidan öffentlich bei der Opposition aufgetreten.

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