Bahnbrechende Auswirkungen befürchtet Gericht erklärt Telefonüberwachung der NSA für verfassungswidrig
Das massive Abschöpfen von Telefondaten von US-Bürgern durch den Geheimdienst NSA ist womöglich grundsätzlich verfassungswidrig. Zu diesem Urteil kam ein Bundesrichter in Washington. Demnach verstößt das Überwachungsprogramm gegen das in der Verfassung verankerte Verbot ungerechtfertigter Durchsuchungen.
Das bislang erste Urteil zu den umstrittenen Praktiken der NSA birgt reichlich Zündstoff. In Erwartung eines Einspruchs vonseiten der Regierung erklärte Richter Richard Leon seine Entscheidung zwar für noch nicht rechtskräftig. Doch könnte der Fall weitere juristische Kreise ziehen und letztlich vor dem Obersten Gerichtshof landen, dem Supreme Court.
Leon gab am Montagabend einem Antrag zweier Männer statt, die gegen die Ausspähmethoden der NSA geklagt hatten. Es handelte sich um den konservativen Anwalt Larry Klayman und Charles Strange, dem Vater eines Entschlüsselungstechnikers in Diensten der NSA und der Navy SEALs, der 2011 beim Absturz eines Helikopters in Afghanistan getötet wurde.
Private Interessen überwiegen
Die beiden Kläger könnten mit großer Wahrscheinlichkeit zeigen, dass ihre privaten Interessen jene der Regierung bei der Datensammlung überwiege, sagte Richter Leon. "Ich habe wenig Zweifel, dass der Autor unserer Verfassung, James Madison, der uns zur Vorsicht vor 'der Beschneidung der Freiheit des Volkes durch allmählich und stille Eingriffe durch jene an der Macht' warnte, bestürzt gewesen wäre", hieß es in seiner 68 Seiten starken Begründung weiter.
Im Übrigen habe die Regierung keinen einzigen Fall genannt, bei dem durch das Überwachungsprogramm "tatsächlich eine unmittelbare Terrorattacke gestoppt" worden sei.
Zudem zerpflückte Leon die Argumentationslinie der Regierung, die stets auf das Urteil des Supreme Court 1979 im Fall "Smith gegen Maryland" verwiesen hatte. Demnach könne keiner Privatsphäre bei Telefondaten erwarten, die Kommunikationsfirmen speicherten. Diesem Einwand der Regierung gab der Oberste Gerichtshof damals statt: Die Polizei brauche keinen Durchsuchungsbefehl, um auf derartige Daten zuzugreifen, hieß es damals.
"Realistisch gesehen für alle Ewigkeit"
Doch Leon erklärte nun, das Gericht habe 1979 unmöglich vorausahnen können, wie Menschen heutzutage mit ihren Telefonen kommunizieren. Der Richter verwies dabei auf die explosionsartige Verbreitung von Handys. Zudem sei es im Fall "Smith gegen Maryland" um eine wenige Tage andauernde Datensuche gegangen, während es "sehr berechtigten Anlass zur Annahme gibt, dass das (NSA)-Programm so lange weitergeht, wie Amerika gegen den Terrorismus kämpft, was realistisch gesehen für alle Ewigkeit sein könnte" sagte er.
Gegen das Sammeln von Daten der Kläger Klayman und Strange verhängte Leon eine einstweilige Verfügung. Im Lichte erheblicher nationaler Sicherheitsinteressen und dem Novum der verfassungsrechtlichen Streitpunkte lasse er sein Urteil jedoch bis zu einem möglichen Berufungsverfahren ruhen, erklärte der Richter weiter.
Mit dem Programm zur Aufzeichnung von Telefondaten ging der frühere NSA-Mitarbeiter Edward Snowden an die Öffentlichkeit. Weltweit lösten seine Enthüllungen eine kontrovers geführte Debatte über Sicherheit und Bürgerrechte aus.
Entsprechend gemischt fiel auch das Echo zum jüngsten Urteil aus. Ein Sprecher der Justizabteilung der Nationalen Sicherheitsbehörde, Andrew C. Ames, sagte: "Wir haben die Meinung (des Richters) gehört und prüfen diese nun. Wir finden, dass das Programm verfassungsgemäß ist - wie auch schon andere Richter geurteilt haben".
Auch NSA-Enthüller Snowden meldete sich über den Reporter Glenn Greenwald zu Wort: "Ein von einem Geheimgericht autorisiertes Geheimprogramm hat sich, heute an den Tag gebracht, als Verletzung der Rechte von Amerikanern entpuppt", erklärte Snowden. "Es ist das erste von vielen".