Warten auf den US-Angriff Syrien verlegt Truppen in Wohngebiete
Die Regierung in Damaskus hat sich längst auf einen US-Militärschlag vorbereitet: Die syrischen Streitkräfte verlegten militärisches Gerät und Soldaten von den Stützpunkten in Gegenden, in denen vornehmlich Zivilisten leben. Offenbar setzt Präsident Baschar al-Assad die Bevölkerung seines Landes als Schutzschild gegen Angriffe ein.
"Die Hälfte (der Ziele), wenn nicht mehr, wurde geräumt, verlegt oder getarnt. Das ist das ganz natürliche Vorgehen", sagt Hischam Dschaber, ein früherer libanesischer General, der das Nahost-Zentrum für Studien und politische Forschung in Beirut leitet.
"Das syrische Regime weiß, dass es 30 bis 40 potenzielle Ziele für US-Luftangriffe gibt - und es hatte genug Zeit, sich darauf vorzubereiten", sagte Dschaber.
Bereits als in der vergangenen Woche ein US-Angriff unmittelbar bevorzustehen schien, wurden Raketenwerfer, Artillerie und andere schwere Waffen in Wohngebiete gebracht, wie mehrere Bewohner in Damaskus bestätigten. Ihre Namen wollten sie aus Angst vor Repressionen nicht nennen.
Soldaten rücken in Schulen ein
Zwei Mitglieder der Elitetruppe Republikanische Garde seien in ein leerstehendes Haus eingebrochen, das ihm gehöre, berichtete ein Mann. Sie hätten ein offizielles Dokument vorgelegt, nachdem sie dazu berechtigt seien, weil sich Syrien im Krieg befinde. Ein Frau berichtet, dass Soldaten in eine Schule neben ihrem Haus eingerückt seien.
Strafaktion gegen Assad-Regime
Obama hat gesagt, dass ein Militärschlag gegen Syrien eine Vergeltung für den mutmaßlichen Giftgasangriff durch Assad-Truppen nahe Damaskus sein werde. Der US-Präsident stellte jedoch auch klar, dass die Aktion begrenzt sein werde und nicht das Ziel habe, eine Entscheidung im syrischen Bürgerkrieg herbeizuführen.
Assad ließ in einem Interview, das am Montag in der französischen Zeitung "Le Figaro" erschien, die Reaktion Syriens auf einen Angriff offen. Er warnte jedoch davor, dass die Gefahr eines regionalen Krieges bestehe.
Wie reagiert der Despot?
Seine Regierung hat eine breite Palette von Möglichkeiten: Sie könnte zur Vergeltung US-Verbündete in der Region angreifen; sie könnte Verbündete wie die Hisbollah gegen westliche Ziele im Ausland aufhetzen; oder sie könnte stillhalten und Propagandapunkte sammeln - als Opfer amerikanischer Aggression.
Beobachter gehen davon aus, dass die Reaktion der Regierung maßgeblich davon abhängen werde, welches Ausmaß die Militäraktion der USA hat: Je größer und länger die Angriffe, desto heftiger könnte die Reaktion Assads ausfallen.
Assads Optionen
"Seine erste Option ist die Propaganda", sagt Salman Scheich, Direktor des Brookings Doha Zentrums. Assad könnte die Wahrnehmung stärken, "dass der Westen abermals einen Staat im Nahen Osten angreift, einen arabischen Staat, ohne dass er dazu international berechtigt ist. Und er könnte die Dynamik verstärkten, indem er zeigt, wie sehr das auf Kosten der unschuldigen Zivilbevölkerung geht".
Ein Weg wäre, der Welt Bilder von toten Zivilisten zu zeigen, die angeblich bei US-Angriffen umgekommen sind. "Wenn es ihm gelingt, damit zu punkten, dann wird er sich wie ein Sieger fühlen, obwohl er gar nicht mit militärischen Mitteln geantwortet hat", sagt Scheich.
Sollte sich Assad zu einem Vergeltungsangriff gegen US-Verbündete entscheiden, würde er ein hohes Risiko eingehen. Ein Angriff auf das Nato-Mitglied Türkei könnte eine Reaktion der gesamten Nato provozieren.
In Jemen sind derzeit rund tausend US-Soldaten stationiert, dazu Raketen und etwa ein Dutzend F-16-Kampfjets. Und auch ein Angriff gegen Israel würde eine massive Eskalation und Ausweitung es Konflikts bedeuten.
Beobachter gehen deswegen davon aus, dass Syrien nur dann Vergeltungsangriffe starten werde, wenn die US-Schläge unmittelbar die Macht Assads bedrohten.
Hisbollah unter Druck
Auch auf die Hisbollah kann Assad nur begrenzt bauen. Die Gruppe steht derzeit im Libanon unter enormem Druck, weil ihre Männer mit den syrischen Soldaten zusammen gegen die Rebellen kämpfen. Eine Konfrontation mit Israel im Auftrag von Syrien ließe sich den ihren Anhängern nur schwer verkaufen.
"Ich sehe keine Situation, in der sie einen Befehl von Assad akzeptieren würden, Israel oder andere inländische Feinde anzugreifen", sagt Chris Phillips, Syrien-Experte an der Queen Mary Universität in London.
Gelassenheit in Israel
Auch Israel hält das Risiko eines Angriffs durch Syrien oder die Hisbollah für gering, wie aus Militärkreisen verlautet. Trotzdem hat man zur Sicherheit im Raum Tel Aviv und an der Nordgrenze zu Syrien Raketenabwehr-Einheiten stationiert.
Bliebe für Assad also noch ein Mittelweg zwischen Stillhalten und massiver militärischer Eskalation. "Etwas, das der Welt zeigt, dass es gefährlich ist, sich mit dem Assad-Regime anzulegen, dass es Hebel hat, die anderswo Schaden anrichten können, obwohl es plausibel erklären kann, dass es keinen direkten Einfluss hatte", sagt Phillips.
Als Beispiel nennt er den Anschlag mit zwei Autobomben mit mehr als 50 Toten in der Türkei in diesem Jahr. Die Türkei macht Syrien dafür verantwortlich, doch Syrien weist jede Beteiligung von sich.