Innenpolitik Prozesstaktik? Verhandlung beginnt mit Befangenheitsantrag
Vor dem Oberlandesgericht in München hat der NSU-Prozess gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe und vier weitere Angeklagte mit taktischen Schachzügen begonnen. Zschäpes Verteidiger versuchten, den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl für befangen erklären zu lassen. Die Angeklagte überraschte mit ihrem deutlich veränderten Aussehen.
Der Befangenheitsantrag wurde am Mittag vom Gericht vorläufig zurückgestellt. Über ihn muss nun laut Strafprozessordnung "spätestens bis zum Beginn des übernächsten Verhandlungstages" entschieden werden. Götzl sagte, der Antrag sei erst am Samstagabend eingereicht und dem Senat erst am Montagmorgen zugeleitet worden. Die Durchführung der Hauptverhandlung sei unaufschiebbar. Götzl verwies auf die Grundsätze der Beschleunigung eines Verfahrens in Haftsachen.
Der Prozess war bereits kurz nach Beginn aufgrund des Befangenheitsantrags unterbrochen und nach 20 Minuten wieder fortgesetzt worden. Hintergrund des Antrags ist, dass Götzl eine Durchsuchung auch aller Verteidiger vor jedem Prozesstag angeordnet hat - im Gegensatz etwa zu den Vertretern der Bundesanwaltschaft. Das sei eine bewusste Diskriminierung der Verteidiger, heißt es in dem Antrag.
Zschäpe auffallend verändert
Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wurde in einem schwarzen gepanzerten Wagen von der Justizvollzugsanstalt Stadelheim zum Gericht gefahren, bestätigte ein Polizeisprecher. Der Konvoi verschwand gegen 8.40 Uhr in der Tiefgarage des Gerichtsgebäudes. Dort wurde Zschäpe zunächst in einen Haftraum gebracht, dann in den Gerichtssaal geführt.
Dort wartete sie mit ihren Anwälten auf den Einzug der Richter. Zschäpe wirkte verändert: die Haare offen, frisch frisiert und vermutlich gefärbt. Sie trägt einen schicken schwarzen Hosenanzug mit weißer Bluse. Mit verschränkten Armen stellte sie sich bewusst mit dem Rücken zu den vielen Kameras. Sie wirkte konzentriert und leicht angespannt.
Rund 80 Nebenkläger
Der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) werden Morde an neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie einer Polizistin zugeschrieben. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe muss sich als Mittäterin verantworten. Mit ihr stehen vier mutmaßliche Helfer vor Gericht.
Rund 80 Angehörige und Opfer sind als Nebenkläger zugelassen, sie werden von rund 60 Anwälten vertreten. Der Prozess gilt als einer der bedeutendsten in der Geschichte der Bundesrepublik.
Vor dem Gericht an der Nymphenburger Straße reihen sich Übertragungswagen der Fernsehsender und Polizeibusse aneinander. Die Sicherheitsvorkehrungen sind gewaltig. 500 Polizisten sind im Einsatz, um die Sicherheit zu garantieren und die angekündigten Demos zu begleiten.
Besucheransturm bleibt aus
Auf dem Vorplatz des Gerichts haben die Beamten Absperrgitter in zwei Reihen aufgestellt. In der Nachbarschaft des Gerichts gelten strikte Parkverbote. Schon seit Sonntag laufen dutzende Polizisten Kontrollgänge um das Gebäude. Die Straßen wurden weiträumig abgesperrt, Spezialkräfte überwachen den Luftraum.
Die Beamten sind auf alles vorbereitet - der Besucheransturm bleibt bisher aber überschaubar, ebenso wie der von Demonstranten. Teilnehmer einer Kundgebung des "Bündnisses gegen Naziterror und Rassismus" verlangten kurz vor Prozessbeginn die rückhaltlose Aufklärung rechtsextremer Strukturen über die Terrorzelle hinaus. Die für die Aufklärungspannen verantwortlichen Behördenvertreter müssten zur Verantwortung gezogen werden.
Für den Prozess sind vorerst 80 Verhandlungstage angesetzt. Drei Mal pro Woche soll ganztags verhandelt werden, mehr als 600 Zeugen werden gehört. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, könnte der NSU-Prozess laut OLG-Präsidenten Karl Huber Das Münchner Gericht zweieinhalb Jahre beschäftigen.