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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wird Russland bedeutungslos? "Was für ein Armutszeugnis!"
Die Liste russischer Vorwürfe gegen den Westen ist lang. Ist da was dran? Nein, sagt der Historiker Gerd Koenen. Einen kapitalen Fehler hätten wir im Umgang mit Russland aber tatsächlich begangen.
Das Verhältnis Russlands zum Westen ist seit langer Zeit aggressiv – nur wollte das in der deutschen Politik kaum jemand zur Kenntnis nehmen. Bis russische Truppen im Februar 2022 die Ukraine überfielen. Zum zweiten Mal seit 2014.
Mit kruden Behauptungen und immer wilderen Beschuldigungen will Wladimir Putin seither seinen völkerrechtswidrigen Krieg rechtfertigen. Der Historiker Gerd Koenen, einer der besten Kenner der deutsch-russischen Geschichte, erklärt im t-online-Interview, warum Russlands Machthaber in Wirklichkeit gar nicht an einem dauerhaften Frieden interessiert ist.
t-online: Herr Koenen, Russlands Angriff auf die Ukraine hat die Welt in eine tiefe Krise gestürzt. Im Nachhinein wird nun immer klarer, wie systematisch Putins Regime schon seit Jahren versucht, Demokratien zu unterminieren. Gab es seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 jemals eine realistische Chance für eine gedeihliche Kooperation zwischen Russland und dem Westen?
Gerd Koenen: Die Chancen standen sogar ziemlich gut. Nach dem Ende der Sowjetunion hätte Russland sich vorrangig auf die Stabilisierung und Entwicklung des eigenen Landes konzentrieren müssen. In der Jelzin-Ära in den Neunzigerjahren ist diese Chance verspielt worden. Putins Machtantritt 1999/2000 war dann ein deutliches Zeichen, dass die neue oligarchische Machtkaste, die die alte Nomenklatura abgelöst hat, nicht bereit ist, Russland als etwas anderes zu verstehen als eine Großmacht mit weltpolitischem Anspruch.
Heute ist Russland de facto weit von diesem Anspruch entfernt. Im Vergleich zu den USA, zur EU oder zu China spielt es weder wirtschaftlich noch politisch auf Augenhöhe mit, allenfalls militärisch mit seinen Atomwaffen.
Putin hat ganz auf fossile Energie- und Rohstoffexporte gesetzt und den Großteil der Einnahmen in den Militärapparat und in Militärtechnologie gesteckt oder zum Kauf von politischen und persönlichen Loyalitäten verwendet. Das erweist sich als eine historische Sackgasse, sowohl ökonomisch wie ökologisch wie sozial.
Gerd Koenen, Jahrgang 1944, ist Historiker und Publizist. Er hat insbesondere die Geschichte des Kommunismus und der deutsch-russischen Beziehungen erforscht. Kürzlich brachte er sein Standardwerk "Der Russland-Komplex. Die Deutschen und der Osten" mit einer aktualisierten Nachbetrachtung "Wieder Krieg" neu heraus. Soeben ist zudem sein jüngstes Buch "Im Widerschein des Krieges. Nachdenken über Russland" erschienen, beide im Verlag C.H. Beck.
Während sich die russische Armee in der Ukraine verkämpft, paukt die staatliche Propaganda den Russen ein, dass der Westen Russland unbedingt schwach halten wolle.
Das geht bis hin zu der absurden Verschwörungstheorie, der Westen habe die UdSSR um jeden Preis zerlegen und zerteilen wollen. Das Gegenteil ist richtig: Der Westen hat bis zuletzt auf Gorbatschows Projekt der Bewahrung einer reformierten Union gesetzt. Der Zerfall der UdSSR kam von innen, von einem Teil der nationalen Eliten ebenso wie von der Mehrheit der Bürger der jeweiligen Republiken. Die "Russländische Föderation", die 1991 durch ihren frei gewählten Präsidenten Boris Jelzin gegründet worden ist, war ein ganz neues Staatswesen, das es bis dahin so viel und so wenig gegeben hatte wie die Ukraine, Kasachstan oder die anderen unabhängig gewordenen Republiken. Das eben wäre für Russland die Chance gewesen: den alten imperialen Panzer und Überbau abzustreifen, unter dem schon die Sowjetunion als Pseudo-Supermacht auf schwachen Füßen kollabiert ist.
Das sieht man im Kreml offensichtlich anders.
Ja, man war nie bereit anzuerkennen, was das neue Russland wirklich ist: ein Land mit einem Bruttoinlandsprodukt wie Spanien und von der Statur Brasiliens, plus Atomraketen natürlich. Die Angebote einer engen Kooperation mit der Europäischen Union und einer Sicherheitspartnerschaft mit der Nato waren ja alle da. Aber sie wurden als hinderlich für das Vorhaben gewertet, die aus der Konkursmasse der Sowjetunion und des Warschauer Pakts hervorgegangenen Staaten in einem Status begrenzter Souveränität zu halten.
Putin wirft dem Westen vor, Russland immer weiter in die Ecke zu drängen. Ist da gar nichts dran?
Mit welchem Recht hätten die Amerikaner und die Europäer nach 1991 den Polen, Balten oder Ungarn ihren Wunsch nach Mitgliedschaft in der Europäischen Union und der Nato verweigern sollen? Man hatte die Hürden für alle Beitrittswilligen sehr hoch gelegt und sie sehr lange warten lassen, bis 2004. Das ist jetzt fast zwanzig Jahre her – und wann und wo hätte die angeblich "vorrückende Nato", mit der es kaum gemeinsame Grenzen gibt, Russland bedroht? Was Putin vorschwebt, ist im Grunde eine Fortsetzung der 1968 nach der Okkupation der Tschechoslowakei formulierten "Breschnew-Doktrin".
Diese Doktrin besagte, dass die Länder des Ostblocks nur eine begrenzte Souveränität besaßen. Die Sowjetunion behielt sich ein militärisches Eingreifen vor, wenn sie den Sozialismus, wie sie ihn interpretierte, in einem dieser Staaten gefährdet sah.
Einen kardinalen Fehler hat der Westen nach 1991 im Umgang mit dem neuen Russland allerdings doch begangen – einen Fehler, der selten erwähnt wird.
Nun sind wir neugierig.
Die westlichen Mächte haben zugestimmt, dass Russland den Sitz der UdSSR im UN-Sicherheitsrat übernehmen durfte – und damit seinen Anspruch geltend machen konnte, faktisch und völkerrechtlich als Nachfolgerin dieser Supermacht anerkannt zu werden. Der Grund, warum das wie selbstverständlich konzediert wurde, war, dass dann der Sitz Großbritanniens und Frankreichs ebenso infrage gestanden hätte, so wie die anachronistische Struktur dieses Gremiums überhaupt. Das wäre der logische Moment einer großen Reform der Vereinten Nationen gewesen, einer demokratischen Erweiterung und neuen Austarierung ihrer zentralen Gremien.
Moskau hätte das doch nie akzeptiert.
Aber das wäre ja eine Frage der Willensbildung innerhalb der Vereinten Nationen gewesen. Und im Übrigen hätte es ja gerade das Ende des westlichen Übergewichts bedeutet. Aber die Westmächte glaubten, mit den beiden 1989 im Innern erschütterten und in einem großen Transformationsprozess befindlichen Großmächten des ehemaligen Weltkommunismus, mit China ebenso wie mit Russland, auf absehbare Zeit neue Partner gefunden zu haben, die auf ihre Hilfe angewiesen wären und liberale Wirtschaftsprinzipien übernehmen würden. Davon war, wie sich bald herausstellte, dann keine Rede.
Aber kann man die russische Empfindlichkeit gegenüber westlicher Bevormundung, gerade wenn sie flapsig daherkommt, nicht auch verstehen? Der amerikanische Senator John McCain hat Russland mal eine "Tankstelle mit Atomwaffen" genannt, US-Präsident Obama nannte es eine bloße "Regionalmacht".
Erstens kann ein selbstbewusster Staat derartige Aussagen doch getrost ignorieren. Dass Helmut Schmidt die vermeintliche Supermacht UdSSR sogar einmal ein "Obervolta mit Raketen" nannte, war doch nicht der Grund für den Raketenpoker der 1980er-Jahre. Wenn Obamas Satz von 2015 – der in Wirklichkeit einer fatalen Beschwichtigungspolitik seiner Administration angesichts des Völkerrechtsbruchs der Krim-Annexion und angesichts der Kriegsverbrechen in Syrien diente – immer wieder so empört zitiert worden ist, dann weil er im Kern ja wahr ist. Putins Sprecher Dmitri Peskow wusste Obama nichts Besseres zu antworten, als dass Russland noch immer dasjenige Land sei, welches die USA "atomar pulverisieren" könne. Dieselben haltlosen Drohungen hören wir seit der Ukraine-Invasion ja fast täglich, jedenfalls wenn man einmal in die russischen Medien hineinhört: Wir sind unbezwinglich, weil wir im Zweifelsfall die Atomwaffen und Überschallraketen haben. Was für ein Armutszeugnis!
Russlands Kriegsführung gegen die Ukraine wirkt wenig professionell. Die Armee verliert Zehntausende Soldaten und militärisches Gerät, ohne die erhofften Geländegewinne zu erzielen. Hat Putin sich verzockt?
Putin hat Kriege immer dann angezettelt, wenn es politisch eng für ihn wurde. Schon der mit extremer Brutalität geführte zweite Tschetschenienkrieg diente dazu, sich als Beschützer und Kriegspräsident in Stellung zu bringen – schließlich kannte diesen von obskuren Machtfraktionen aus den Kulissen des Kreml hervorgezauberten Geheimdienstler, den Jelzin 1999 als seinen designierten Nachfolger präsentierte, ja kaum jemand. 2008 brach er dann den Krieg gegen Georgien vom Zaun, weil er in einem offensichtlich abgekarteten Ämtertausch mit seinem Spezi Medwedew im Hintergrund weiter die Fäden in der Hand hielt, was de facto ein Verfassungsbruch war.
2014 annektierte Putin dann die Krim, was ihm wieder viel Zuspruch in der russischen Bevölkerung verschaffte.
Ja, und auch das passt in dieses Muster, weil 2011/12 gegen seine gezinkte Wiederwahl Zehntausende in den Städten Russlands auf die Straße gingen, woraus er das Gespenst einer "Farbenrevolution" konstruierte, die vom Westen gesteuert sei. Das war dann auch die paranoide Erklärung, mit der er auf die Proteste des Euromaidan in Kiew im Winter 2013/14 reagierte, die der ganzen Welt zeigten, dass die Ukrainer Anschluss an die EU finden und sich endgültig aus der russischen Umklammerung lösen wollten.
Warum beließ es Putin nicht bei der Krim, sondern hat vor einem Jahr nun die gesamte Ukraine angegriffen?
Dieser Krieg hat schon 2014 begonnen, da Putin gleich im Anschluss an die Krim auch einen von russischen Geheimdienstkadern angeführten militärischen Gegenaufstand im Donbass anzettelte. Diese mit Panzern und Raketenwerfern ausgerüsteten Freikorps waren gegen die kaum noch existierende ukrainische Armee zwar nur halb erfolgreich. Aber in den Minsker Abkommen von 2015 haben Angela Merkel und François Hollande der Bildung sezessionistischer "Volksrepubliken" das Siegel einer halben Legitimität verpasst. Und namentlich die Bundesrepublik hat durch den Abschluss des Vertrags über den Bau von Nord Stream 2 signalisiert, dass sie weiter an ihrer Politik einer "Annäherung durch Verflechtung" mit Russland festhalten wollte.
Auch Deutschland hat sich aber an den Sanktionen wegen der Krim-Annexion beteiligt.
Das stimmt, die Sanktionen waren aber nicht der Hauptgrund, warum die Volkswirtschaft Russlands zwischen 2013 und 2020 im weltwirtschaftlichen Vergleich weiter an Gewicht verloren hat. Viel gravierender waren hausgemachte Faktoren: die massive Kapitalflucht der oligarchischen Besitz- und Machtelite selbst, die die Reichtümer des Landes in Offshore-Konten oder in Immobilien im Westen angelegt hat, oder die Abwanderung von Hunderttausenden gebildeten jungen Leuten, ein dramatischer "Brain Drain", der die demografische Krise des Landes noch verschärft hat. Dazu kam eine rigorose Austeritätspolitik, die das Land radikal schuldenfrei machen sollte und eine große Kriegskasse angehäuft hat, aus der Putin jetzt zehrt.
Besonders während der Corona-Isolation soll sich Putin radikalisiert haben.
Bereits in seiner Rückzugszeit als Ministerpräsident von 2008 bis 2012 hat Putin sich viel "mit Geschichte beschäftigt". Er machte aus dem faschisierenden Religionsphilosophen Iwan Iljin, dessen Gebeine er nach Russland holte, seinen neuen Leitautor und legte sich einen hybriden ideologischen Panzer zu. Alles dreht sich um das ewige, unbesiegbare Russland und die einzigartige orthodoxe, eurasische Zivilisation, die er als den globalen Gegenpol zur angeblich dekadenten, verschwulten, feminisierten und hedonistischen westlichen Kultur aufbauen möchte. Als die Heroen dieses Fantasia-Reiches dienen posthum die religiösen Gründer wie der "Heilige Wladimir", die starken Zaren wie Iwan oder Peter und Stalin als Führer im Großen Vaterländischen Krieg. Und da die Machtstellung Russlands eher erodiert, muss er umso mehr an nationalimperialer Mystik aufbieten.
Putin dirigiert Russland aber nicht allein. Wer gehört zum innersten Kreis der Macht?
Die Machtoligarchie besteht aus sehr unterschiedlichen Leuten und Elementen, aus Vertretern rivalisierender Gewaltorgane, den sogenannten Silowiki, aus Polittechnologen und Bürokraten, Wirtschaftsoligarchen und Regionalfürsten und so weiter. Aber der innerste Kreis, in dem auch der Entschluss zum Angriff auf die Ukraine gefallen ist, dürfte nur wenige Personen umfasst haben. Der Letztentscheider ist Putin selbst.
Die meisten in diesem inneren Zirkel, sagt man, kennen sich aus St. Petersburg, wo in den frühen Neunzigerjahren Putins Karriere begann.
Ja, als Verwaltungschef des demokratisch gewählten Oberbürgermeisters Anatoli Sobtschak hat Putin damals viele, durchaus mafiotisch zu nennende Netzwerke geknüpft, in denen lukrative Claims abgesteckt und riesige Vermögen gemacht wurden – ob auch von ihm selbst und seiner Familie bleibt trotz aller Recherchen im Dunkeln. Nachdem er von einer Gruppe von Wirtschaftsmagnaten und Geheimdienstlern an die Macht gehievt wurde, hat er jedenfalls auf dieser Basis ein riesiges Begünstigungssystem geschaffen. Oligarchen, die ihm querkamen wie Chodorkowski, wurden exemplarisch bestraft oder mussten sich ins Ausland flüchten. Der Rest ist zu einer Art Lizenznehmer degradiert worden, der über Nacht alles verlieren könnte – oder plötzlich aus dem Fenster fallen. Ein Hauch von Terror ist schon im Spiel, aber viel mehr braucht es gar nicht, um sie handzahm zu machen – wie man jetzt wieder gesehen hat.
So wie die Oligarchen wirkt die gesamte russische Gesellschaft gleichgeschaltet. Gibt es wirklich keine Opposition mehr in diesem riesigen Land?
Es haben sich immer wieder zivilgesellschaftliche Strukturen mit starken Persönlichkeiten herausgebildet. Aber sie wurden mit einer Kombination aus bürokratischer Schikane, juristischer Verfolgung, finanzieller Ruinierung und staatlicher Demagogie systematisch gehindert, in die Gesellschaft hineinwirken zu können. Schauen Sie sich Alexei Nawalny an, der es in Moskau geschafft hat, 30 Prozent der Stimmen zu erringen, obwohl er nicht einmal Wahlkampf machen durfte. Dann wurde er vergiftet, ist todesmutig zurückgekehrt und sitzt jetzt faktisch lebenslänglich im Straflager, wo man versucht, ihn zu brechen.
Weshalb funktioniert das noch?
Russland ist ein territorial, sozial, regional und auch kulturell äußerst zersplittertes Land, in dem die Gesellschaft es schwer hat, sich gegenüber einer Zentralmacht zu behaupten, die den Großteil der Ressourcen des Landes an sich zieht und kontrolliert. Deshalb die immer wieder erneuerte Tendenz zur Errichtung einer autokratischen Macht, die ihren arbeitenden Menschen selbst im Nacken sitzt, aber es über weite Strecken schafft, sie zu entmündigen.
Droht Russland auch politisch zu zerfallen?
Das ist die Schreckensvision, die Putin selbst immer wieder beschwört – und wovor viele wohl auch tatsächlich Furcht haben. Nur ist es ja Putin selbst, der das Land in den Ruin treibt und vor allem Rekruten aus den östlichen und südlichen Randgebieten und aus den ethnischen Minderheiten zu Zehntausenden in der Ukraine verheizt.
Was passiert, falls Russland den Ukraine-Krieg verliert? 1989 mussten sich die sowjetischen Streitkräfte endgültig gedemütigt aus Afghanistan zurückziehen, die Niederlage trug zum Zusammenbruch der UdSSR bei.
Ja, so ist es in der Geschichte Russland immer wieder gewesen, im Krimkrieg 1856, im Krieg gegen Japan 1904/05 oder in Galizien 1917 oder eben in Afghanistan: Immer wieder haben Niederlagen große innere Bewegungen ausgelöst, sogar zu Revolutionen geführt. Russland hat in den letzten Jahrhunderten nahezu jeden Krieg verloren, wenn der Gegner nicht zuvor auf Moskau marschiert ist, wie Napoleon und Hitler das taten. Das ist ein Hauptgrund, warum Putin sich keinen Rückzug leisten kann, sondern für irgendeinen Pseudo-Sieg immer noch mehr Menschen und Material in diese sinnlose Schlacht werfen muss: Einheiten mit hastig ausgebildeten Soldaten, die kaum mehr als Kanonenfutter sind. Es fehlt an fähigen Ausbildern und kompetenten Offizieren. Seine Armee ist ähnlich korrupt wie zur Zarenzeit – und mindestens so inkompetent.
Was denken Sie, wie der Krieg nun weitergeht?
Das bleibt Spekulation. Am wahrscheinlichsten scheint mir, dass irgendwann, vielleicht im kommenden Jahr, auf beiden Seiten Erschöpfung einsetzt und ein unerklärter oder international vermittelter Waffenstillstand den Konflikt nahe den Ausgangspositionen von 2022 wieder einfriert. Für die Ukraine wäre das ein halber Sieg, durch den sie sich immerhin weiter als Staat, Nation und Gemeinwesen konsolidieren könnte. Für Putin wäre es trotzdem eine Niederlage, weil er im Grunde nichts erreicht hat – und um welchen Preis! Es würde ihn noch stärker als jetzt schon zum bloßen Juniorpartner von Xi Jinpings China machen, der ganz eigene, vielleicht noch überspanntere weltpolitische Ambitionen hegt. Für die russische Gesellschaft wäre das vielleicht die letzte Chance, zur Besinnung zu kommen – oder andernfalls in einer "nordkoreanischen Finsternis" zu versinken, wie ich es in meinem neuen Buch genannt habe.
Herr Koenen, vielen Dank für das Gespräch.
- Persönliches Gespräch mit Gerd Koenen via Videokonferenz