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Dialog-Quartett aus Tunesien mit Friedensnobelpreis ausgezeichnet


Merkel geht leer aus
Friedensnobelpreis geht an Dialog-Quartett in Tunesien

Von dpa, afp
Aktualisiert am 09.10.2015Lesedauer: 4 Min.
In Tunis begannen die Demonstrationen für eine pluralistische Demokratie.Vergrößern des Bildes
In Tunis begannen die Demonstrationen für eine pluralistische Demokratie. (Quelle: dpa-bilder)
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Der diesjährige Friedensnobelpreis geht an das tunesische Quartett für den nationalen Dialog. Das gab die norwegische Jury in Oslo bekannt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, die zu den Favoriten gehört hatte, ging dagegen leer aus, begrüßte die Vergabe aber als "ausgezeichnete Entscheidung".

Hoffnung auf bessere Zeiten

Der Preis werde für die Bemühungen um eine pluralistische Demokratie in dem nordafrikanischen Land im Zuge des Arabischen Frühlings vergeben, hieß es in der Begründung für die prestigeträchtige Auszeichnung. 205 Personen und 68 Organisationen waren dem norwegischen Nobel-Komitee zufolge für den Preis vorgeschlagen.

Das Quartett besteht aus dem tunesischen Gewerkschaftsverband, dem Arbeitgeberverband, der Menschenrechtsliga und der Anwaltskammer. Das Nobel-Komitee äußerte seine Hoffnung, dass der Preis Tunesiens Weg zur Demokratie sichern werde. Er solle aber auch "Ansporn für alle sein, die Frieden und Demokratie im Nahen Osten, Nordafrika und im Rest der Welt voranbringen wollen".

"Alternativer, friedlicher Prozess"

Als das Land am Rande des Bürgerkriegs gestanden habe, habe das Quartett einen "alternativen, friedlichen politischen Prozess etabliert", lautete die Begründung weiter.

Das habe entscheidend dazu beigetragen, dass in dem nordafrikanischen Land binnen weniger Jahre "ein verfassungsmäßiges Regierungssystem errichtet wurde, das der gesamten Bevölkerung grundlegende Rechte garantiert, ungeachtet des Geschlechts, der politischen Überzeugung oder des religiösen Glaubens".

Freude bei Kanzlerin Merkel

"Die Bundesregierung gratuliert den Mitgliedern des nationalen tunesischen Dialogquartetts herzlich", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert stellvertretend für die Regierung von Kanzlerin Merkel. "Es ist der verdiente Lohn für eine Arbeit an der Demokratie, für ein Festhalten an der Idee, dass ein Volk, das eine Diktatur abgeschüttelt hat, etwas besseres verdient als eine neue Diktatur."

Das Quartett habe der tunesischen Bevölkerung und der Welt Hoffnung gegeben, dass Demokratie und Rechtstaatlichkeit auch unter schwierigen Bedingungen möglich seien. Terroristen versuchten, diesen Weg zu verhindern. Deutschland stehe an der Seite Tunesiens sowohl beim Aufbau der Demokratie als auch bei der Abwehr seiner Feinde.

Auf die Frage, ob Merkel erleichtert sei, dass sie entgegen mancher Spekulationen den Preis nicht bekommen hat, sagte Seibert: "Sie hören Freude über eine sehr gute Entscheidung und großen Respekt vor der Preisträgern." Die Spekulationen seien im übrigen ausschließlich von den Medien betrieben worden und nicht von der Bundesregierung.

"Brillantes Beispiel"

Die UN begrüßten die Vergabe des Friedensnobelpreises an das tunesische Quartett für den nationalen Dialog ausdrücklich. "Wir brauchen die Zivilgesellschaft, um den Friedensprozess voranzutreiben", sagte ein UN-Sprecher. Tunesien sei dafür ein "brillantes Beispiel".

Der Generalsekretär des Gewerkschaftsverbandes, Houcine Abassi zeigte sich in einer ersten Reaktion "überwältigt" von der Geste des Nobelpreiskomitees. "Es ist ein Preis, der die mehr als zweijährige Anstrengungen des Quartetts krönt, zu einer Zeit, als das Land an allen Fronten in Gefahr war." Gemeinsam mit den anderen drei Gruppen habe die Gewerkschaft versucht, das Land aus der Krise zu führen, sagte Abassi. Dass das Quartett dafür einen Friedensnobelpreis bekommen würde, habe er aber nicht erwartet.

Ermutigung für das tunesische Volk

Tunesien war Ausgangsland des sogenannten Arabischen Frühlings, bei dem in Volksaufständen mehrere Machthaber arabischer Länder gestürzt wurden. Anders als etwa in Libyen und im Jemen glitt Tunesien in der Folge nicht in einen Bürgerkrieg ab, sondern baute schrittweise und unter Einbeziehung vieler politischer und gesellschaftlicher Kräfte demokratische Strukturen auf.

"Mehr als alles andere ist die Auszeichnung als Ermutigung für das tunesische Volk gedacht, das trotz großer Herausforderungen das Fundament für nationale Verbrüderung gelegt hat, was nach der Hoffnung des Komitees als Beispiel dienen wird, dem andere Länder folgen", sagte die Vorsitzende des Nobelpreiskomitees, Kaci Kullmann Five.

Seit 1901 vergeben

Im vergangenen Jahr hatte die pakistanische Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai den Friedensnobelpreis bekommen, zusammen mit dem indischen Kinderrechtler Kailash Satyarthi. 2009 war US-Präsident Barack Obama mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden, im Jahr 2012 die EU. Beide Entscheidungen hatten für große Diskussionen gesorgt.

Der Friedensnobelpreis wird seit 1901 jährlich vom norwegischen Nobelkomitee in Oslo vergeben. Grundlage ist das Testament des Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896). Nach dem Willen des Industriellen und Dynamit-Erfinders soll ausgezeichnet werden, wer "am meisten oder am besten für die Verbrüderung der Völker gewirkt hat, für die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen".

Deutsche Preisträger

Nach Deutschland ging der Friedensnobelpreis bisher vier Mal: Außenminister Gustav Stresemann erhielt ihn 1926 gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Aristide Briand für die Bemühungen um den Vertrag von Locarno. Der Historiker und Politiker Ludwig Quidde (Vorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft) wurde zusammen mit dem Franzosen Ferdinand Buisson 1927 ausgezeichnet.

Während des Dritten Reiches bekam der Pazifist und Journalist Carl von Ossietzky den Preis für 1935 – allerdings erst ein Jahr später, da das Hitler-Regime die norwegische Regierung unter Druck gesetzt hatte, und im Jahr 1935 der Preis zunächst nicht vergeben wurde. Bundeskanzler Willy Brandt erhielt den Friedensnobelpreis 1971 für seine wegweisende Ost- und Entspannungspolitik. Zudem erhielt im Jahr 1953 der deutsch-französische Arzt und Theologe Albert Schweitzer den Preis für 1952.

Jury für sechs Jahre ernannt

Mit dem Preis an jährlich bis zu drei Einzelpersonen oder Organisationen wird seit 1960 auch der Einsatz für Menschenrechte und seit 2004 der Einsatz für die Umwelt geehrt. Während die anderen Nobelpreise in der schwedischen Hauptstadt Stockholm vergeben werden, wird die Auszeichnung für Frieden im norwegischen Oslo verliehen.

Die fünf Mitglieder des Friedensnobelpreis-Komitees sind Parteienvertreter entsprechend der jeweiligen Mehrheitsverhältnisse im norwegischen Parlament. Sie werden für sechs Jahre ernannt.

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