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Der Polizist im Visier des Amokläufers von Winnenden: "Ich hab's pfeifen hören"


"Ich hab's pfeifen hören"
Der Polizist im Visier des Amokläufers von Winnenden

dpa, Julia Giertz

Aktualisiert am 11.03.2014Lesedauer: 2 Min.
Sebastian Wolf war einer der ersten Polizisten, die am 11.03.2009 zum Amoklauf nach Winnenden in die Albertville-Realschule gerufen wurden.Vergrößern des Bildes
Sebastian Wolf war einer der ersten Polizisten, die am 11.03.2009 zum Amoklauf nach Winnenden in die Albertville-Realschule gerufen wurden. (Quelle: dpa-bilder)
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Statt auf Spezialkräfte zu warten, müssen seit einiger Zeit auch Streifenpolizisten bei Amokläufen sofort eingreifen. Diese Strategie bewährte sich bereits 2009 in Winnenden - auch wenn dabei ein Beamter beinahe sein Leben verlor.

Handeln ohne Nachzudenken

Wolf habe dann nur noch ohne nachzudenken gehandelt, erzählt der heute 33-Jährige. In seiner theoretischen Aus- und Fortbildung gehört der Einsatz bei Amokläufen zu den wichtigsten Bausteinen.

Für Revierbeamte sind das in zwei Modulen 36 Stunden Lehreinheit. Ziel des Trainings ist, dass die Beamten einfach funktionieren, ohne panisch zu werden oder über zu reagieren. "Das läuft dann nach Schema F", sagt Wolf.

Erster und einziger Schuss beinahe tödlich

In die Schule dringt das mit Schutzwesten ausgestattete Trio durch eine Glastür ein. Wolf nimmt auf einem Treppenabsatz eine dunkle Gestalt wahr. Dass der junge Mann mit dem Bartflaum der Amokläufer ist, merkt der Polizist erst, als ihm eine Kugel um die Ohren fliegt und der Schütze wegrennt.

"Ich hab's pfeifen hören", erinnert sich der blonde Hüne. Es ist der erste und bislang letzte Schuss, der in seinen 13 Jahren bei der Polizei auf ihn abgefeuert wird. Schusssichere Helme gehören erst nach Winnenden zur Ausrüstung jedes Streifenwagens.

Anschließend flüchtet der Täter, verfolgt von den Polizisten. Sie können den 17-Jährigen aber nicht stellen, der zwölf Menschen in der Schule, drei weitere außerhalb und schließlich sich selbst tötete.

Vorbildlicher Einsatz

Als vorbildlichen Einsatz lobt der damalige Innenminister Heribert Rech (CDU) das mutige Eingreifen Wolfs auch heute noch. Es verdiene "allergrößten Respekt". Ansonsten hätte es weitere Opfer in der Schule gegeben, ist Rech überzeugt. "Die haben damals die neue Einsatztaktik umgesetzt."

Nach dem Amoklauf an einer Erfurter Schule mit 17 Toten im April 2002, bei dem die Polizisten zunächst das Gebäude umstellten und den Tatort für die nachrückenden Spezialeinheiten und Psychologen sicherten, hieß die Devise: sofortiger Zugriff auf den Täter, um damit weitere Tote zu verhindern. Wolf bringt es auf den Punkt: "Es geht ja nicht, dass die Polizei vor der Tür steht und drinnen macht er weiter." Er fügt hinzu: "Für uns gab es nur ein Vorwärts."

Wolf gehört zu den Streifenpolizisten, die nichts aus der inneren Ruhe bringen kann. Zwar hat er nicht die Jugendlichen tot in ihren Schulbänken sitzen sehen, doch die zwei erschossenen Referendarinnen auf dem Gang. "Ich habe zu viel mit Leichen zu tun, um von den Bildern verfolgt zu werden."

Wolf hat den Amoklauf gut verkraftet - und sieht sich nicht als Held

Für Wolf, im Polizeijargon ein "Streifenhörnchen" par excellence, reichte es, am Tag nach dem Einsatz dessen Ablauf aufzuschreiben. Ansonsten ging der Amoklauf fast spurlos an ihm vorbei - anders als bei seinen Kollegen. Einer ließ sich in die Unfallaufnahme versetzen, der andere pendelt zwischen Innendienst und Dienstuntauglichkeit hin und her.

Angehörige von Opfern haben sich bei Wolf bedankt. Doch der sieht sich selbst nicht als Helden: "Es ist einfach Beruf, Berufung." Würde er in ähnlicher Situation wieder sein Leben riskieren? Ohne mit der Wimper zu zucken, antwortet der Mann mit Drei-Tage-Bart: "Natürlich."

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