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David S. und Co.: Attentate von Ansbach, Reutlingen, München und Würzburg im Überblick


Vier Bluttaten - vier Geschichten
Woche des Grauens: Diese Täter schockieren Deutschland

t-online, rev

Aktualisiert am 26.07.2016Lesedauer: 5 Min.
Amoklauf in München: Schwerbewaffnete Polizisten beim Einsatz am Karlsplatz.Vergrößern des Bildes
Amoklauf in München: Schwerbewaffnete Polizisten beim Einsatz am Karlsplatz. (Quelle: ap)
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Würzburg, München, Reutlingen, Ansbach: Vier Gewalttaten in einer einzigen Woche erschüttern Deutschland. Wer sind die Täter? Was bewog sie zu ihren blutigen Verbrechen?

Schon kurz nach den Taten machen Menschen in den sozialen Netzwerken den Islamischen Staat (IS) verantwortlich, andere sehen ein generelles Problem durch gewaltbereite Flüchtlinge, wiederum andere wähnen die Ursache in einem vergifteten gesellschaftlichen Klima. Doch ein Blick auf die Täter und ihre möglichen Motive zeigt: Pauschalisierungen sind einfach nicht möglich.

Denn hinter allen vier Bluttaten stecken unterschiedliche Geschichten:

Würzburg

Die Tat: Ein Jugendlicher attackiert am Montagabend (18. Juli) in einem Regionalzug bei Würzburg-Heidingsfeld offenbar wahllos Fahrgäste mit einer Axt und einem Messer. Dabei verletzt er vier Menschen schwer, einen weiteren leicht. Die Polizei erschießt den Angreifer.

Der Täter: Der 17-Jährige Axtangreifer war am 30.6.2015 als unbegleiteter Flüchtling mit einer Reisegruppe über die deutsch-österreichische Grenze gekommen - zuvor hatten ihn bereits die ungarischen Behörden registriert. Während seiner Zeit in Deutschland gab er sich als Afghane aus. Sein Bekennervideo lässt jedoch an dieser Herkunft zweifeln: Experten stuften seine Aussprache als eindeutig pakistanisch ein. Ermittler vermuten, dass der junge Mann versuchte, als Afghane seine Chancen auf einen Verbleib in Deutschland zu erhöhen.

Der Täter war seit dem letzten Jahr als Asylbewerber registriert. Seit März war er in einem Heim im Landkreis Würzburg untergebracht, die vergangenen zwei Wochen lebte er in einer Pflegefamilie. Zwar hatte die Polizei den Mann nach seiner Ankunft in Deutschland in Gewahrsam genommen und polizeilich überprüft. Anschließend ließ sich der Flüchtling aber nichts zu Schulden kommen.

Auch Zeugen war der 17-Jährige früher nicht negativ aufgefallen. Im Gegenteil: Er lebte in Gaukönigshofen bei einer Pflegefamilie auf einem Bauernhof, spielte in einem Fußballverein und machte ein Praktikum in einer Bäckerei - mit Chancen auf eine Lehrstelle. Bis zur Tat galt er als integriert und psychisch stabil.

Das Motiv: Nachdem sich der IS zu dem Angriff im Zug bekannt hatte, gab es zunächst noch Zweifel. Kurz darauf stießen die Ermittler allerdings auf ein Bekennervideo des 17-Jährigen, das den islamistischen Hintergrund der Tat bestätigte. In dem Clip erklärte der Attentäter: "Ich bin ein Soldat des Islamischen Staates und beginne eine heilige Operation in Deutschland."

Zur Radikalisierung des Mannes muss es den Ermittlungen zufolge erst vor kurzer Zeit gekommen sein. Ein Motiv könnte sein, dass er am Samstag vor der Tat erfuhr, dass ein Freund von ihm in Afghanistan ums Leben gekommen war. Die Nachricht hatte offenbar "nachhaltigen Eindruck" auf den Mann gemacht, der laut Zeugen danach viel telefonierte. Ob dieses Ereignis aber auch der Auslöser der Tat war, ließ sich bislang nicht endgültig ermitteln.

München

Die Tat: Der Schüler David S. erschießt am Freitagabend (22. Juli) beim Münchner Olympia Einkaufszentrum neun Menschen und dann sich selbst. Für die Tat nutzt der junge Mann eine umgebaute Theaterwaffe. Es handelte sich nach Erkenntnissen der Ermittler um den Amoklauf eines Einzeltäters.

Der Täter: Bei dem Täter Ali David S. handelte es sich um einen 18-jährigen deutsch-iranischen Schüler, der in München zur Welt gekommen und aufgewachsen war. Sein Vater ist ein aus dem Iran stammender Taxifahrer, seine Mutter hatte früher bei einer Warenhauskette gearbeitet. Der 18-Jährige hatte einen jüngeren Bruder. S. lebte in einer Sozialwohnung im Münchner Stadtteil Maxvorstadt.

Wegen sozialer Phobien und Depressionen war S. in psychiatrischer Behandlung. Er bekam unter anderem Psychopharmaka und wurde bis Februar 2016 ambulant in einer Klinik behandelt. Der Fan von PC-"Killerspielen" litt auch an ADHS und war seit Jahren Opfer von Mobbingattacken in der Schule. Das belegten Aussagen von Mitschülern und Bekannten ("Er wurde schon in der Schulzzeit richtig zerpflückt"), laut denen S. gehänselt, geschlagen und beklaut wurde und sehr einsam war.

Das Motiv: Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund gibt es in diesem Fall nicht. Allerdings war der Amoklauf von Ali David S. auch nicht spontan. Der Täter befasste sich laut der Münchner Polizei seit einem Jahr mit dem Thema und traf in dieser Zeit diverse Vorbereitungen. Er besuchte zum Beispiel den Tatort des Amoklaufs von Winnenden (2009), wo er Fotos machte. Außerdem verehrte er offenbar den Attentäter Anders Breivik. Ob S. sich bewusst den 22. Juli für seinen Amoklauf ausgesucht hatte, ist unklar - an diesem Datum hatte der norwegische Rechtsextremist vor fünf Jahren 77 Menschen getötet.

Obwohl Zeugen, die S. aus der Computerspiele-Szene kannten, aussagten, dass der 18-Jährige immer wieder durch rassistische Äußerungen auffiel, gehen die Ermittler nicht von politischen Motiven aus. Die Tatsache, dass viele der fast ausschließlich jugendlichen Opfer ausländische Wurzeln hatten, sei wahrscheinlich Zufall.

Das genaue Motiv der Tat ist weiterhin unklar - auch weil noch nicht bekannt ist, was in dem Manifest steht, das S. wohl auf seinem Computer hinterließ. Aus Sicherheitskreisen hieß es aber, dass der Amokläufer am Freitag vor der Tat durch eine Prüfung auf der Fachoberschule gefallen sei. Diese Enttäuschung könnte ein weiterer Auslöser für die Tat gewesen sein.

Reutlingen

Die Tat: Ein Mann tötet am Sonntagnachmittag (24. Juli) in der Innenstadt von Reutlingen eine angeblich schwangere Frau mit einem Dönermesser. Bei seiner Flucht schlägt er mit dem Messer um sich und verletzt mindestens zwei weitere Menschen. Kurz darauf wird er von einem Auto angefahren - die Polizei kann den verletzten Täter überwältigen.

Der Täter: Der Tatverdächtige ist ein 21-jähriger Asylbewerber aus Syrien, der in Reutlingen lebt. Wie die "Stuttgarter Zeitung" berichtete, hatte der Mann in einem Imbiss-Lokal gearbeitet. Ein Kollege sagte demnach über ihn, er sei vor eineinhalb Jahren aus Aleppo (Syrien) nach Deutschland gekommen. Er beschrieb ihn als freundlichen Mann. Auch der Chef des Täters sagte gegenüber dem Blatt, "Mohamed hat einen guten Eindruck gemacht."

Allerdings war der Angreifer für die Polizei kein Unbekannter: Es hätten bereits mehrere Anzeigen wegen Körperverletzung vorgelegen.

Das Motiv: Zwar ist das Motiv der Tat laut Polizeiangaben noch nicht abschließend geklärt, Anhaltspunkte für einen terroristischen Hintergrund gibt es jedoch nicht. Vieles deutet dagegen auf eine Beziehungstat hin.

Zeugen sagten der Süddeutschen Zeitung, dass sich Täter und das 45-jährige Opfer kannten. Sie hätten in demselben Imbiss zusammengearbeitet. Die Getötete war demnach eine polnische Serviererin. Ein Kollege erzählte der Stuttgarter Zeitung, der Täter sei seit Monaten in die Frau verliebt gewesen. Vor der Messerattacke war es zu einem Streit zwischen den beiden gekommen.

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Die Verletzten waren hingegen Ermittlern zufolge Zufallsopfer.

Ansbach

Die Tat: Ein Mann verübt Sonntagabend (24. Juli) einen Bombenanschlag bei einem Musikfestival im fränkischen Ansbach. Vor dem Eingang der Veranstaltung werden 15 Menschen zum Teil schwer verletzt, der Attentäter kommt ums Leben. Er hatte die Bombe mit scharfkantigen Metallteilen in einem Rucksack versteckt.

Der Täter: Mohammad D. war ein 27 Jahre alter Flüchtling aus Syrien. Der Mann war vor zwei Jahren aus dem Bürgerkriegsland nach Deutschland gekommen. Die Behörden hatten seinen Asylantrag vor einem Jahr abgelehnt, seitdem wohnte er als geduldeter Flüchtling in einer Unterkunft in Ansbach. Da eine frühere Erfassung des Täters unter anderem in Bulgarien vorlag, sollte er laut Bundesinnenministerium in das Drittland abgeschoben werden.

Der Syrer versuchte bereits zweimal zuvor, sich das Leben zu nehmen. Er lebte deswegen zeitweise in einer psychiatrischen Klinik. Zudem war D. auch schon früher strafrechtlich aufgefallen - wegen Drogen- und Nötigungsdelikten. Ein Mitarbeiter des städtischen Sozialamts, wo der Mann bekannt war, beschrieb ihn trotzdem als "freundlich, unauffällig und nett".

Das Motiv: Die Ermittler haben auf einem Laptop des Attentäters neben Materialien zum Bombenbau auch islamistische Videos gefunden. In einem Bekennervideo nahm D. unter anderem Bezug auf IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi und kündigte einen Racheakt gegen Deutsche an, weil sie Muslime umbrächten.

Darüberhinaus lassen die früheren Selbstmordversuche des Täters zusätzlich auf einen erweiterten Suizid schließen.

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