Ausnahmezustand in Island Vulkan bricht aus: Riss mehrere Kilometer lang
Seit Wochen bereitet ein Magma-Tunnel im Südwesten Islands den Menschen Sorgen. Nun ist der Ernstfall eingetreten.
In Island ist nach starker seismischer Aktivität ein Vulkan ausgebrochen: Unweit der Hauptstadt Reykjavík schießt Lava an die Erdoberfläche. Der Ausbruch fand zwischen Sýlingarfell und Hagafell rund vier Kilometer nordöstlich der Gemeinde Grindavík statt, wie der isländische Wetterdienst mitteilte.
Experten bestätigten t-online, dass Kameras vor Ort den Ausbruch des Vulkans nahe dem Berg Thorbjörn am Montagabend um 22.17 Uhr aufgezeichnet hatten. Die Eruptionsspalte wird den Berichten zufolge schnell breiter und ist nach neuesten Informationen (Stand: 4 Uhr) etwa vier Kilometer lang.
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Experte spricht von "Worst-Case-Szenario"
Der Vulkanologe Thorvaldur Thordarson sprach im Nachrichtenmedium "mbl.is" von einem "Worst-Case-Szenario". Der Ausbruch habe an dem denkbar schlechtesten Standort stattgefunden. Bereits vor mehreren Wochen hatte Thomas Walter, Vulkanologe am Helmholtz-Zentrum Potsdam, die Situation im Gespräch mit t-online erklärt. Der Ausbruch, den man beobachten kann, zähle zusammen mit den vergangenen drei Ausbrüchen zu dem Beginn einer ganzen Ausbruchsperiode. Lokale Wissenschaftler vermuten dies bereits seit dem ersten Ausbruch, so Walter.
Eine solche Periode könne Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte andauern – so die Vermutung. Bisher habe es bei den Ausbrüchen keinerlei Tote gegeben. Vielmehr sorgten die letzten Ausbrüche für touristischen Aufschwung in der Region, so der Experte.
Experte: Lavaspalte muss beobachtet werden
Der Geophysiker Björn Oddson teilte im isländischen Rundfunksender RÚV am Dienstagmorgen nach einer Lagebesprechung des Zivilschutzes mit, dass die Lava sich aktuell jedoch nicht auf den Ort Grindavík zubewege. "Es muss jedoch beobachtet werden, ob sich die Spalte weiter nach Süden ausdehnt", so Oddson. Veränderungen in dieser Spalte stellten derzeit die größte Gefahr dar.
Den Berichten zufolge sind die Lavafontänen mehr als 200 Meter hoch. Auf Filmen und Fotos in den sozialen Medien waren orangerot glühende Fontänen zu sehen, die in den dunklen Nachthimmel schossen und diesen hell erleuchteten.
Mittlerweile soll der Ausbruch zwar bereits etwas an Stärke abgenommen haben. Das sagte Geowissenschaftler Magnús Tumi Gudmundsson am Dienstagmorgen dem isländischen Rundfunksender RÚV. Es fließe aber weiterhin eine beträchtliche Menge an Lava. Gudmundsson erklärte, dass schon wenige Stunden nach Beginn der Eruption nördlich des Ortes Grindavík ungefähr doppelt so viel Lava ausgetreten sei wie beim bislang letzten Vulkanausbruch in Island im Sommer dieses Jahres.
Wichtige Straße gesperrt
Die Polizei hatte die Menschen noch am Montagabend aufgefordert, Grindavík zu verlassen. Schaulustige sollten sich dem Vulkan nicht nähern. Auch die Reykjanesbraut-Straße, die die Hauptstadt Reykjavík mit dem internationalen Flughafen Keflavík verbindet, wurde gesperrt.
Für die Luftfahrt wurde vorübergehend die rote Warnstufe ausgerufen, diese wurde dann aber wieder auf orange herabgestuft. Der Flughafenbetreiber Isavia erklärte auf seiner Website, derzeit gebe es bei Starts und Landungen am internationalen Hauptstadtflughafen Keflavík keinerlei Behinderungen.
Islands Präsident Gudni Jóhannesson schrieb auf Facebook, es sei noch unklar, welchen Schaden der Ausbruch anrichten könnte. Er bat die Menschen vor Ort, "in diesem gefährlichen Moment" allen Empfehlungen der Rettungsdienste zu folgen. Regierungschefin Katrín Jakobsdóttir erklärte am Montagabend, sie sei in Gedanken bei der Bevölkerung der Gegend. "Wir hoffen das Beste, aber es ist klar, dass es sich um einen bedeutsamen Ausbruch handelt."
Kristín Jónsdóttir, Leiterin der Abteilung Naturgefahren beim isländischen Wetteramt, sagte zu RÚV, dass der Beginn der Eruption die Wissenschaftler überrascht habe: "Es ging wirklich sehr schnell."
Eindrucksvoll zu sehen ist das auf Luftbildern des Zivilschutzes und auf einem Video der Isländerin Aðalheiður Alla Halldórsdóttir aus dem rund 20 Kilometer westlich der Ausbruchstelle gelegenen Sandgerdi. "Mein Sohn fuhr gerade von unserem Haus weg und sah, wie es losging, und hat uns Bescheid gegeben", sagte sie t-online. Die Straße aus ihrem Ort sei inzwischen gesperrt, Gefahr für sie bestehe aktuell nicht.
Bewohner waren schon im November evakuiert worden
Grindavík liegt vier Kilometer südwestlich der Hauptstadt Reykjavík auf der Halbinsel Reykjanes. In der Region hatte es im November eine Serie von Erdbeben gegeben, weswegen ein Vulkanausbruch erwartet worden war. Unter der Halbinsel verläuft ein etwa 15 Kilometer langer Magmatunnel bis unter den Meeresboden vor der Küste.
Die Behörden hatten den Notstand ausgerufen und den 4.000-Einwohner-Ort evakuieren lassen. Die Bewohner durften seitdem nur zu bestimmten Uhrzeiten in ihre Häuser zurückkehren. Mehr dazu lesen Sie hier.
Die nur wenige Kilometer vom Ort entfernt liegende Touristenattraktion Blaue Lagune war nach einer vorübergehenden Schließung erst am Wochenende wieder eröffnet worden. Zum Zeitpunkt der Eruption befand sich den Berichten zufolge kein Gast dort.
Bereits vier Ausbrüche binnen drei Jahren
Island ist die aktivste Vulkanregion Europas. Der jüngste Ausbruch ist bereits der vierte innerhalb von drei Jahren. Schon 2021 und 2022 ist der Vulkan Fagradalsfjall, der rund 40 Kilometer von der Hauptstadt entfernt liegt, ausgebrochen.
Auch im Juli dieses Jahres floss Lava aus einem breiten Erdspalt auf der Halbinsel südwestlich der Hauptstadt. Die jüngsten Eruptionen trafen stets unbewohntes Gebiet. Entsprechend gering war die Aufregung der an Vulkane gewöhnten Isländer. Insgesamt gibt es mehr als 30 aktive Vulkane auf der Insel im Nordatlantik.
- Eigene Recherchen
- mbl.is: Eldgosið "á versta staðnum" segir Þorvaldur; Lögreglan: "Rýmið Grindavík STRAX" (isländisch)
- erdbebennews.de
- ruv.is: Eruption on Reykjanes Peninsula (englisch)
- livefromiceland.is/webcams/fagradalsfjall
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Gespräch mit Thomas Walter