Türkei und Syrien Dramatische Szenen in Erdbebenregion – mehrere Tote
In der Südosttürkei hat schon wieder die Erde gebebt. Menschen verfielen in Panik. Es gibt Dutzende Verletzte und mehrere Tote.
Zwei Wochen nach einem verheerenden Erdbeben in der Südosttürkei hat ein weiteres Beben der Stärke 6,4 die Region und weitere Länder erschüttert. Das Epizentrum lag im Bezirk Samandag in der Provinz Hatay, wie die Erdbebenwarte Kandilli in Istanbul am Montag mitteilte. Die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad sprach sogar von zwei Beben in Hatay der Stärke 6,4 und 5,8. Afad rief die Menschen dazu auf, von den Küsten fernzubleiben. Der Meeresspiegel könne um bis zu einen halben Meter ansteigen. In Syrien stürzten erneut Häuser ein, Verletzte wurden gemeldet.
Der türkische Gesundheitsminister Fahrettin Koca teilte am Montagabend auf Twitter mit, 294 Menschen seien verletzt worden, 18 davon schwer. Innenminister Süleyman Soylu hatte gesagt, mindestens drei Menschen seien getötet worden. Auch in Syrien wurden Verletzte registriert: Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte zählte am Montagabend 470 Verletzte in dem Land, die meisten davon im Raum Aleppo.
Der Sender CNN Türk berichtete, die Menschen seien in Panik auf die Straße gelaufen, zudem sei in Hatay der Strom ausgefallen. Rettungskräfte in der Stadt Antakya arbeiten laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu daran, drei unter Trümmern eingeschlossene Menschen zu befreien.
Der Bürgermeister von Hatay warnte, die Erdbebenserie sei noch nicht vorbei. Via Twitter rief er dazu auf, sich von einsturzgefährdeten Gebäuden fernzuhalten. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, das staatliche Krankenhaus in der Küstenstadt Iskenderun werde evakuiert.
Mehrere Häuser eingestürzt
Das Beben war Medienberichten zufolge auch in den umliegenden Provinzen, im Norden Syriens, in Israel, im Irak und im Libanon zu spüren. In mehreren Orten nahe der Stadt Aleppo seien erneut Häuser eingestürzt, sagte eine Sprecherin der Hilfsorganisation SAMS. Darunter sei auch die Kleinstadt Dschindiris nahe der türkischen Grenze, die schon vor zwei Wochen stark von den Beben getroffen wurde. In mindestens vier Kliniken der Organisation seien neue Opfer eingetroffen – darunter ein Kind mit Herzstillstand, das reanimiert werden konnte. Ob in der Türkei Häuser einstürzten, war zunächst unklar.
Die Rettungsorganisation Weißhelme teilte mit, im Nordwesten Syriens seien mehrere Städte und Dörfer betroffen. In mehreren Gebieten seien Hauswände und Balkone eingestürzt. Die Zivilschützer meldeten mehrere Verletzte unter anderem durch herunterfallende Trümmer. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, mehrere Menschen hätten sich durch Sprünge aus dem Fenster oder von Balkonen verletzt oder im panischen Gedränge.
"Viele Menschen haben ihre Häuser verlassen"
Ein Anwohner aus der Nähe der syrischen Stadt Aleppo sagte, das Beben sei so stark gewesen wie das vor zwei Wochen, habe aber nicht so lang gedauert. "Es hat die Menschen verängstigt und auf die Straße rennen lassen", sagte der Anwohner namens Abdel Kafi. "Viele Menschen haben ihre Häuser verlassen und ziehen durch die Straßen in Angst, dass weitere (Erdbeben) folgen werden", darunter auch in der syrischen Hauptstadt Damaskus, schrieb die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) für die Region, Rula Amin, bei Twitter.
Am 6. Februar hatte frühmorgens ein Beben der Stärke 7,7 die Südosttürkei und den Norden Syriens erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6. Das Epizentrum lag in beiden Fällen in der südtürkischen Provinz Kahramanmaraş. Mehr als 47.000 Menschen starben, davon mehr als 41.000 in der Türkei.
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Sorge vor Infektionskrankheiten
Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC warnte am Montag davor, dass sich Infektionskrankheiten in der Region ausbreiten und in den kommenden zwei bis vier Wochen etliche Ansteckungen zur Folge haben könnten. Krankheiten, die durch Lebensmittel und Wasser übertragen werden, sowie Atemwegsinfektionen und durch Impfung vermeidbare Infektionen stellten in der kommenden Zeit ein besonderes Risiko dar. Sie hätten das Potenzial, Ausbrüche zu verursachen, insbesondere wenn Überlebende in provisorischen Unterkünften unterkämen.
Derweil sagten Unternehmen und Verbände in Deutschland am Montag dringend benötigte Materialien wie Arzneimittel, medizinische Geräte und weitere Produkte in Millionenhöhe zu, wie das Bundesgesundheitsministerium in Berlin nach einem "Spendengipfel" mitteilte. Die Hilfsgüter sollen schnell in die Krisengebiete gebracht werden – von den Firmen selbst oder in Kooperation mit der türkischen Regierung sowie mit Helfern.
Am Dienstag reisen außerdem Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) in das betroffene Gebiet. Die Ministerinnen wollen sich in der Region um das Epizentrum nahe der Stadt Gaziantep unweit der Grenze zu Syrien ein Bild von der Lage machen, wie ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Montag in Berlin mitteilte.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach am Montag von einer Jahrhundertkatastrophe und bat die Menschen in Deutschland, langfristig zu helfen. "Was wir jetzt brauchen, ist ausdauernde Solidarität", sagte er bei einer Gedenkveranstaltung der Türkischen Gemeinde in Deutschland und des Verbandes Deutsch-Syrischer Hilfsvereine am Brandenburger Tor in Berlin. Das Ausmaß der Zerstörung lasse erahnen, dass es lange dauern werde, bis die Überlebenden regelmäßig mit dem Nötigsten versorgt seien.
"In all seinen Farben wiederbeleben"
US-Außenminister Antony Blinken zeigte sich am Montag in Ankara fassungslos über die Zerstörungen in der türkisch-syrischen Erdbebenregion. "Es ist schwer in Worte zu fassen", sagte Blinken am Montag bei einer Pressekonferenz mit seinem türkischen Kollegen Mevlüt Çavuşoğlu über seine Eindrücke vor Ort. Unzählige Gebäude, Gemeinden und Straßen seien beschädigt oder vollständig zerstört. Blinken hatte sich am Sonntag gemeinsam mit Çavuşoğlu ein Bild von der Zerstörung in der schwer vom Erdbeben betroffenen Provinz Hatay gemacht.
Während seines Besuches in der syrisch-türkischen Erdbebenregion traf der US-Außenminister auch Vertreter der Rettungsorganisation Weißhelme. Deren stellvertretender Leiter Faruk Habib bezeichnete die Unterstützung der USA bei dem Treffen als "entscheidend", wie die Zivilschützer am Sonntagabend bei Twitter mitteilten. Blinken habe die Arbeit und Expertise der Weißhelme sowie der Such- und Rettungsteams gelobt und dabei von "heldenhaften Bemühungen" nach der Katastrophe gesprochen.
Unterdessen traf der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan am Montag zu einem erneuten Besuch in Hatay ein. Auf Bildern, die über den Twitterkanal des türkischen Kommunikationsministeriums verbreitet wurden, sah man Erdoğan inmitten einer Menschenmenge. Der Präsident kündigte an, die Städte in der stark zerstörten Provinz zügig wieder aufzubauen. Man wolle Hatay "in all seinen Farben wiederbeleben", sagte er. Zuvor hatte Erdoğan den US-Außenminister am Flughafen in Ankara getroffen, wie das Präsidialbüro mitteilte.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP