Justiz Drei Jahre Knast für ein wenig Kautabak
Der Straßenhändler in Bhutans Hauptstadt Thimpu verkauft unter dem Ladentisch heimlich Zigaretten an zwei Kunden. Leise fragen die jungen Männer nach einem Zehnerpäckchen. Sobald der Händler die Schmuggelware überreicht, stopfen sie sie hastig in die Vordertasche ihrer Tuniken. "Man findet überall Zigaretten, aber es ist gefährlich", sagt einer der Käufer, als er davoneilt. "Der Händler könnte ins Gefängnis kommen."
Bis zu fünf Jahre Haft stehen in Bhutan auf den Verkauf oder Besitz von unverzolltem Tabak oder Zigaretten - das kleine Himalaya-Königreich hat die strengsten Rauchergesetze der Welt.
Schon vor Einführung der neuen Gesetze in diesem Jahr war der Verkauf von Tabak in dem mehrheitlich buddhistischen Land verboten, ebenso wie das Rauchen auf öffentlichen Plätzen. Die neuen Gesetze richten sich nun vor allem gegen den Schmuggel - Verstöße werden drastisch geahndet.
Zollgebühren von bis zu 200 Prozent
Zum privaten Gebrauch dürfen 200 Gramm Tabak und 200 Zigaretten pro Monat legal importiert werden - gegen eine Zollgebühr von bis zu 200 Prozent. Der Nachweis vom Zoll muss aufbewahrt werden.
Im März musste ein 23-jähriger Mönch als erstes Opfer der neuen Gesetze für drei Jahre in Haft, nachdem er mit unverzolltem Kautabak im Wert von umgerechnet 1,84 Euro erwischt worden war. Seither nahmen die Behörden mehr als 50 Menschen fest, darunter einen 81-Jährigen und ein 16-jährigen Jugendlichen.
Gesetzeslage entfacht Empörung und Proteste
"Wir machen das für die Gesundheit und das Wohlergehen unserer Leute", erklärt Kinley Dorji, der Leiter der Rauschgiftkontrollbehörde des abgeschiedenen Königreichs. "Weltweit haben die Menschen Gewohnheiten und Süchte, und manchmal können sie diese nicht so einfach aufgeben."
Doch dass Kleinverbraucher im Gefängnis landeten, darunter auch einige, die offensichtlich die Gesetzeslage nicht kannten, löste Empörung aus und sorgte für Proteste in Bhutans noch junger Demokratie, die erst 2008 die absolute Monarchie abgelöst hatte.
Regierungschef kündigt Überprüfung der Gesetze an
"Die Absicht hinter den Regeln ist zweifellos gut", sagt Tashi Gyeltshen, der die Proteste gegen die Haftstrafen auf Facebook anführte. "Tabak tötet Menschen". Aber Raucher gebe es schon seit Jahrhunderten, sagt der 39-Jährige. "Sie können nicht einfach über Nacht aufhören. Alle denken, dass die Gefängnisstrafe ein Fehler ist."
Aufgrund der öffentlichen Empörung kündigte Regierungschef Jigmi Thinley an, das Gesetz nochmals zu überprüfen. "Ich denke, es ist nicht ausgewogen", sagte Thinley im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP.
Die Strafen seien "exzessiv" und müssten überdacht werden. Befürworter der drakonischen Strafen verweisen dagegen auf die Entlastung des kostenlosen Gesundheitssystems Bhutans durch weniger Raucherkrankheiten.
WHO: Jährlich sechs Millionen Tote durch Tabak
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sterben jährlich sechs Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums, davon 80 Prozent in Entwicklungsländern wie Bhutan.
Ob die Politik des armen Himalaya-Staats erfolgreich ist, werden die nächsten Jahre zeigen. Doch nach einer Untersuchung internationaler Anti-Tabak-Organisationen aus dem Jahr 2009 hatte Bhutan schon damals nur 2,8 Prozent Raucher, in China waren es dagegen 31,4 Prozent.
Und inzwischen haben sich nach einem Bericht der Zeitung "Bhutan Today" schon Bauunternehmen bei der Regierung beschwert: Ihre indischen Bauarbeiter hätten das Land verlassen, da sie ohne Tabak nicht leben könnten.