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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sender-Beben beim RBB Wende in Schlesinger-Affäre?
Die strafrechtlichen Ermittlungen zur RBB-Affäre laufen. Doch ein Gutachten legt nahe, dass Teile der Vorwürfe womöglich nicht zu halten sind. Es geht um den Komplex, der das Sender-Beben auslöste.
Die Affäre um die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie wenige Skandale zuvor erschüttert. Immer wieder tauchen neue Vorwürfe auf. Gegen Schlesinger ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft Berlin sogar wegen mutmaßlicher Untreue und Vorteilsannahme.
Doch die Affäre könnte eine Wende nehmen: Ein Teil der Vorwürfe gegen Schlesinger und ihr Umfeld sind nach Informationen von t-online möglicherweise nicht zu halten. Zwar ist eine Option weiterhin, dass die Staatsanwaltschaft durch tiefere Ermittlungen zu anderen Ergebnissen kommt. Allerdings finden sich zumindest in Gutachten, die Teil der Ermittlungsakte sind, keine Hinweise, die den Anfangsverdacht der Vorteilsnahme erhärten.
Die lukrativen Aufträge
Das betrifft insbesondere den Komplex rund um die Messe Berlin, der die Affäre auslöste. Ein entsprechendes externes Gutachten, das vom landeseigenen Betrieb in Auftrag gegeben und von einer Berliner Fachanwaltskanzlei erstellt wurde, liegt t-online vor. Zwar spart es nicht mit Kritik an der Geschäftsführung der Messe, findet aber keine Hinweise auf den konkreten Korruptionsvorwurf.
Ein Sprecher des Unternehmens sagte auf Anfrage von t-online, es sei kein Verstoß gegen Vergabevorschriften festzustellen. "Die Erkenntnisse aus dem Abschlussbericht werden wir nutzen, um unsere internen Einkaufsrichtlinien zu aktualisieren und zu konkretisieren."
Die Ausgangslage war für Außenstehende bereits nicht ganz einfach zu überblicken, als die Vorwürfe Mitte 2022 publik wurden. Schlesinger, ihr Ehemann Gerhard Spörl sowie der damalige RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf waren offenbar miteinander bekannt. Das ist nicht verwerflich. Ein Geschmäckle hatte allerdings, dass der Journalist Spörl über seinen Kontakt zu Wolf lukrative Aufträge der landeseigenen Messe erhielt, deren Aufsichtsratschef Wolf ebenfalls war.
Spörl erhielt rund 138.000 Euro netto – unter anderem dafür, dass er den neuen Firmenchef in Medienfragen beriet und ein Buch zum 200-jährigen Jubiläum der Messe schrieb.
Transparenzhinweis: Schlesingers Ehemann Gerhard Spörl schreibt als Kolumnist auch für t-online.
Spekuliert wurde, dass der Immobilienunternehmer Wolf wiederum möglicherweise interessiert an Neubauplänen des RBB war. "Business Insider" machte die Vorgänge öffentlich. Seitdem stehen Interessenkonflikte im Raum: Waren Spörls Verträge als Gegenleistung dafür zu verstehen, dass Schlesinger sich beim RBB-Neubau für mit Wolf verbundene Berater einsetzte? Und gewährte er deswegen als Chef-Kontrolleur der Intendantin weitere Vorteile?
Die Folgen der Berichte über die potenziellen Verquickungen waren für die Beteiligten jedenfalls deutlich spürbar: Fortan wurde auch Schlesingers Verhalten im Sender selbst unter die Lupe genommen. Im Zuge immer neuer Vorwürfe zu Spesenabrechnungen, der Nutzung des Dienstwagens und Gehaltsboni trat erst Schlesinger zurück, dann RBB-Verwaltungsrats- und Messe-Aufsichtsratschef Wolf. Bei Schlesinger, Spörl, Wolf und weiteren Ex-Senderverantwortlichen sieht die Generalstaatsanwaltschaft bis heute einen Anfangsverdacht auf Korruptionsdelikte. Die Ermittlungen laufen, die Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe oder schweigen.
Ihre Anwälte sind allerdings mittlerweile zuversichtlich. "Ich gehe davon aus, dass es zu keiner Anklage gegen Herrn Dr. Spörl kommen, sondern das Verfahren mangels Tatverdacht eingestellt wird", sagt beispielsweise Spörls Verteidiger Robert Unger auf Anfrage von t-online. Die Ermittlungen hätten keinen der erhobenen Vorwürfe bestätigt. Er sieht seine Sicht auf das Verfahren unter anderem durch Gutachten gestützt.
Keine Hinweise auf Vorteilsgewährung
Denn während sich durch die parallele (auch journalistische) Aufarbeitung der Affäre beim RBB zum Teil neue Vorwürfe gegen Schlesinger ergaben, kamen die Gutachter, die im Auftrag der Messe Berlin handelten, für ihren Bereich offenbar zu einem weitgehend anderslautenden Ergebnis. Und das eben in jenem Komplex, in dem die Affäre ihren Ausgang nahm: den Aufträgen an den Ehemann der RBB-Intendantin, Gerhard Spörl, der als Kolumnist auch für t-online tätig ist.
Auf 176 Seiten setzt sich die auf den November 2022 datierte Compliance-Untersuchung mit den Vorwürfen auseinander. Das Fazit: Es hätten sich keine Hinweise auf Gesetzesverstöße von Messe-Verantwortlichen ergeben. Festgestellte Verstöße gegen interne Richtlinien seien zum Teil durch unklare Compliance-Regeln bedingt und begründeten "keinen Verdacht strafbaren Handelns".
Zwar hält das Gutachten fest, dass "die [mutmaßliche] Korruptionstat, (...) gänzlich unabhängig davon möglich ist, ob es bei der Messe Berlin Regelverletzungen gab oder nicht". Es scheint jedoch zumindest fraglich, ob sich der Anfangsverdacht der Staatsanwaltschaft in allen Aspekten halten lässt. Immerhin stand im Raum, dass es sich bei den Aufträgen nicht um korrekte Vertragsbeziehungen, sondern um Gefälligkeiten für die Senderchefin und ihren Mann handelte.
Entsprechend deutlich fällt die strafrechtliche Bewertung der Fachanwälte aus: "Hinweise auf eine solche [Vorteilsgewährung durch Wolf an Schlesinger durch eine Verdienstmöglichkeit für Spörl] ergaben sich bei unserer Untersuchung nicht." Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, "dass die Beauftragung (...) einer (Dritt-)Vorteilszuwendung dienen sollte".
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Es liege außerdem kein Verstoß gegen Vergaberecht vor. Es habe darüber hinaus ein "betriebliches Interesse" an den Leistungen gegeben. Da der Messe kein Vermögensschaden entstanden sei, komme Untreue nicht in Betracht. Insgesamt hatten die Prüfer auch hinsichtlich der Leistungen selbst offenbar wenig zu bemängeln.
Detailliert schlüsselt der Bericht die Ergebnisse der Untersuchung auf. Demnach standen, wie von "Business Insider" berichtet, zwischen November 2020 und Juli 2022 geleistete Zahlungen an Spörl in Höhe von rund 138.000 Euro netto für diverse Leistungen auf dem Prüfstand.
- 41.000 Euro entfielen demnach auf ein "Medien-Coaching" für den damals neu angetretenen Messe-Geschäftsführer Martin Ecknig. Im Bericht heißt es dazu, es lägen keine Anhaltspunkte für überhöhte Tagessätze vor, "sodass die vereinbarte Vergütung den von Dr. Gerhard Spörl geschuldeten Coachingleistungen" entspricht.
- 54.000 Euro wurden für einen "Beratervertrag zum Buch des Messe-Jubiläums" gezahlt sowie weitere 11.500 Euro für einen zugehörigen Autorenvertrag. Der Abgleich der Leistungsnachweise habe ergeben, "dass Dr. Gerhard Spörl tatsächlich Leistungen entsprechend dem Vertragsgegenstand erbrachte", heißt es dazu im Bericht.
- Und 31.000 Euro wurden für "Beratungen zum Messe-Jubiläum" fällig. Die Kanzlei habe nicht feststellen können, "dass die abgerechneten 31.000 Euro (netto) in einem nicht vertretbaren Verhältnis zu den erbrachten Leistungen standen". Sie seien allerdings dem Buchprojekt zum Messe-Jubiläum zuzurechnen. Leistungen für weitergehende Beratungen konnten nicht festgestellt werden.
Weniger glimpflich kam mit Blick auf die internen Compliance-Richtlinien die Geschäftsführung der Messe davon: Unter anderem bemängelten die Prüfer eine Auftragsvergabe ohne Wettbewerb und die Tatsache, dass keine Standardverträge der Messe verwendet wurden. So sei möglich gewesen, dass es an Leistungsbeschreibungen und -dokumentation gemangelt habe. Auch sei das Verfahren "für Ausnahmen vom Regelprozess" nicht eingehalten worden.
Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt
Zwar sei der Messe kein Vermögensschaden entstanden, sie habe aber in der Folge nicht "durch Offenlegung dokumentierter und regelgerechter Abläufe früh und aktiv die eigene Reputation verteidigen" können. Zudem seien gegenüber Medien Erklärungen abgegeben worden, "die sich in Details nicht mit den von uns getroffenen Feststellungen in Einklang bringen lassen". Das betraf vor allem den vermeintlichen Auftrag für Beratungen zum Messe-Jubiläum, der sich als Arbeit für das Buchprojekt entpuppte.
Bemerkenswert ist: Der damalige Geschäftsführer musste im Nachgang des Untersuchungsberichts gehen. "In Hinblick auf die Vertragsauflösung des früheren CEOs, Martin Ecknig, haben sich beide Seiten vertraglich zu Stillschweigen verpflichtet", sagte ein Messe-Sprecher t-online. Auskünfte dazu könne er nicht geben.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin teilte zu den Ermittlungen gegen Schlesinger, Spörl und Wolf mit, es bestehe "im Rahmen der laufenden Ermittlungen durch die Preisgabe von Informationen die Gefahr einer Ermittlungsgefährdung". Bis auf Weiteres könne die Behörde zu dem Verfahrenskomplex keine Angaben machen.
RBB-Gutachten stellte Pflichtverstöße fest
Damit bleibt unklar, welchen Verdachtslagen sie in dem umfangreichen Verfahrenskomplex weiter nachgehen. Entscheidend wird sein, ob sie eine sogenannte "Unrechtsvereinbarung" zwischen Wolf und Schlesinger nachweisen können, auf die das Gutachten bislang keine Hinweise finden konnte. Also ob eine Hand die andere wusch oder ob es ein solches Geben und Nehmen eben nicht gab.
Schlesingers Medienrechtsanwalt Ralf Höcker sieht den Tatverdacht sogar bereits fast gänzlich ausgeräumt: "Die meisten Vorwürfe sind schon in sich zusammengefallen, der Rest wird folgen", sagte er t-online. Man habe es mit einer "kollektiven Hexenjagd" zu tun. "Im Wochentakt haben Journalisten neue Vorwürfe aus dem Hut gezaubert." Bereits widerlegte Vorwürfe steckten "weiter in den Köpfen der Menschen und beschädigten die Reputation meiner Mandantin". Auch er begründet diese Sicht der Dinge unter anderem mit einem Gutachten.
Ein vom RBB in Auftrag gegebenes Teilgutachten einer weiteren Kanzlei hatte im Oktober 2022 zwar mehrere Compliance-Mängel beim RBB und Pflichtverstöße der ehemaligen Intendantin festgestellt, aber eben auch entlastende Aspekte zu Tage gefördert. Im Raum stand dabei, Wolf als Chef-Kontrolleur habe der Intendantin Schlesinger möglicherweise Vorteile gewährt.
Hinsichtlich der Beschaffung und Nutzung ihres Dienstwagens sei Schlesinger aber kein Vorwurf zu machen, hieß es im Teilgutachten. Auch Umzugskosten habe sie, anders als berichtet, nicht über den Sender abgerechnet. Für Medienrechtsanwalt Höcker sind das nur einige der Vorwürfe, die mittlerweile nicht mehr zur Debatte stehen. Die Gehaltszahlungen an Schlesinger seien zum Beispiel rechtmäßig gewesen.
Das Teilgutachten hatte festgestellt, die Dienstverträge der Intendantin seien im Zusammenspiel mit Wolf nicht ordnungsgemäß zustande gekommen und darum nichtig. Mittlerweile streiten der RBB und Schlesinger deswegen zivilrechtlich über gezahlte Zulagen, Gehaltsfortzahlungen und vereinbartes Ruhegeld. Strafrechtlich Relevantes stellte das Gutachten nicht fest.
Ein Abschlussgutachten wird noch erwartet
Doch was ist mit der von Schlesinger beim RBB abgerechneten Reise mit ihrem Ehemann nach London und den Salonrunden mit prominenten Gästen, die dem RBB in Rechnung gestellt wurden? Das Teilgutachten hält fest, die Reise sei nicht dienstlich veranlasst gewesen, sondern habe Schlesingers "privatem Vergnügen" gedient. Mindestens eines der Abendessen sei offenbar privater Natur gewesen. Bleiben von den Vorwürfen am Ende ein Zivilprozess und falsche Abrechnungen?
Höcker sagt, die Reisekostenstelle habe die London-Reise "auf Plausibilität und Richtigkeit geprüft" und hätte die Kostenerstattung auch ablehnen können. Manche der Gäste der Salonrunden würden eine private Atmosphäre behaupten, "um nicht selbst strafrechtlichen Vorwürfen ausgesetzt zu werden" – schließlich waren unter den Geladenen Beamte und Amtsträger, die derlei dienstliche Zuwendungen möglicherweise nicht annehmen dürften.
Es dürfte an dieser Stelle – wie in vielen Aspekten der Affäre – entscheidend auf die Ergebnisse der Vernehmungen und weiterer Ermittlungen der Berliner Generalstaatsanwaltschaft ankommen. Auch der Abschlussbericht der beauftragten Kanzlei zum RBB-Komplex wird noch erwartet. Dass eine mögliche Anklage aber alle öffentlich erhobenen Vorwürfe beinhalten wird, scheint zu diesem Zeitpunkt mehr als fraglich.
- Eigene Recherchen