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Corona: Virologin Sandra Ciesek kritisiert Hospitalisierungsrate


Virologin zur Corona-Lage
Ciesek: Hospitalisierungsrate ist "Blick in den Rückspiegel"

Von t-online, lw

Aktualisiert am 24.11.2021Lesedauer: 3 Min.
Sandra Ciesek: Die Virologin äußert Bedenken zur 2G-Regelung in der Gastronomie.Vergrößern des BildesSandra Ciesek: Die Virologin äußert Bedenken zur 2G-Regelung in der Gastronomie. (Quelle: Jürgen Heinrich/imago-images-bilder)
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Die Hospitalisierungsinzidenz ist ein wichtiger Faktor für die Politik, um über weitere Corona-Maßnahmen zu entscheiden. Virologin Sandra Ciesek äußert Bedenken an diesem Vorgehen – und schlägt eine Alternative vor.

Die Virologin Sandra Ciesek hat die Hospitalisierungsrate als wichtigsten Parameter für die Beurteilung des Infektionsgeschehens kritisiert. Man schaue damit "in den Rückspiegel und nicht nach vorne", sagte sie im NDR-Podcast "Coronavirus-Update". Es gebe einen extremen Meldeverzug und regionale Unterschiede, die damit nicht abgedeckt würden.

Derzeit liegt die Hospitalisierungsinzidenz in Deutschland bei 5,74 (Stand: 24. November), in den einzelnen Bundesländern variiert der Wert jedoch deutlich. In Hamburg lag sie am Mittwoch bei 2,92, in Thüringen hingegen bei 18,58. "Das ist ein sehr, sehr hoher Wert. Das ist höher als das, was wir in Spitzenzeiten Weihnachten 2020 hatten, da hatten wir um die 15, 15,5", so Ciesek.

Lage in Krankenhäusern durch Hospitalisierungswert nicht erkennbar

In Sachsen liege der Wert bei 4,93, das passe nicht zu den Geschehnissen. Das Bundesland verzeichnet die höchste Sieben-Tage-Inzidenz: 935,8 (Stand: 24. November). Zugleich bildet Sachsen das Schlusslicht im Impfranking. 60 Prozent der Bevölkerung sind dort mindestens einmal geimpft, lediglich 57,8 Prozent sind vollständig geschützt. Zum Vergleich: In Bremen liegt die Quote derzeit bei 79,7 Prozent.


Ciesek mahnte, dass durch den Meldeverzug eine Verzerrung der tatsächlichen Lage in den Krankenhäusern entstehe. Im Freistaat Sachsen haben bereits viele Kliniken ihre Kapazitätsgrenze erreicht. Die Virologin erklärte, für die Hospitalisierungsrate sei das Meldedatum der Infektion eines Patienten entscheidend, nicht der Tag der Krankenhauseinweisung. Zudem würden viele Patienten nicht schon binnen einer Woche in Kliniken aufgenommen, sondern meist deutlich später.

Ciesek: "Wahnsinnig hohe Belastung"

Die Hospitalisierungsrate gibt jedoch an, wie viele Covid-19-Patienten pro 100.000 Einwohnern innerhalb einer Woche ins Krankenhaus eingeliefert werden. Bei Überschreitung der Grenzwerte 3, 6 und 9 können die Bundesländer individuell schärfere Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie verhängen.

"Im Grunde genommen ist das ein Wert, der eher nach hinten schaut als wirklich nach vorne, und ich persönlich mag die Neuinfektionsanzahl gekoppelt an die ITS-Belegung deutlich lieber", sagte die Direktorin der Medizinischen Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Mai. Beim Hospitalisierungswert werde nicht berücksichtigt, wie lange die Menschen auf der Intensivstation bleiben müssen. Manche lägen dort Wochen oder Monate, insbesondere Jüngere.

"Deswegen ist ja zum Teil in einigen Bundesländern die Anzahl der Intensivbetten, die an SARS-CoV-2-positive Patienten vergeben wurden, bei ungefähr 30 Prozent. Das ist natürlich eine wahnsinnig hohe Belastung." Jedes dritte Bett könne nicht an einen anderen Patienten vergeben werden.

Ciesek: "Es wird keiner auf der Straße liegen"

Zugleich gab Ciesek Entwarnung: "Dass man nicht hospitalisiert werden kann, das glaube ich nicht in Deutschland", erklärte sie mit Blick auf die drohende Überlastung der Intensivstationen. "Es wird keiner auf der Straße liegen." Man müsse zwischen idealer Betreuung und Grundversorgung unterscheiden.

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Zudem betonte Ciesek, dass es nun wichtig sei, nicht darauf zurückzuschauen, "was alles Falsches gelaufen ist". "Wir können (…) die Zahlen ja jetzt nicht mehr ändern, die in der Vergangenheit liegen. Das Kind ist in den Brunnen gefallen", so die Virologin. Dennoch übte sie Kritik an der Politik: "Rückblickend denke ich, dass uns der Wahlkampf im Sommer (...) nicht wirklich geholfen hat. Da war die Politik insbesondere auf andere Themen konzentriert. (…) Man hatte so den Eindruck, dass man sich nicht mehr mit der Pandemie beschäftigen will und dass sich auch keiner unbeliebt machen will, vor allem im Wahlkampf."

Sie appellierte an die Bürger, in ihrem persönlichen Umfeld zu versuchen, Konsequenzen zu ziehen, um die Infektionszahlen einzudämmen. "Ich halte im Moment Großveranstaltungen für wirklich nicht sinnvoll", sagte Ciesek. Dabei gehe es um mehr als hundert Personen in Innenräumen. Man sollte wieder mehr auf Onlineveranstaltungen ausweichen, wenn möglich.

Virologin hat Bedenken bei 2G-Regelung in der Gastronomie

Bei der 2G-Regel in der Gastronomie habe sie Bedenken, ob diese auch wirklich kontrolliert werde. "2G heißt nicht, dass man sich nicht anstecken kann. 2G plus wäre mir persönlich lieber", so die Virologin. "Natürlich steigt die Gefahr, umso häufiger man Veranstaltungen mit 2G besucht, dass man das Virus dann mit nach Hause zur Großmutter oder zur schwangeren Freundin nimmt." Ein tagesaktueller PCR-Test sei ideal, aber das sei kaum umsetzbar. "Sorgen machen mir auch gefälschte Impfzertifikate", ergänzte Ciesek.

Die Virologin wechselt sich im NDR-Podcast "Coronavirus-Update" wöchentlich mit Christian Drosten ab, dem Leiter der Virologie an der Berliner Charité, und ordnet die aktuelle Corona-Lage ein. Inzwischen sind mehr als hundert Folgen und mehrere Sondersendungen erschienen.

Verwendete Quellen
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