Illegale Bootsflüchtlinge Australien fordert Europa zu totaler Abschottung auf
Unter Ministerpräsident Tony Abbott hat Australien die Einwanderung illegaler Bootsflüchtlinge vollständig gestoppt. Mit harter Hand. Darauf ist Abbott stolz. So stolz, dass er nach dem Tod von womöglich 900 Flüchtlingen im Mittelmeer die EU dazu drängt, sein "Erfolgsmodell" zu übernehmen und strengere Grenzkontrollen einzuführen - Menschenrechtler laufen Sturm.
Der jüngste Vorfall im Mittelmeer sei eine "schreckliche, schreckliche Tragödie", erklärte der australische Regierungschef. Damit sich so etwas nicht wiederhole, sollte Europa dem Beispiel Australiens folgen.
Unter dem Motto "Stop the boats" (Stoppt die Boote) startete Abbott nach seinem Wahlsieg 2013 ein rigoroses Programm gegen Flüchtlinge, die über den Seeweg kommen. Seitdem kreuzen ständig Militärschiffe vor Australiens Küsten, die Flüchtlingsboote abfangen und ausnahmslos zurückschicken.
Flüchtlingslager in Partner-Nationen
Die Statistik spricht Bände: Laut des Nachrichtenmagazins "Spiegel" hat es 2014 und 2015 kein einziges Boot mit illegalen Einwanderern nach Australien geschafft. Noch 2013 gelangten demnach 20.000 Flüchtlinge ins Land, vorwiegend aus Afghanistan, dem Iran und Sri Lanka.
Die Migranten werden in der Regel nach Indonesien zurückgeschickt, von wo die meisten die Überfahrt wagen. Auch in Seenot geratene Flüchtlinge haben keine Chance auf Asyl. Sie werden entweder in Rettungsboote gesteckt und ebenfalls zurückgeschickt oder an Bord genommen und anschließend in speziell eingerichtete Lager gebracht - natürlich nicht auf australischem Boden. Dafür hat Canberra eigens Partner an Land gezogen, wie etwa die Pazifiknationen Nauru und Papua-Neuguinea, die dafür mit Geld entschädigt werden. Australien erkauft sich die weiße Weste.
Bislang ist EU-Staaten die Abschiebung illegaler Flüchtlinge verboten. Italien wurde 2012 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt, weil es Einwanderer zurück nach Libyen geschickt hat.
Menschenrechtler üben scharfe Kritik
Zudem steht Abbotts Politik der totalen Abschottung im Verdacht, gegen das Menschenrecht zu verstoßen. So haben etwa die Vereinten Nationen (UN) Abbotts konservativer Regierung vorgeworfen, die Antifolter-Konventionen der UN zu verletzen, indem sie die Flüchtlinge in besagte Lager bringe.
Vor allem die Tatsache, dass auch Kinder unter unangemessenen Bedingungen interniert würden, stößt den Vereinten Nationen übel auf. Abbotts Regierung erfülle "grundlegende Standards nicht“, indem sie "Menschen auf unbestimmte Zeit unter fürchterlichen Umständen auf einer fernen Insel wegsperrt", sagte Daniel Webb vom Australischen Menschenrechtszentrum vor einigen Wochen.
Abbott reagierte verschnupft auf die Anschuldigungen. "Wir haben die Boote gestoppt und damit das Sterben auf dem Meer beendet“, ließ der Regierungschef verlauten. Schilderungen von Zeugen zeichnen jedoch ein anderes, unmenschliches Bild. So berichtet etwa ein ehemaliger Soldat der australischen Marine gegenüber "Spiegel" von aufgedunsenen Körpern im Wasser und kilometerlangen Leichenketten.
Strässer fordert legale Fluchtwege nach Europa
Nicht zuletzt deswegen hält auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), Australiens Modell nicht für eine Blaupause, die in der EU Anwendung finden könnte. Er fordert vielmehr das genaue Gegenteil: die Schaffung legaler Fluchtwege aus den Krisenregionen nach Europa.
"Die europäische Politik der Abschottung muss aufhören", sagte Strässer im ARD-"Morgenmagazin". Er forderte eine Diskussion darüber, "dass wir in den Auslandsvertretungen der EU Möglichkeiten schaffen, Papiere auszustellen, damit die Leute nach Europa kommen und dort ihre Verfahren betreiben".
Darauf hätten die Flüchtlinge einen Anspruch, sagte der SPD-Politiker, "und da müssen wir die Wege für schaffen". Das sei die kurzfristige "Kernaufgabe" angesichts der Flüchtlingstragödien im Mittelmeer. Solange es keine legalen Möglichkeiten für die Flüchtlinge aus den Krisenregionen gebe, sich mit Schlepperbanden zu organisieren.
Bei dem jüngsten Drama vor der libyschen Küste am Sonntag sind nach UN-Angaben vom Dienstag etwa 800 Menschen ertrunken. Die EU-Außen- und Innenminister hatten als Konsequenz am Montag in Luxemburg einen Zehn-Punkte-Plan beschlossen, der unter anderem eine Ausweitung der Seenotrettung und die Zerstörung von Schlepperbooten vorsieht. Für Donnerstag wurde ein EU-Sondergipfel zur Flüchtlingspolitik einberufen.