Germanwings-Katastrophe Politiker fordert Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht
Die Germanwings-Katastrophe hat eine neue Debatte über die ärztliche Schweigepflicht angestoßen. Angesichts des Unglücks in den französischen Alpen hat der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer eine Lockerung dieser Regelung für sensible Berufe angeregt. Piloten müssten "zu Ärzten gehen, die vom Arbeitgeber vorgegeben werden", zitierte die "Rheinische Post" den Politiker. Derweil läuft die Suche nach dem zweiten Flugschreiber weiterhin auf Hochtouren.
Fischer forderte, diese Ärzte müssten "gegenüber dem Arbeitgeber und dem Luftfahrtbundesamt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden sein", um zukünftig ähnliche Szenarien wie die des abgestürzten Airbus vermeiden zu können.
SoKo "Alpen" arbeitet mit Hochdruck
Der Düsseldorfer Abgeordnete Thomas Jarzombek (ebenfalls CDU) schlug die Einrichtung einer Expertenkommission vor. Diese solle klären, wie mit ärztlichen Diagnosen bei Menschen in besonders verantwortungsvollen Berufen wie Piloten umgegangen werden müsse. In den Tagen nach dem Flugzeugabsturz vom vergangenen Dienstag mit 150 Toten war die Situation des Co-Piloten in den Fokus gerückt. Ihm wird vorgeworfen, die Maschine absichtlich in den Sinkflug gesteuert und so zum Absturz gebracht zu haben.
Laut der "Rheinischen Post" bildete die Düsseldorfer Polizei zudem eine Sonderkommission mit dem Namen "Alpen", die aus mehr als hundert Beamten besteht. Diese soll die Lebensumstände des Co-Piloten ermitteln sowie in ganz Deutschland Indizien sammeln, um die mehr als 70 deutschen Opfer des Unglücks zu identifizieren. Polizeisprecher Andreas Czogalla sagte der Zeitung, es handle sich um einen der größten Ermittlungseinsätze seit Jahrzehnten. "Die Kollegen sind extrem gefordert."
Medizinischer Zusatzvermerk in Piloten-Akte
Zudem soll es einen medizinischen Zusatzvermerk in den Lizenz-Akten des Germanwings-Co-Piloten beim Luftfahrtbundesamt (LBA) gegeben haben, von dem die Lufthansa allerdings keine Kenntnis hatte. Das berichtet die "Welt" unter Berufung auf Unternehmenskreise. Das LBA hatte in der vergangenen Woche Medienberichten zufolge bestätigt, dass bei ihm eine Pilotenlizenz und ein Tauglichkeitszeugnis des Unglücks-Piloten Andreas L. vorlägen. Darin gebe es den Hinweis "SIC", der auf eine regelmäßige medizinische Untersuchung hinweise.
Genaues zu den zugrundeliegenden Diagnosen gehe aus Gründen des Datenschutzes aus den LBA-Unterlagen allerdings nicht hervor. Das bleibe allein in der Verantwortung der Ärzte. Dem Bericht zufolge müsste der entsprechende Hinweis auf die medizinischen Untersuchungen auch in dem "Medical" genannten medizinischen Tauglichkeitszeugnis vermerkt sein, das die Fluggesellschaft "auf jeden Fall erhalten soll". Aktuell jedoch wollten sich weder LBA noch Lufthansa wegen der laufenden Ermittlungen dazu äußern.
Zweiter Flugschreiber soll neue Erkenntnisse liefern
Den Daten des Stimmrekorders der verunglückten Maschine zufolge war der Co-Pilot zum Zeitpunkt des Absturzes allein im Cockpit. Bestätigt ist, dass er für den Tag des Flugs eigentlich krank geschrieben war, die Erkrankung aber seinem Arbeitgeber verheimlicht hatte. Die Fahnder suchten zudem nach Hinweisen auf ein psychisches Leiden. Allerdings fanden sie bislang weder einen Abschiedsbrief noch ein Bekennerschreiben. Für Berichte, wonach der Co-Pilot an starken psychischen Problemen und auch Sehstörungen gelitten haben soll, war bislang keine Bestätigung der Behörden zu erhalten.
Weitere Aufklärung erhoffen sich die Ermittler vom zweiten Flugschreiber, der von den Bergungskräften weiterhin im ausgedehnten Trümmerfeld gesucht wird. "Er wurde immer noch nicht gefunden", sagte Staatsanwalt Brice Robin.
Bau einer Behelfsstraße angelaufen
Die darauf gespeicherten Flugdaten sollen Aufschluss darüber geben, was an Bord des Germanwings-Airbus geschah. Lufthansa-Manager Kay Kratky verwies am Sonntagabend auf eine mögliche Beschädigung des Geräts. Das Flugzeug sei mit Tempo 800 und damit mit unvorstellbarer Wucht an dem Bergmassiv nordöstlich von Marseille zerschellt, sagte Kratky in der ARD-Talkshow "Günther Jauch". "Es könnte sein, dass die Belastung hier zu groß war und er keine Signale sendet."
Derweil wird die Suche nach Opfern fortgesetzt. Gleichzeitig wird ein Weg ins Absturzgebiet in der Nähe des Örtchens Seyne-les-Alpes geschaffen. Der Zugang könnte Montagabend fertig sein und soll vor allem ermöglichen, schwereres Bergungsgerät in die Region zu bringen. Bisher werden Ermittler und Bergungskräfte tagsüber mit Hubschraubern in das unwegsame Gebiet gebracht. Die Bergung der Toten hat absoluten Vorrang, sagte Staatsanwalt Brice Robin.