Zoff um Heiligsprechung Papst-Plan erzürnt Indianer in den USA
Für Papst Franziskus ist er ein Heiliger, für die Nachfahren der nordamerikanischen Ureinwohner ist die geplante Würdigung von Junípero Serra eine Provokation: Der Franziskanermönch, der im 18. Jahrhundert den Katholizismus nach Kalifornien brachte, ist eine umstrittene Figur. Vor der USA-Reise von Papst Franziskus im September sorgt die angekündigte Heiligsprechung des Missionars für mächtig Zündstoff.
"Wir wehren uns entschieden dagegen, dass der Mörder unseres Volks und unserer Kultur in den Heiligenstand erhoben wird", sagte Toypurina Carac, Sprecher des Volks der Kizh Gabrieleño im Großraum Los Angeles. "Es überrascht uns sehr, dass ein moderner, fortschrittlicher Papst wie Franziskus so etwas vorantreibt, ohne seine Hausaufgaben in Bezug auf die Geschichte Serras und sein wahres Erbe zu machen."
"Großer Verkünder des Evangeliums"
Der spanische Pater hatte 1769 in San Diego die erste von insgesamt neun christlichen Missionen im heutigen US-Bundesstaat gegründet, um die Indianer zum katholischen Glauben zu bekehren. Serra starb 1784 im Alter von 70 Jahren im kalifornischen Carmel. Papst Johannes Paul II. sprach ihn 1988 selig. Mitte Januar kündigte Franziskus an, den "großen Verkünder des Evangeliums" während seiner USA-Reise in das Verzeichnis der Heiligen aufzunehmen.
Für die Nachfahren der indigenen Einwohner Kaliforniens ist Serra jedoch alles andere als eine heilige Figur. Ron Andrade, Leiter des Museums für die amerikanischen Ureinwohner in Los Angeles, gibt zwar zu, dass Serra selbst niemanden umgebracht habe. Dennoch sei er verantwortlich für den "Völkermord" an den Ureinwohnern. Eine Online-Petition gegen die Heiligsprechung Serras hat bereits mehr als 3000 Unterstützer gefunden. Der Missionar stehe für die "Ausbeutung, Unterdrückung, Versklavung und den Genozid an tausenden indigenen Kaliforniern", heißt es in dem Aufruf.
Johannes Paul II. bat um Entschuldigung
Der Erzbischof von Los Angeles, José Gómez, verteidigt die Pläne des Papstes als "Geschenk für Kalifornien und Amerika". Zwar räumt er ein, dass die Heiligsprechung vergangenes Unrecht während der Missionierung und Kolonialherrschaft ins Gedächtnis rufe. Gleichzeitig verweist er aber auf die Erklärung von Papst Johannes Paul II., der die amerikanischen Indianervölker 1992 um Entschuldigung bat für das Leid, das ihnen damals angetan wurde.
Nach Einschätzung des Geschichtsprofessors Steven Hackel war Serra bereits zu Lebzeiten "eine umstrittene Figur". Er sei jähzornig und stur gewesen. "Wenn er glaubte, dass etwas richtig sei, war er davon überzeugt, dass es Gottes Plan sei", sagt Hackel, der an der Universität Riverside lehrt. Für die Ureinwohner habe das Leben in den Missionen einen Verlust ihrer Freiheit bedeutet. Die Indianer seien gezwungen worden, eine fremde Sprache zu lernen, viele seien zwangsverheiratet worden. Viele Ureinwohner seien den von den Europäern eingeschleppten Krankheiten zum Opfer gefallen, sagte Hackel.
Missionen waren "Todeslager"
Die katholischen Missionen seien wahre "Todeslager" gewesen, urteilt der Autor Elías Castillo, der ein Buch über die Versklavung der Indianer in Kalifornien geschrieben hat. Zehntausende seien wegen Misshandlung, Krankheiten oder Unterernährung gestorben. Es sei Serra gewesen, der entschieden habe, die Indianer "zu versklaven".
Serra-Biograf Gregory Orfalea beurteilt das Vermächtnis des Geistlichen positiver. Der Pater habe die Indianer oft gegenüber den Autoritäten der spanischen Kolonialmacht verteidigt. Der dramatische Rückgang der Indianer Kaliforniens um 80 Prozent sei erst Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgt, als viele von ihnen während des Goldrauschs von weißen Siedlern getötet wurden.
"Alle haben eine Meinung über Serra", erklärt Hackel. Kirche und Indianer müssten sich endlich an einen Tisch setzen und "offen über die Vergangenheit sprechen". Beim Besuch des Papstes im September wird es wohl nicht dazu kommen, denn Kalifornien steht nicht auf dem Reiseplan des Pontifex.