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COP28: Klimaforscher Mojib Latif sieht keinen Erfolg – "Lächerlich"


Interview
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Klimagipfel in Dubai
"Das ist doch Wahnsinn"

InterviewVon Camilla Kohrs

Aktualisiert am 14.12.2023Lesedauer: 5 Min.
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COP-Präsident Sultan al-Dschaber (M.): Laut dem Klimaforscher Latif sind die ölreichen Länder die Gewinner des Klimagipfels. (Quelle: Peter Dejong/dpa)

In Dubai hat die Welt eine Abkehr von den fossilen Energien beschlossen. Ein Grund zum Jubeln? Klimaforscher Mojib Latif sieht das anders.

Seit fast 30 Jahren will die Weltgemeinschaft auf Klimakonferenzen die Erderwärmung in den Griff bekommen. Erst in diesem Jahr gelang es, den Haupttreiber der Klimakrise, die fossilen Brennstoffe, in einem Beschluss zu erwähnen. Manche, wie Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und der Vorsitzende der Klimakonferenz, Ölkonzernchef Sultan Ahmed al-Dschaber, feierten den Beschluss als großen Erfolg.

Mojib Latif, einer von Deutschlands prominentesten Klimaforschern, sieht das gänzlich anders. Im Gespräch mit t-online erklärt er, warum er das Ergebnis enttäuschend findet, welche Schritte es nun brauche und weshalb er das 1,5-Grad-Ziel kritisch sieht.

t-online: Herr Latif, al-Dschaber spricht von einem historischen Ergebnis, Baerbock soll gesagt haben, ihr falle ein Stein vom Herzen, dass "die Welt das Ende des fossilen Zeitalters beschlossen hat". Stimmen Sie in den Jubel ein?

Mojib Latif: Definitiv nicht. Das sind nur windelweiche Ankündigungen und Unverbindlichkeiten, die im Abschlussdokument stehen. Das, was Frau Baerbock stellvertretend für Deutschland und viele andere Länder eigentlich wollte, der klare Ausstieg von fossilen Brennstoffen, ist im Abschlussdokument nicht enthalten. Insofern ist es für mich absolut enttäuschend. Ich habe es aber auch nicht anders erwartet.

Weshalb nicht?

Die Tatsache, dass die Konferenz in Dubai stattgefunden hat, dass ein Ölmanager wie al-Dschaber den Vorsitz innehatte, das waren alles keine guten Vorzeichen. Und wenn sich fast 200 Länder treffen und sich auf etwas einigen sollen, kann man ohnehin keinen großen Wurf erwarten. Dass die Vertreter nun von einem Durchbruch sprechen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir so gut wie keinen Schritt näher an das Erreichen der Pariser Klimaziele gekommen sind.

Wer geht als großer Gewinner aus dem Gipfel?

Alle die Länder, die große Vorkommen an fossilen Brennstoffen wie Öl haben. Denn der Beschluss lässt jede Menge Hintertürchen ...

Ein solches Hintertürchen, auf das ölreiche Staaten besonders gedrängt haben, sind die CCS-Methoden, um ausgestoßenes CO2 einzufangen und zu speichern.

Diese Technologien gibt es zwar, aber sie sind noch lange nicht in einem Maße einsetzbar, dass sie wirklich einen nennenswerten Einfluss hätten. Abgesehen davon sind sie sehr teuer. Letzten Endes sind sie eine Ausrede dafür, dass die Ölstaaten so weitermachen können wie bisher und sagen können: "Na ja, uns fällt schon etwas ein." Es ist das gleiche wie mit der Atomkraft. Man hat immer gesagt, irgendwann werde es schon eine Lösung für den Atommüll geben. Die gibt es aber bis heute nicht. Es wäre effizienter und auch kostengünstiger, jetzt systematisch auf die erneuerbaren Energien umzustellen, anstatt krampfhaft an den alten Technologien festzuhalten.

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(Quelle: APress/imago-images-bilder)

Zum Gesprächspartner

Mojib Latif ist mehrfach ausgezeichneter Meteorologe, Klimaforscher und Ozeanograph. Er ist langjähriger Professor, seit 2020 Seniorprofessor, an dem renommierten Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Sein neuestes Buch ist 2022 erschienen und trägt den Titel: "Countdown. Unsere Zeit läuft ab – was wir der Klimakatastrophe noch entgegensetzen können."

Hätte es denn einen Unterschied gemacht, wenn der Ausstieg nun im Abschlussdokument festgehalten worden wäre? Bislang war es doch so: Auf den Klimagipfeln werden Beschlüsse getroffen, in der Umsetzung aber hapert es gewaltig.

Es wäre ein wichtiges Signal gewesen. Aber an sich stimmt das: Seitdem sich die Welt in Paris 2015 darauf verständigt hat, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad und möglichst 1,5 Grad zu begrenzen, sind die Emissionen weltweit weiter gestiegen, trotz des Abkommens. In diesem Jahr haben wir einen historischen Höchststand bei den fossilen CO2-Emissionen. An dieser Stelle ist das bei den Klimakonferenzen so gern gebrauchte Wort "historisch" tatsächlich angebracht.

Auch im diesjährigen Abschlusspapier sind die 1,5 Grad erneut als Ziel definiert. Sie kritisieren das schon seit Langem.

Es ist einfach unrealistisch, und das war auch schon 2015 klar. Wir stehen heute etwa bei 1,2 Grad. Die 1,5 Grad sind damit außer Reichweite. Denn das Klima ist träge, das heißt: Selbst wenn wir ab heute keine Treibhausgase mehr ausstoßen, wird es sich erst einmal um einige Zehntelgrad weiter erwärmen. Auch die Weltwirtschaft wird sich nicht von heute auf morgen umstellen können. Das braucht Jahrzehnte. Die Konferenz hat doch gerade gezeigt, wie schwer es ist, zu irgendeinem Ergebnis zu kommen. Wir sollten uns stattdessen auf das Zwei-Grad-Ziel fokussieren. Aber auch dafür braucht es nun ein viel höheres Tempo, als es bei der Klimakonferenz vorgelegt wurde.

Wie würde denn eine zwei Grad wärmere Welt aussehen?

Wir sehen ja jetzt schon viele Auswirkungen, allein dieses Jahr war ein Jahr der Extreme. Die Dürre und die Überflutungen in Südeuropa, Kanada hatte die größten Waldbrände aller Zeiten. Viele Dinge werden dann noch mit einer ganz anderen Wucht kommen, wie der Meeresspiegelanstieg. Der wird sich immer weiter beschleunigen. Das ist keine schöne Welt. Aber man muss auch ehrlich sein: Unter zwei Grad werden wir es nicht schaffen.

Sie haben bereits betont, dass Sie von den Konferenzen keine großen Würfe erwarten. Wie könnte denn ein tatsächlicher Fortschritt gelingen?

Ja, die Klimakonferenzen sind völlig überdimensioniert. Ein Treffen mit fast 100.000 Teilnehmern, das ist doch Wahnsinn. Es bräuchte ein kleineres Format. Es ist nur eine Handvoll Länder, die den Löwenanteil an den CO2-Emissionen ausmachen. Wenn sich allein China, die USA, Indien und die EU, die für 60 Prozent verantwortlich sind, auf konkrete Schritte einigen würden, wäre schon viel gewonnen. Als ein zentrales Land sehe ich Indien.

Können Sie das ausführen?

Indien ist das bevölkerungsreichste Land und hat derzeit einen relativ niedrigen Pro-Kopf-Ausstoß von Emissionen, weil viele Teile des Landes noch nicht weit entwickelt sind. Es wäre an Dramatik kaum zu überbieten, wenn Indien nun den gleichen Weg wie die Industriestaaten oder China ginge. Dann würde das Land schnell zum größten Emittenten weltweit werden, und das restliche CO2-Budget, was uns noch bleibt, wäre schnell aufgebraucht. Dann können wir jedes Klimaziel vergessen.

Was für konkrete Angebote könnten denn Staaten wie Deutschland Indien machen, damit das nicht passiert?

Indien könnte eine Art Modellregion werden für erneuerbare Energien. Derzeit aber stemmt das Land sein Wachstum hauptsächlich über Kohle, also dem schlimmsten fossilen Brennstoff. Nun können die Industriestaaten nicht einfach sagen "Indien darf kein CO2 mehr ausstoßen". Es braucht Angebote, wie Technologietransfer, und auch finanzielle Anreize. Sonst ist das nur schwer zu vermitteln. Denn es ist doch so: Die Industriestaaten inklusive China haben ihren Wohlstand auf Kosten der Umwelt geschaffen. Jetzt ist die Atmosphäre randvoll, andere Lösungen müssen her. Nicht nur für Indien, sondern auch viele andere Staaten.

Viele ärmere Staaten fordern schon lange, dass der Westen mehr Verantwortung übernehmen müsse. In Dubai hat nun Deutschland gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten 200 Millionen Dollar für einen Entschädigungsfonds bereitgestellt, von dem ärmere Staaten profitieren sollen, die besonders von der Klimakrise betroffen sind.

Auch das wurde wieder Durchbruch genannt. Dabei ist es eine reine Selbstverständlichkeit, die zu entschädigen, die für die globale Erwärmung nichts können, aber am meisten davon betroffen sind. Die Finanzmittel sind außerdem viel zu gering. Man darf nicht vergessen: Allein die Ahrtal-Flut 2021 hat in Deutschland einen Schaden von 30 Milliarden Euro verursacht. Und nun sprechen wir über ein paar Hundert Millionen. Das ist geradezu lächerlich.

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Das klingt alles sehr düster. Auf der Konferenz wurden noch andere Punkte beschlossen, wie der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien und Schritte zur Reduzierung des Klimagases Methan. Lässt sich daraus ein Hoffnungsschimmer ziehen?

Das sind natürlich sinnvolle Schritte. Methan zu reduzieren, ist relativ einfach, dadurch kann man sich etwas Zeit kaufen. Ebenso die erneuerbaren Energien: Darauf haben sich schon die G20-Staaten verständigt. China hat da eine unglaubliche Dynamik entwickelt. Das alles aber ändert nichts daran, dass wir an die fossilen Energien ran müssen. Sonst kommen wir einfach nicht weiter.

Herr Latif, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Mojib Latif am 13. Dezember 2023
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