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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Falschparker verurteilt Weshalb ein Autofahrer für 28 Taxis zahlen muss
Dämlich zu parken kann teuer werden. In Frankfurt hat das Landgericht entschieden, dass ein Autofahrer den Einsatz von 28 Taxen übernehmen muss.
Echte Frankfurter kennen nur eine Bedeutung des Autokennzeichens “OF” der Nachbarn aus Offenbach: ohne Führerschein. Daran dürften die Menschen auch gedacht haben, als im Frankfurter Stadtteil Oberrad Schluss war für die Straßenbahn aus Richtung Offenbach. Wegen eines Pkw auf der „Offenbacher Landstraße“ ging für die die Tramlinie 16 stadteinwärts nichts mehr. Oder wie die Juristen festhielten: Der „bestimmungsgemäße Gebrauch der (...) Straßenbahnschienen war an der Stelle (...) vollständig aufgehoben“.
Das grundsätzliche Problem kennen etliche Verkehrsbetriebe in Deutschland, selten werden aber so spektakuläre Folgen bekannt. Die Verkehrsgesellschaft kann die Kosten von 28 Taxis vom Verursacher zurückfordern. Das hat das Landgericht Frankfurt rund vier Jahre nach dem Fall in einem nun veröffentlichten Urteil entschieden. Es stritten Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) und Versicherung des Autofahrers, faktisch ging es aber auch um die Rechte der Fahrgäste an dem laut Wetteraufzeichnungen kühlen und regnerischen Abend. Dass die VGF die Taxis zu Hilfe rief, war nicht unangemessen, entschieden die Richter.
Taxis fuhren entlang der Haltestellen
Die Taxis sammelten an den Haltestellen Wartende auf und fuhren sie zu anderen Stopps entlang der Strecke. Eine Stunde lang ging das so, dann war das unweit eines Schildes "Bitte genügend Seitenabstand zum Gleis halten" geparkte Auto abgeschleppt und die Trasse wieder frei. Diese interaktive Ansicht bei Google Street View zeigt den Ort.
Als die VGF dann 973,13 Euro forderte, waren davon 25 Euro Aufwandspauschale – und der Rest die Kosten für die Schienenersatzverkehr-Taxis. Manipulationen durch das Taxigewerbe schloss das Gericht nach Zeugenvernehmungen aus, Trödeln beim Abschleppen konnte das Gericht auch nicht erkennen.
Die Versicherung des Autofahrers versuchte noch, mit „höherer Gewalt“ und den Beförderungsbedingungen ums Zahlen herumzukommen. Bei höherer Gewalt gebe es keine Pflicht mehr, den in der Patsche sitzenden Reisenden weiterzuhelfen, die Kosten seien also selbstverschuldet. Die Richter des Landgerichts waren aber nicht bereit, in dusseligen Autofahrern höhere Gewalt zu sehen: „Derartige Eingriffe in den Betrieb einer Straßenbahn sind (...) nicht ungewöhnlich und auch nicht unvorhersehbar.“
Beinahe täglich blockierte Trassen
Das können Straßenbahnbetreiber landauf, landab nur bekräftigen. Bei den Verkehrsbetrieben Karlsruhe etwa komme es quasi täglich vor, dass der Tram ein Fahrzeug im Weg steht. „Meist aber nur kurz, dank der Bimmel“, sagt ein Sprecher. Taxen kommen dort ebenso nicht zum Einsatz wie bei der Ruhrbahn. „Das wäre nur denkbar, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht“, so ein Sprecher in Essen. Busse sind ein „milderes Mittel“. Sie mussten 2017 fast in jedem zweiten Fall der 154 Blockaden durch Falschfahrer einspringen.
Die Münchner Verkehrsgesellschaft greift dagegen auch auf Taxis zurück, wenn mal nichts mehr geht. 200 Mal im Jahr muss sie Ersatzverkehr einrichten, gezahlt werde von den Verursachern meist ohne Rechtsstreit, heißt es aus der Pressestelle.
In Berlin sind es pro Monat rund 20 größere Störungen für die Tram durch Fahrzeuge. Auf hellbeige Auto-Verstärkung greift die BVG dann selten zurück. “Durch die gute Zusammenarbeit mit Polizei, Behörden und Abschleppdiensten sind die Störzeiten in den meisten Fällen relativ kurz“, so ein Sprecher zu t-online.de. In den vergangenen Jahren sei durchschnittlich rund 15 Minuten Störzeit pro Vorfall registriert worden.
In Dresden werden „Taxis nur in ganz verkehrsschwachen Zeiten“ beauftragt, heißt es von den Dresdner Verkehrsbetrieben. „Dann ist ihr Einsatz für eine überschaubare Personenanzahl günstiger als ein Ersatzbus.“ Das Frankfurter Urteil hat der Dresdner ÖPNV-Anbieter gerne gelesen: „Es stärkt grundsätzlich unsere Rechtsauffassung, gegenüber Verursachern solcher Verkehrsstörungen Schadenersatz geltend zu machen.“
Doch wann und wieso springen Versicherungen für die Folgen dämlichen Parkens ein? Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft spricht von Einzelfallentscheidungen. "Es geht auch nicht um die Abschleppkosten, die werden nicht übernommen." Übernommen würden unter Umständen wie in diesem Fall mittelbare Kosten. Mittelbare Kosten könnten etwa auch entstehen, wenn durch einen Falschparker eine Flugreise nicht angetreten werden kann.