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Dürre in Südeuropa: Werden Lebensmittel in Deutschland jetzt noch teurer?


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Dürre in Südeuropa
Jetzt droht die nächste Welle von Preiserhöhungen


Aktualisiert am 27.04.2023Lesedauer: 5 Min.
Frau in Supermarkt: Bei den Olivenöl-Preisen macht sich die Dürre in Spanien bereits bemerkbar.Vergrößern des Bildes
Frau im Supermarkt: Bei den Olivenöl-Preisen macht sich die Dürre in Spanien bereits bemerkbar. (Quelle: YAY Images/imago-images-bilder)

Südeuropa leidet unter Dürre – und das im April. Deutsche werden die anhaltende Trockenheit vor allem im Geldbeutel spüren. Steigende Preise sind nur eine Frage der Zeit.

Erdbeeren aus Spanien, Wein aus Frankreich, Parmesan aus Italien – in deutschen Supermärkten ist das ganz normal. Doch wie lange noch – und zu welchem Preis?

Die Mittelmeerregion ist von der Klimakrise stärker betroffen als der globale Durchschnitt. In Spanien, Frankreich und Italien merken das die Anwohner zurzeit besonders: Es herrscht Dauerdürre. Fatal ist das vor allem für die Bauern. Denn für sie steht mehr auf dem Spiel als der Absatz ihrer Produkte in Deutschland.

Am vergangenen Donnerstag veröffentlichte der Klimawandel-Dienst des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus seinen jährlichen Bericht. Das beunruhigende Ergebnis: Zwei Drittel Europas waren 2022 von einer enormen Dürre betroffen.

Und auch für 2023 zeichnet sich eine schwierige Lage ab. Die Böden insbesondere in Südeuropa seien weiterhin unglaublich trocken, sagte Vizedirektorin Samantha Burgess. Das werde Folgen haben, falls es im Frühjahr nicht "bedeutenden Niederschlag" gebe. Sinkende Ernteerträge seien wahrscheinlich.

Spanien: "Irreversible Verluste" auf Millionen Hektar Feldern

Im Osten und Süden Spaniens leuchtet die Dürre-Karte aktuell knallrot. 60 Prozent des Landes seien betroffen, meldete der wichtigste spanische Bauernverband Coordinadora de Organizaciones de Agricultores y Ganaderos (COAG). In den wichtigsten Anbauregionen Andalusien, Kastilien-La Mancha, Extremadura und Murcia werden die Ernten von Weizen und Gerste wahrscheinlich ganz ausfallen. Auf mehr als 3,5 Millionen Hektar Feldern gebe es "irreversible Verluste". Das entspricht in etwa der Fläche von Baden-Württemberg.

Die COAG warnte: Wenn es in den nächsten Wochen nicht regne, seien auch die Auswirkungen auf Nüsse, Weinreben und Oliven fatal. Die Ernten bei Mais, Sonnenblumen, Reis und Baumwolle seien ebenso gefährdet.

"Es gibt keinen Plan B"

Der Verband rechnet für die laufende Saison mit Ernteausfällen oder -einbußen in Höhe von 60 bis 80 Prozent, erklärte Javier Fatas, Leiter des Bereichs Wasser und Umwelt bei der COAG. "Es gibt keinen Plan B", sagte er. Einige Anbauprodukte seien auf Regenwasser angewiesen, darunter Getreide, Mandeln und Weintrauben. Andrés Góngora, Leiter des Bereichs Obst und Gemüse, formulierte bildlich: "In diesem Jahr wird es leider keine grünen Triebe geben, sondern viele rote Zahlen."

Am Montag beantragte Spaniens Regierung EU-Notfallhilfen. So soll den Bauern zumindest finanziell schneller geholfen werden. Denn dass sich die Situation in den nächsten Wochen verbessert, sei unwahrscheinlich, sagte zuletzt auch ein Sprecher des nationalen Wetterdienstes: "Diese Dürre ist wahrscheinlich die intensivste seit den 1960er-Jahren", so Rubén del Campo.

Streit um den Erdbeeranbau

Diese Warnung ist auch bei Premierminister Pedro Sánchez angekommen. Er bezeichnete die Dürre als eine der größten langfristigen Sorgen des Landes. Denn der Wassermangel führt auch immer mehr zu Konflikten, wie sich aktuell an der spanischen Erdbeere zeigt.

Viele der Anbaugebiete grenzen an den Nationalpark Doñana im Südwesten des Landes. Das Feuchtgebiet trocknet ohnehin immer weiter aus, und der Erdbeeranbau verschlingt Unmengen an Wasser – 300 Liter pro Kilo Frucht gibt die Umweltschutzorganisation WWF an. Viele der Felder stehen mit dem Nationalpark in direkter Konkurrenz um das Wasser, sie werden illegal bewässert.

Die Regionalregierung Andalusiens aber will den illegalen Anbau legalisieren – ein Wahlkampfgeschenk vor den Kommunalwahlen im Mai. Doch auch nationale Wahlen stehen noch in diesem Jahr an. Premierminister Sánchez hat das Thema ebenfalls für sich entdeckt. Er droht mit dem Gang vor das Verfassungsgericht. "Doñana wird nicht angefasst!", so sein Credo. Eine Lösung? Nicht in Sicht.

Frankreich: Beten für Regen

Im Nachbarland Frankreich war bis zuletzt die "Winterdürre" in aller Munde. Inzwischen ist der Winter zwar vorbei, die Dürre aber ist geblieben. Auch wenn es im März endlich regnete – es war zu wenig. Die französischen Behörden befürchten, dass dem Land ein zweiter Dürresommer bevorsteht.

In vier südfranzösischen Kommunen kann das Leitungswasser schon jetzt nicht mehr an den üblichen Bohrstellen entnommen werden, die Grundwasserspiegel sind infolge der Trockenheit zu stark gesunken. Stattdessen werden nun Brunnen für die Landwirtschaft genutzt. Die Folge: Das Wasser darf nicht mehr getrunken werden.

In der Region Alpes-Maritimes an der Grenze zu Italien dürfen Bäuerinnen und Bauern nur noch nachts, von 20 Uhr bis 8 Uhr morgens, ihre Felder bewässern. In Perpignan nahe der spanischen Grenze nahmen Mitte März rund 1.000 Landwirte an einer Prozession teil, um den Schutzheiligen St. Gauderique um Regen zu bitten. Das hatte es seit 200 Jahren nicht mehr gegeben. Aber in der Region hatte es sogar 50 Tage lang nicht geregnet; schon Anfang Februar – extrem früh im Jahr – hatte ein Waldbrand dort 60 Hektar Vegetation vernichtet.

Wasserkonflikt endet mit Molotowcocktails und Gummigeschossen

In Westfrankreich eskalierte Ende März der Konflikt ums Wasser: In Sainte-Soline wurden mindestens 30 Menschen verletzt, als Tausende gegen ein geplantes Wasserreservoir für die Landwirtschaft protestierten. Die Gegner kritisieren, die Agrarindustrie reiße in Zeiten der Klimakrise das Wasser an sich. Molotowcocktails und Feuerwerkskörper flogen auf Polizisten, die Polizei reagierte mit Gummigeschossen, Tränengas und Granaten. Die Politik machte radikale Linke verantwortlich. Noch immer schwebt ein Umweltaktivist in Lebensgefahr.

Der Wassermangel hat mittlerweile auch Präsident Emmanuel Macron auf den Plan gerufen. "Nichts deutet darauf hin, dass sich die Situation verbessern wird", sagte er kürzlich. Die Klimakrise bedeute für das Land, dass bis 2050 etwa 30 bis 40 Prozent weniger Wasser zur Verfügung stünden. Er rief daher zum Wassersparen auf – und will dafür auch an den Preisen drehen.

Italien: Parmesan und Parmaschinken in Gefahr?

Auch Italien rüstet sich für das zweite Dürrejahr in Folge. Experten zufolge sind die Bedingungen aktuell noch härter als 1989/90, als das Land die letzten zwei aufeinanderfolgenden Dürren erlebte. Es herrsche ein Wassermangel von 30 Prozent, im Norden sogar von 40 Prozent, berichtete der Agrarverband Coldiretti Ende Februar. In der wichtigsten Anbauregion des Landes, der Emilia-Romagna, sorgten sich die Landwirte daher, langfristig ihre traditionellen Anbauprodukte wie Mais und Soja aufgeben zu müssen.

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Und auch die berühmten italienischen Spezialitäten dürften leiden: Der Wassermangel bedroht den Anbau von Tierfutter für Kühe und Schweine – die wiederum die Milch für Parmesan und das Fleisch für den Parmaschinken liefern.

Video | Rekord-Dürre bedroht Urlaubssee
Quelle: Glomex

Das Kabinett von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni verabschiedete Anfang April ein Dekret zur Dürre-Bekämpfung und setzt unter anderem auf Stauseen, Regenwasser-Sammelbecken und Meerwasserentsalzung. Zudem hat sie der bröckelnden Infrastruktur den Kampf angesagt. Bis zu 50 Prozent des Wassers würden durch Lecks in Leitungen verloren gehen.

Wann kommt die Dürre auf dem Preisschild an?

Italien, Frankreich und Spanien: Alle drei Länder finden sich in den Top Ten der wichtigsten Lieferländer für Lebensmittel in Deutschland. Die Dürre wird sich absehbar also auch in den deutschen Supermärkten bemerkbar machen. Wie stark, wird sich noch zeigen; Prognosen sind selbst für Experten schwierig, die Preisbildung ist komplex.

Einen Vorgeschmack könnte aber ein Produkt liefern, das bei vielen regelmäßig in der Pfanne oder auf dem Salat landet: das Olivenöl.

Die EU ist der größte Produzent der Welt, fast die Hälfte des europäischen Olivenöls kam in der Saison 2022/23 aus Spanien. Dürre und Ernteausfälle ließen die Produktion allerdings deutlich unter den Durchschnitt sinken. Denn obwohl Olivenbäume eigentlich in heißen und trockenen Klimazonen heimisch sind, leiden sie unter den extremen Bedingungen der letzten Monate.

Darauf weist auch das Analyseunternehmen Mintec hin. Seit vergangenem Juni sei der Rohstoffpreis für spanisches Olivenöl bereits um fast 60 Prozent gestiegen, so Analysen aus Großbritannien. Die nächste Ernte steht zwar erst im Oktober an, doch sollte sich das Wetter bis dahin nicht drehen, rechnen sie mit einem Einbruch von mindestens 30 Prozent. Eine Trendumkehr beim Preis ist daher nicht abzusehen.

Für deutsche Verbraucher sind das schlechte Nachrichten. Im März dieses Jahres war Olivenöl hierzulande nach Angaben des Statistischen Bundesamts bereits 20 Prozent teurer als im Vorjahresmonat. Und sollte die Dürre anhalten, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch bei anderen Produkten die Preise steigen werden.

Verwendete Quellen
  • apnews.com: "Drought will cause crop failures in Spain, farmers warn" (Englisch)
  • apnews.com: "Spain’s Sánchez warns drought now a major national concern" (Englisch)
  • apnews.com: "Spain: Long-term drought to bring more heatwaves, widlfires" (Englisch)
  • apnews.com: "Italy, France confront 2nd year of western Europe drought" (Englisch)
  • blaetter.de: "'Wir können nur noch beten': Frankreich nach der Winterdürre"
  • monitordesequia.csic.es: "Drought indices dataset for Spain"
  • stern.de: "Zusammenstöße bei Protesten in Frankreich gegen Bau von Wasserreservoir"
  • zeit.de: "Ein bisschen Wasser für Tomaten, ein bisschen für Atomkraft"
  • trademap.org: Bilateral Trade between Germany and Spain/France/Italy
  • agridata.ec.europa.eu: Olive oil production
  • spiegel.de: "So teuer wird Olivenöl" (Bezahlangebot)
  • wsj.com: "Heat in Europe Is Driving Up Olive Oil Prices" (Englisch)
  • mintecglobal.com: "Olive Oil - Prices Remain High"
  • sueddeutsche.de: "Wo jede fünfte Erdbeere illegal wächst"
  • coag.chil.me: "La sequía asfixia ya al 60% del campo español y produce pérdidas irreversibles en más 3,5 millones de hectáreas de cereales de secano" (Spanisch)
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