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Gas-Krise: Deutschland auf dem Weg in die Mega-Katastrophe – oder?


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Tagesanbruch
Auf dem Weg in die Mega-Katastrophe

MeinungVon Florian Harms

Aktualisiert am 13.07.2022Lesedauer: 5 Min.
Gas-Empfangsstation der Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 in Mecklenburg-Vorpommern.Vergrößern des Bildes
Gas-Empfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 in Mecklenburg-Vorpommern. (Quelle: Jens Büttner/dpa)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

blättert, klickt oder zappt man sich in diesen Tagen durch die Medien, kann man den Eindruck bekommen, der Weltuntergang stünde bevor. Kommentatoren überbieten sich mit düsteren Prophezeiungen, in welches Unheil Deutschland hineinschlittert.

"Unser Land steht am Beginn einer Krise. Sie wird größer sein als die Krisen, die die allermeisten von uns Deutschen in ihrem Leben erfahren haben", orakelt die "Bild"-Zeitung und raunt: "Nur die Älteren erinnern sich noch an die Winter nach dem Krieg. Kalt war es. Die Kinder wärmten ihre Hände in löchrigen Manteltaschen an Kartoffeln, die die Eltern im Ofen erhitzt hatten. Wird es so weit kommen, wenn es im Winter an Gas fehlt?"

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Das "Handelsblatt" stimmt in den unheilschwangeren Chor ein: "Im schlimmsten Fall drohen Deutschland Katastrophenmonate, wie es sie seit dem sogenannten Hungerwinter 1946/1947 nicht mehr gegeben hat. Damals starben Zehntausende Deutsche an Kälte und Unterernährung." Auch auf Twitter, Facebook und Instadings tanzen die Schreckgespenster und malen Unheilsapostel den Teufel an die Wand: Achtung, Achtung, wir sind auf dem Weg in die Mega-Katastrophe! Da kann selbst der größte Optimist die Hoffnung verlieren.

Sind das berechtigte Warnungen oder Kassandrarufe? Keine Frage: Der Herbst wird hart, das haben wir im Tagesanbruch ebenfalls prophezeit, schon vor einem Monat übrigens. Die hohe Inflation und Putins Erdgasdrosselung, unterbrochene Lieferketten in Asien und abstürzende Börsenkurse, eine drohende Rezession, die Kriegsangst und dann auch noch Corona verquicken sich zu einer düsteren Gemengelage. Sie wird wehtun – erst recht, wenn der Sommer einem nasskalten Herbst weicht.

Trotzdem sollte man die Kirche im Dorf lassen. Weder muss in Deutschland jemand verhungern, noch erfrieren. Selbst wenn uns der Kremldespot den Gashahn komplett zudreht, lassen sich im Winter alle Wohnungen beheizen. Zudem läuft der Gasimport aus anderen Ländern an; und Industrie, Stromkonzerne und Privatleute verbrauchen 15 Prozent weniger Gas als im Vorjahr.

Auch lohnt es sich, einfach mal die Perspektive zu wechseln: Jahrelang haben die meisten Deutschen auf hohem Niveau gelebt. Während Südeuropäer unter den Folgen der Schuldenkrisen ächzten, in Nahost Kriege und in vielen Ländern Afrikas Hungersnöte wüteten, während die Briten sich im Brexit-Schlamassel verstrickten und Frankreich von Gelbwestenprotesten erschüttert wurde, ging es der Mehrheit hierzulande ziemlich gut. Die Wirtschaft brummte, die Arbeitslosigkeit fiel auf einen Tiefstand. Unterdessen stiegen Löhne und Renten und die Politiker verteilten großzügig Geschenke aus dem prallen Steuertopf.

Nun liegen zwei entbehrungsreiche Corona-Jahre hinter und ein harter Herbst vor uns. Gut möglich, dass Erdgas rationiert und die staatlichen Wohltaten eingeschränkt werden müssen. Zudem werden sich viele Leute nicht mehr alles leisten können, was sie sich gerne gönnen würden. Das ist nicht schön, bei Ärmeren kann es sogar richtig bitter sein. Doch bei einem nüchternen Blick auf die Zeitläufte sieht man schnell: Der Katastrophenchor in manchen Medien ist Panikmache.

Den Ältesten unter uns fällt es leichter, das zu erkennen: Wer tatsächlich den Zweiten Weltkrieg oder den Hungerwinter 1946/47 überlebt hat, weiß, was echte Entbehrung bedeutet. In Autobiografien und Romanen können auch Jüngere viel aus den Berichten unserer Vorfahren lernen. Das schärft den Blick fürs Wesentliche und hilft dabei, die Gegenwart angemessen einzuordnen. Aber es dauert eben länger, als ein paar schrille Kommentare zu lesen.


Hoher Besuch in Nahost

Während Wladimir Putin Waffendeals mit dem Iran schmiedet und eine Reise nach Teheran vorbereitet, bricht Joe Biden schon heute in den Nahen Osten auf: Der US-Präsident wird in Israel erwartet, wo er Gespräche mit Übergangspremier Jair Lapid führen will. Anschließend ist im Westjordanland ein Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geplant, denn der Nahostkonflikt verschärft sich wieder. Danach geht es weiter nach Saudi-Arabien, wo Biden am Gipfel des Golf-Kooperationsrats teilnimmt. Dort trifft er auch König Salman und dessen "Führungsteam". Zu dem gehört der Verbrecher Mohammed bin Salman, der sich "Kronprinz" nennt.

Spätestens hier wird die Mission richtig heikel: Vor seiner Wahl zum Präsidenten hatte Biden noch gesagt, dass das Königreich wegen der Ermordung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi wie ein "Pariastaat" behandelt werden solle. Als Amtsinhaber klingt er nun anders: Er werde sich darum bemühen, die "strategische Partnerschaft" mit Riad zu stärken und dabei gleichzeitig "den grundlegenden amerikanischen Werten" treu zu bleiben, säuselte er in der "Washington Post".

Am Ende geht es dem mächtigsten Mann der Welt nicht anders als Robert Habeck kürzlich in Katar: Angesichts der weltweiten Energiekrise muss er Kompromisse machen. Weil Biden vor den Kongresswahlen im November wegen der hohen Spritpreise unter Druck steht, wird erwartet, dass er auf eine Erhöhung der saudischen Ölproduktion dringt. Wie schrieb Bertolt Brecht? Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.


Tories machen Tempo

Boris Johnson hat es nicht eilig mit der Aufgabe seiner Ämter, seine Partei hingegen schon: Heute und morgen finden in der Tory-Fraktion die ersten beiden Abstimmungsrunden statt, um über seine Nachfolgerin als Parteivorsitzende und Premierministerin zu entscheiden (vielleicht wird es aber auch ein Mann). Die erste Runde übersteht nur, wer mindestens 30 Stimmen der 358 konservativen Abgeordneten im Unterhaus erhält. Am Ende des Auswahlprozesses bleiben zwei Kandidaten übrig; spätestens bis zum 5. September sollen dann die Parteimitglieder per Briefwahl bestimmen, wer von den beiden Johnsons Nachfolge antritt. Ja, die Briten mögen es gern kompliziert.

Unter den acht Männern und Frauen, die noch im Rennen um die Nachfolge des scheidenden Premierministers sind, gelten Ex-Finanzminister Rishi Sunak und Außenministerin Liz Truss als Favoriten. Chancen werden aber auch Handelsstaatssekretärin Penny Mordaunt und der früheren Staatssekretärin Kemi Badenoch eingeräumt. Die kennen Sie alle nicht? Macht nichts, die Briten spielen in Europa eh keine Rolle mehr.


Lehren aus der Flut

Morgen jährt sich die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen zum ersten Mal, bereits heute gibt Bundesinnenministerin Nancy Faeser eine wichtige Pressekonferenz. Schon im Bundestag hat sie als Konsequenz aus dem verheerenden Hochwasser einen "Neustart im Bevölkerungsschutz" und "intensive Investitionen" gefordert. Heute wird sie hoffentlich konkreter.

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Worüber staunen?

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Was amüsiert mich?

Ich wünsche Ihnen einen beschwingten Tag.

Herzliche Grüße

Ihr

Florian Harms
Chefredakteur t-online
E-Mail: t-online-newsletter@stroeer.de

Mit Material von dpa.

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