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Russland und die Nato: Die zerstörte Hoffnung von Paris


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Tagesanbruch
Die verlorene Hoffnung von Paris

MeinungVon Miriam Hollstein

Aktualisiert am 28.05.2022Lesedauer: 3 Min.
Moment der Euphorie: US-Präsident Bill Clinton, der russische Staatschef Boris Jelzin und Frankreichs Präsident Jacques Chirac (v.li.n.re.) nach der Unterzeichnung der Nato-Russland-Grundakte am 27. Mai 1997 in Paris.Vergrößern des Bildes
Moment der Euphorie: US-Präsident Bill Clinton, der russische Staatschef Boris Jelzin und Frankreichs Präsident Jacques Chirac (v.li.n.re.) nach der Unterzeichnung der Nato-Russland-Grundakte am 27. Mai 1997 in Paris. (Quelle: Picture Alliance)

Guten Morgen liebe Leserin, lieber Leser,

ich möchte Sie heute auf eine Zeitreise mitnehmen. Nach Paris. Was hier vor 25 Jahren (und einem Tag) geschah, ist aus heutiger Sicht unglaublich.

Am 27. Mai 1997 trafen sich Vertreter der Nato im Élysée-Palast mit dem russischen Präsidenten Boris Jelzin, um nichts Geringeres als eine Zeitenwende einzuleiten: die Unterzeichnung der Nato-Russland-Grundakte. Auf den historischen Fotos sehen wir viele alte Bekannte wieder: den damaligen Nato-Generalsekretär Javier Solana, Bundeskanzler Helmut Kohl, Frankreichs Präsident Jacques Chirac, den britischen Premier Tony Blair und US-Präsident Bill Clinton.

Auffällig ist die heitere, ja geradezu ausgelassene Stimmung, die auf allen Bildern zu spüren ist. So sieht man Spitzenpolitiker selten. Aber sie hatten auch allen Grund dazu: Nach Jahrzehnten des Kalten Krieges, der den ganzen Kontinent in Angst und Schrecken versetzt hatte, schien es endlich einen Durchbruch im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen zu geben. Statt Abschreckung wollte man Freundschaft und Zusammenarbeit wagen.

An diesem Tag gab Russland den Widerstand gegen die sogenannte Nato-Osterweiterung auf, also dagegen, dass das Bündnis nach dem Zerfall der Sowjetunion weitere Mitglieder aufnehmen wollte, darunter auch ehemalige Ostblockstaaten. Umgekehrt gestand die Nato Russland umfangreiche Wirtschaftshilfen und einen privilegierten Status in der Zusammenarbeit mit dem Bündnis zu. Die Unterzeichner verpflichteten sich zudem, die Souveränität und territoriale Integrität anderer Staaten zu achten.

Bill Clinton sprach hinterher davon, dass sich der "Schleier der Feindseligkeit" zwischen Ost und West gelüftet habe. Und Jelzin machte im Überschwang der Gefühle eine Bemerkung, die gut gemeint war, aber das Blut der Anwesenden gefrieren ließ (was er sagte, hören Sie in unserem Wochenend-Podcast im Original).

25 Jahre später ist von der damaligen Euphorie nichts übrig geblieben. Seit fast 100 Tagen führt Russland einen schrecklichen Krieg gegen die Ukraine. Die Konfrontation zwischen Ost und West ist mit einer Brutalität zurückgekehrt, die ich niemals für möglich gehalten hätte. All die Ängste, die meine Kindheit und Jugend begleitet haben, sind wieder hochaktuell. "I hope the Russians love their children, too", sang Sting 1985. Ich bin mir heute nicht mehr sicher, ob der russische Präsident Wladimir Putin dies tut.

War die damalige Hoffnung, Russland könnte einen anderen Weg einschlagen, naiv? Vielleicht. Aber hätten sich unsere Urgroßväter, die in den Schützengräben von Verdun lagen, jemals vorstellen können, dass wir dem französischen Nachbarn heute so eng und freundschaftlich verbunden sind? Dass wir unsere Kinder zu Schüleraustauschen zum einstigen Erbfeind schicken und umgekehrt?

Ende Juni treffen sich die Nato-Mitglieder zu ihrem Gipfel. Was die Aufnahme von Finnland und Schweden für die Nato bedeutet, was dort noch beschlossen werden soll und warum die Nato-Russland-Grundakte dabei so eine wichtige Rolle spielt, darüber hat unsere Moderatorin Lisa Fritsch mit t-online-Vizechefredakteur Peter Schink und mir gesprochen.

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Im Verlauf der großen Geschichte sind 25 Jahre nur ein Wimpernschlag. Mögen wir die Hoffnung nie verlieren, dass in einem weiteren Wimpernschlag alles wieder anders sein kann. Und die Welt wieder ein Ort, in dem die Ukrainerinnen und Ukrainer und wir alle in Frieden leben können.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Wenn Sie mögen, lesen wir uns Montagfrüh wieder.

Ihre

Miriam Hollstein
Chefreporterin im Hauptstadtbüro von t-online
Twitter: @HollsteinM

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