Terror in Londoner U-Bahn IS bekennt sich, London ruft höchste Warnstufe aus
Ein Knall und eine Stichflamme zerreißen die Routine des Berufsverkehrs in der britischen Hauptstadt. Menschen hasten in Panik aus der U-Bahn.
Eine in den Anschlag verwickelte Person ist laut dem Fernsehsender "Sky News" identifiziert. US-Präsident Trump behauptet, Ermittlern wären die Verdächtigen im Vorfeld bekannt gewesen – Scotland Yard dementiert. Am Abend reklamierte die IS-Terrormiliz den Anschlag für sich und Großbritannien rief die höchste Terrorwarnstufe aus.
"Die Fahndung läuft", sagte Bürgermeister Sadiq Khan. Unterstützt werden die Terror-Ermittlungen vom Inlandsgeheimdienst MI5. Fotos aus dem Zug zeigen einen weißen Plastikeimer mit Drähten als mutmaßlichen Sprengsatz – er war offenbar nicht vollständig explodiert. Er sei möglicherweise mit Hilfe eines Zeitzünders zur Explosion gebracht worden, meldete die BBC. Hunderte Beamte waren am Nachmittag damit beschäftigt, Videomaterial und andere Beweismittel auszuwerten.
Am Abend reklamiert die IS-Terrormiliz den Anschlag für sich. Ein Kämpfer des Islamischen Staates habe die Tat ausgeführt, meldete das IS-Sprachrohr Amak am Freitagabend im Internet. Kurz darauf erhöhte Premierministerin Theresa May die Terrorwarnstufe auf die höchste Stufe "kritisch", die signalisiert, dass möglicherweise ein Anschlag unmittelbar bevorstehen soll.
Zuvor hatte Premierministerin Theresa May den Opfern ihr Mitgefühl ausgesprochen und eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats einberufen. "Der Sprengsatz sollte enorme Schäden anrichten", sagte May in einer Fernsehansprache nach der Sitzung. Sie sprach von einem "feigen Angriff". Bürgermeister Khan schrieb: "Unsere Stadt verurteilt die widerwärtigen Individuen, die mit Terror versuchen, uns zu schaden und unsere Lebensweise zu zerstören."
Offenbar niemand in Lebensgefahr
Nach der Explosion waren in der U-Bahn und um die Metro-Station Parsons Green herum bewaffnete Polizisten mit Spürhunden im Einsatz. Die Station liegt im westlichen Zentrum der Millionenmetropole, nahe dem Stadion des Fußballclubs FC Chelsea. Passagiere mit schweren Verbrennungen und blutenden Verletzungen kamen aus der U-Bahn. Die Haltestelle wurde gesperrt, der Zugverkehr teilweise unterbrochen. Keiner der Verletzten sei aber in einer ernsten oder lebensgefährlichen Lage, hieß es in der Mitteilung des Londoner Rettungsdienstes.
Ein Sprecher der Feuerwehr sagte: "Wir sind um 08:21 Uhr gerufen worden und wurden über ein Feuer in einem Zug am Bahnhof Parsons Green informiert." Augenzeugen berichteten von einem lauten Knall und einer "Feuerwand" beziehungsweise einem "Feuerball" in der Bahn.
"Einige Menschen wurden umgestoßen und es wurde auf ihnen herumgetreten", sagte der Augenzeuge Richard Aylmer-Hall. Auf Twitter veröffentlichte ein Nutzer Fotos von einem schwelenden weißen Eimer in einer U-Bahn, er schrieb von einem "Feuerball". Der 52-jährige Richard Aylmer-Hall berichtete von Panik unter den Passagieren. "Es herrschte Panik, viele Leute schrien", sagte er der Nachrichtenagentur PA.
Augenzeuge Ryan Barnett berichtete, es habe absolutes Chaos geherrscht, als die Menschen aus der Station flüchteten. "Ich landete eingequetscht auf der Treppe, Menschen fielen übereinander, Menschen wurden ohnmächtig, weinten. Es gab kleine Kinder, die über meinen Rücken kletterten", sagte der 25-Jährige.
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Die Bundesregierung zeigte sich nach dem mutmaßlichen Anschlag in der Londoner U-Bahn "in großer Sorge". "Wir bangen mit unseren britischen Partnern, mit den Familien und Angehörigen derjenigen, die da offenbar verletzt worden sind", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer. "In dieser schwierigen Situation stehen wir an der Seite unserer britischen Freunde."
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte die Anteilnahme und Solidarität Deutschlands deutlich. "Unsere Gedanken sind natürlich bei den Verletzten", sagte Merkel. Auch wenn die Hintergründe noch nicht bekannt seien, sei der Fall eine Bestärkung dafür, die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen islamistischen Terrorismus zu verstärken.
Trump behauptet: Scotland Yard kannte die Verdächtigen
US-Präsident Donald Trump rief ebenfalls zu einem härteren Vorgehen gegen Extremisten auf. Terroristen wie die in London seien Verlierer ("loser"), twitterte Trump. In einem zweiten Tweet schrieb Trump, das Internet sei das wichtigste Rekrutierungswerkzeug der Terroristen, das "abgeschnitten" werden müsse. Bei den Terroristen handle es sich um kranke und verrückte Leute, die die Polizei von Scotland Yard bereits im Auge gehabt habe. "Müssen proaktiv sein!", schrieb Trump.
Die Londoner Polizei wies laut CNN die Behauptung Trumps als Spekulation zurück, ihnen seien der oder die Täter bekannt gewesen. Premierministerin May sagte dazu, es sei für niemanden hilfreich, über laufende Ermittlungen zu spekulieren. Trump habe daraufhin May am Telefon sein Mitgefühl wegen des Anschlags ausgesprochen, teilte ihr Büro mit. Er habe May angerufen, um über den "feigen" Anschlag zu reden.
Mays früherer Stabschef Nick Timothy zeigte sich überzeugt, dass Trump nicht wisse, wovon er rede. Ob die Anmerkung des US-Präsidenten zutreffe oder nicht – sie sei "so wenig hilfreich" vom Präsidenten eines Landes, mit dem Großbritannien in der Geheimdienstarbeit kooperiere. Auch die Londoner Polizei bezeichnete Trumps Bemerkung als "nicht hilfreiche Spekulation".
Gab Trump Ermittlerinformationen preis?
Es war zunächst unklar, ob die britischen Behörden konkrete Hinweise darauf hatten, wer hinter der Detonation des Sprengsatzes steckte und ob ihnen der oder die möglichen Täter tatsächlich bereits im Vorfeld bekannt waren. Träfe dies zu, dann hätte Trump die brisante Information preisgegeben, bevor die britischen Behörden damit an die Öffentlichkeit gingen.
In Großbritannien ist die Terrorwarnstufe hoch. In den vergangenen Monaten waren wiederholt islamistische Anschläge verübt worden. Ende März hatte ein Attentäter im Zentrum Londons fünf Menschen getötet. Am 22. Mai riss ein Selbstmordattentäter bei einem Pop-Konzert der US-Sängerin Ariana Grande in Manchester 22 Menschen mit in den Tod.
Im Juni rasten drei Angreifer auf der London Bridge mit einem Lieferwagen in eine Menschenmenge. Anschließend stachen sie in einem angrenzenden Ausgehviertel wahllos auf Menschen ein. Sie töteten sieben Menschen und verletzten 48 weitere, bevor sie von der Polizei erschossen wurden. Ende August griff ein Mann vor dem Buckingham-Palast Polizisten mit einem Schwert, drei Beamte wurden leicht verletzt.