Atom-Katastrophe in Japan UN-Bericht zu Fukushima erntet scharfe Kritik
Die Atom-Katastrophe im japanischen Fukushima hat Leben zerstört und Menschen aus ihrer Heimatregion vertrieben. Doch nach UN-Sicht beeinflusst die Strahlung die Gesundheit der Menschen kaum. Doch der Bericht der Vereinten Nationen wird scharf kritisiert.
Der Atomunfall von Fukushima in Japan hat nach UN-Einschätzung das Krebsrisiko für die Bevölkerung nicht erhöht, birgt aber Gefahren für eine Gruppe von etwa 1000 Kindern. Zu diesem Ergebnis kommt das Komitee der Vereinten Nationen für die Folgen von Strahlung (UNSCEAR) in seinem am Mittwoch veröffentlichten 300-seitigen Abschlussbericht. Greenpeace und andere Organisationen reagierten mit großer Skepsis und sprachen von "Verharmlosung" und "Vertuschung".
Schnelle Evakuierung von Fukushima entscheidend
Entscheidend ist nach UN-Angaben die schnelle Evakuierung der Region rund um das havarierte Atomkraftwerk gewesen. "Ohne die Maßnahme wäre die Dosis für die Bevölkerung zehnfach höher gewesen", sagte der Vorsitzende des Komitees, Wolfgang Weiss, in Wien. 80 Experten aus 18 Ländern hatten das Risiko für Schilddrüsenkrebs, Brustkrebs, Leukämie und Geburtsmissbildungen untersucht. Bei der Katastrophe im März 2011 war nach einem Tsunami das Atomkraftwerk Fukushima außer Kontrolle geraten.
"Die Menschen sind zu Recht beunruhigt über mögliche Gesundheitsfolgen für sich und ihre Kinder", sagte UNSCEAR-Chef Carl-Magnus Larsson. Die Daten und Einschätzungen ließen jedoch keinen signifikanten Anstieg der Krebsrate erwarten. Ausnahme sei eine Gruppe von Kindern, die größerer Strahlung ausgesetzt gewesen sei. Unter diesen etwa 1000 Kindern sei die Gefahr von Schilddrüsenkrebs in Einzelfällen "theoretisch" erhöht.
Greenpeace kritisiert UN
Im Gegensatz zur UN sieht Greenpeace keinen Grund zur Entwarnung. "Auch eine geringe Erhöhung der Radioaktivität hat gesundheitliche Folgen", sagte der Fukushima-Experte der Umweltorganisation, Heinz Smital. Die Benutzung von Wirksamkeits-Grenzwerten sei überholt. "Es ist eine Verharmlosung, die den Menschen nicht weiterhilft." Die Räumung des Gebiets um das Kraftwerk sei teils zu spät erfolgt.
Die Ärzteorganisation IPPNW geht von mehreren Zehntausend zusätzlichen Krebserkrankungen aus. "Wie damals nach der atomaren Katastrophe von Tschernobyl werden die Risiken für die Menschen in den kontaminierten Gebieten vertuscht, verharmlost und verschwiegen", sagte der stellvertretende IPPNW-Vorsitzende, Alex Rosen. Auch die UNSCEAR räumte ein, dass jenseits der statistisch erkennbaren Entwicklung in Einzelfällen eine Krebsgefahr nicht auszuschließen sei, hieß es. "Wir haben nie gesagt, es besteht ein Null-Risiko", sagte Weiss.
Keine alarmierenden Untersuchungsergebnisse
Bis Sommer 2013 sind nach Angaben des Berichts die Schilddrüsen von 175.000 Kinder aus der Region um Fukushima untersucht worden. Zwar seien in 40 Prozent der Fälle Zysten entdeckt worden. Angesichts einer gleich hohen Rate von Veränderungen bei Kindern, die in ganz anderen Gebieten leben, sei das Ergebnis nicht alarmierend. "Dies ist die Folge eines intensiven Screenings mit hochempfindlichem Gerät, nicht die Folge zusätzlicher Strahlung durch den Unfall", so der Bericht. Japan plant, in den nächsten 30 Jahren die rund zwei Millionen Menschen aus der Region medizinisch zu überwachen.
Die Experten betonten erneut, die Strahlendosis habe nur ein Bruchteil der Menge des Reaktorunglücks von Tschernobyl 1986 betragen. Darüber hinaus habe ein Verbot des Verkaufs bestimmter Lebensmittel wenige Tage nach dem Unglück dazu beigetragen, die Strahlenbelastung zu minimieren.
Fukushima sorgt für psychische Leiden
Nach Einschätzung der Wissenschaftler leiden die Menschen in Japan psychisch und sozial etwa unter der Evakuierung oder einer Stigmatisierung. Der Einfluss des Unglücks auf die Gesundheit beschränke sich nicht auf Strahlenfolgen, betonte Larsson. Im Bericht wird daran erinnert, dass während der Räumung des Gebiets 50 Krankenhaus-Patienten gestorben waren.
Die Experten haben auch die Folgen für die Natur in einem Umkreis von 100 Kilometern zu Land und 30 Kilometern auf dem Meer unter die Lupe genommen. Langfristig sind demnach keine Veränderungen des Ökosystems zu befürchten. Die Autoren schränken aber ein, dass der Effekt von radioaktivem Grundwasser, das immer noch ins Meer sickere, weitere Studien benötige. "Es gibt noch viele offene Fragen, die beantwortet werden müssen", sagte Larsson.