Komet "Tschuri" "Rosetta" findet Hinweise auf "Schlüssel des Lebens"
Rund ein halbes Jahr nach der Zielankunft des europäischen Kometenjägers "Rosetta" tauchen Wissenschaftler immer tiefer in die Geheimnisse des Kometen 67P/Tschurjumov-Gerasimenko ein. So hat die Raumsonde jetzt Hinweise auf Grundelemente des Lebens auf "Tschuri" entdeckt. Das geht aus neuen Studien hervor, die die ersten Ergebnisse der "Rosetta"-Mission zusammentrage, sagte Projektmanager Matt Taylor.
"Rosetta" beobachtet "Tschuri" seit August aus der Nähe und fliegt an seiner Seite - in rund 500 Millionen Kilometern Entfernung von der Erde.
Komplexe Mischung organischer Stoffe
Aufregend finden die Wissenschaftler vor allem die Entdeckung, dass die Oberfläche mit einer komplexe Mischung organischer Stoffe bedeckt ist. Diese enthalten Bestandteile, die auch in Aminosäuren vorkommen, einem wichtigen Element des Lebens.
Zwar seien solche Stoffe auch schon früher auf Kometen gefunden worden, aber nie so nah am Nukleus (Kern), sagte der römische Astrophysiker Fabrizio Cappacioni. Diese organischen Bestandteile waren den Angaben zufolge bereits bei der Entstehung des Kometen vor mehr als vier Milliarden Jahren präsent.
Bizarre Oberfläche
In den vergangenen Monaten lichtete "Rosettas" Kamerasystem "Osiris" bereits rund 70 Prozent der Oberfläche von "Tschuri" ab. Das Ergebnis sind bizarre Landschaften mit steilen, bis zu 700 Meter hohen Klippen, Staubdünen, glatte Ebenen, Furchen, Geröllhalden mit Gruben und großflächige Senken.
Viele Gegenden sind von einer vermutlich meterhohen Staubschicht bedeckt, teilte das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen mit. "Fast erinnern die Bilder an solche, die man aus den Wüstenregionen der Erde kennt", erklärt Holger Sierks, Leiter von "Osiris" vom MPS.
Im Zuge der spektakulären Mission der Europäischen Weltraumagentur ESA gelang es Wissenschaftlern außerdem erstmals, die Dichte eines Kometenkerns direkt zu messen. Sie ermittelten bei "Tschuri" einen Wert von 470 Kilogramm pro Kubikmeter - das entspricht in etwa der Dichte von Kork. "Der gemessene Wert lässt somit darauf schließen, dass der Komet eine Porosität von 70 bis 80 Prozent aufweist. Wir verstehen ihn derzeit als eine Art lockere Ansammlung von Eis- und Staub-Teilchen mit vielen, vielen Zwischenräumen", betont Sierks.
Gut wärme-isoliert
Weitere Messdaten lassen darauf schließen, dass die staubige Oberflächenschicht des Kometen zwar schnell auf Temperaturänderungen reagiert, Wärme jedoch ausgesprochen schlecht leitet. Die Staubschicht biete also offenbar eine Art Wärme-Isolierung, die tiefer liegende Schichten des Kometen vor dem Einfluss der Sonne schütze. "Dies könnte erklären, warum 67P und andere Kometen, die ins innere Sonnensystem vordringen, so langlebig sind und viele Umläufe um die Sonne überstehen", unterstrich der MPS-Forscher Paul Hartogh.
Begleitet von "Rosetta" nähert sich "Tschuri" derzeit der Sonne, die er alle 6,45 Jahre einmal umkreist. Dabei wird der Komet durch die Sonnenwärme nach und nach aktiv. Was genau dabei auf dem Schweifstern passiert, werden die Messgeräte von "Rosetta" in den kommenden Monaten aufzeichnen. "Tschuri" gilt wie seine unzähligen Artgenossen als Überbleibsel aus der Entstehungszeit des Sonnensystems von 4,6 Milliarden Jahren.
"Philae" schlummert
Zur Zeit verlassen sich die Wissenschaftler hauptsächlich auf Daten von "Rosetta" selbst, weil ihr Raumlander "Philae" schlummert: Die Batterie ist leer. Etwa im Mai/Juni könnte "Philae" sich aber wieder aufladen und das Mini-Labor weiterarbeiten, wenn der Komet der Sonne näher kommt.