Forsa: enormer Vertrauensverlust für Parteien "Die Unruhe in der Bevölkerung ist mit Händen zu greifen"
Die aktuelle Forsa-Umfrage fördert alarmierende Zahlen zutage: 62 Prozent der Bevölkerung trauen den Parteien nicht mehr zu, die Probleme in Deutschland lösen zu können. Forsa-Chef Manfred Güllner und Parteienforscher Tilman Mayer nennen im Gespräch mit t-online.de Gründe.
Güllner beobachtet den Vertrauensverlust gerade in die größeren Parteien schon seit Längerem. Verantwortlich dafür macht er die Zerstrittenheit in der Großen Koalition. "Die Wähler erwarten, dass die Parteien sich zusammenraufen", so Güllner.
Attacken von CSU-Chef Horst Seehofer auf Kanzlerin Angela Merkel schadeten dem Ansehen der Politik. "Die Bevölkerung hält dies für absurd", so Güllner. Seehofer spiele derzeit Opposition. "Zuerst der Streit in der Griechenlandfrage, nun in der Flüchtlingskrise. Die Menschen sehen den Sinn dahinter nicht", so der Forsa-Chef.
"Navigationskünstlerin" Merkel ohne Orientierung
Ähnlich sieht es Parteienforscher Tilman Mayer von der Universität Bonn. Die Flüchtlingskrise bereite den Wählern mit Abstand die meisten Sorgen. "Sie wollen, dass die Parteien einen Weg weisen, was unternommen wird", so Mayer. Diesen Weg zeige die Kanzlerin derzeit nicht. "Und solange das so ist, werden die Sorgen auch bleiben. Die Unruhe in der Bevölkerung ist mit Händen zu greifen."
Merkel, früher von Mayer oft als "Navigationskünstlerin" bezeichnet, liefere derzeit ein krass gegenteiliges Bild ab. Die Kritik an ihrer Führungsleistung wachse. "Die Kanzlerin war bisher geschützt durch ihr hohes persönliches Ansehen. Da dieses nun schwindet und die Zustimmung in Umfragen sinkt, wird es eng für sie", so Mayer.
Union vorne - auf niedrigem Niveau
Nichtsdestotrotz trauen laut Umfrage die Wähler der Union mit 23 Prozent noch am ehesten zu, Lösungen für die Probleme in Deutschland zu finden. Die SPD kommt nur auf sieben Prozent, andere Parteien auf acht. Fast zwei Drittel erwarten also von keiner Partei die richtigen Ansätze.
Die Bevölkerung hat laut Umfrage zudem wenig Vertrauen darin, dass Deutschland mit der anhaltenden Zuwanderung von Flüchtlingen fertig wird: 62 Prozent widersprechen Merkels "Wir-schaffen-das"-Aussage. Nur 36 Prozent der Bundesbürger glauben, dass Deutschland mit den Problemen fertig wird.
Beliebtheit der Kanzlerin schwindet
Merkels Beliebtheit schwindet - wenngleich sie noch immer auf hohem Niveau ist: Könnte man den Kanzler direkt wählen, würden sich sich 43 Prozent für die CDU-Chefin entscheiden - ein Punkt weniger als bei der letzten Umfrage. Damit liegt sie jedoch noch immer klar vor SPD-Chef Sigmar Gabriel mit 16 Prozent.
Bei Anhängern der CSU ist der Rückhalt für die Kanzlerin mit 53 Prozent verhältnismäßig schwach. Größer ist das Vertrauen bei den CDU-Sympathisanten: 86 Prozent.
Das Forsa-Institut befragte am 21. und 22. Januar 1006 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger. An 100 Prozent fehlende Angaben: weiß nicht. Die statistische Fehlertoleranz liegt bei +/- 3 Prozentpunkten.