Reform der Agenda 2010 Bericht: Schulz will bis zu 48 Monate Arbeitslosengeld I
Der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, will älteren Arbeitnehmern, die nach langjähriger Beschäftigung ihren Job verlieren, im Extremfall bis zu 48 Monate Arbeitslosengeld zahlen. Die längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I solle aber an eine Weiterqualifizierung geknüpft werden, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet.
Der Plan sei Teil des Konzepts zu Korrekturen an den arbeitsmarktpolitischen Reformen der Agenda 2010, das die SPD am Montag vorstellen will.
"Arbeitslosengeld Q" geplant
Bislang erhalten Arbeitslose höchstens zwölf Monate Arbeitslosengeld I, bei Über-50-Jährigen steigt die maximale Bezugsdauer schrittweise auf 24 Monate. Das SPD-Konzept sieht laut "Süddeutscher Zeitung" ein Recht auf Weiterbildung für Arbeitslose vor: Finden sie innerhalb von drei Monaten keine neue Stelle, sollen sie ein Angebot für eine "Qualifizierungsmaßnahme" bekommen. Zuständig sein soll demnach die Bundesagentur für Arbeit, die in "Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung" umbenannt würde.
Für die Dauer der Qualifizierung soll der Teilnehmer dem "SZ"-Bericht zufolge ein neues "Arbeitslosengeld Q" in Höhe des Arbeitslosengeldes I bekommen. Nach Ende der Qualifizierung bekäme der Betroffene dann wieder das normale Arbeitslosengeld. Die Bezugsdauer des "Arbeitslosengelds Q" würde dabei nicht auf die Zeit angerechnet, die ein Betroffener Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat.
Ein 50-jähriger Arbeitnehmer hätte derzeit einen Anspruch auf 15 Monate Arbeitslosengeld I. Nähme dieser gemäß dem Schulz-Modell nach drei Monaten Arbeitslosigkeit an einer zweijährigen Qualifizierung teil und fände danach noch immer keinen Job, hätte er künftig noch immer zwölf Monate lang Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die gesamte Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld Q erhöhte sich in seinem Fall auf 39 Monate.
Bis zu 48 Monate Bezugsdauer
Ein 58-jähriger Arbeitnehmer, der bislang Anspruch auf 24 Monate Arbeitslosengeld I hätte, könnte dem Bericht zufolge theoretisch auf eine Bezugsdauer von maximal 48 Monaten kommen. Allerdings handele es sich dabei um ein Extrembeispiel, schrieb die "SZ". Häufiger seien bisher kürzere Qualifizierungsmaßnahmen zwischen vier und sechs Monaten.
Für Arbeitslose, die auf Hartz IV zurückfallen, will Schulz laut "SZ" das Schonvermögen von bislang 150 auf 300 Euro pro Lebensjahr erhöhen. Zudem solle die Schwelle sinken, von der an Arbeitslosengeld gezahlt werde. Anspruch darauf hat derzeit, wer innerhalb von zwei Jahren vor der Arbeitslosigkeit mindestens zwölf Monate sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat. Künftig solle es genügen, wenn der Betroffene innerhalb von drei Jahren vor der Arbeitslosigkeit zehn Monate lang eingezahlt habe.
Zu den Kosten erfuhr die "SZ" aus SPD-Kreisen, dass die Pläne die Arbeitslosenversicherung mit etwa einer Milliarde Euro pro Jahr belasten könnten. Die Arbeitslosenversicherung verfügte demnach Ende 2016 über eine Rücklage von 11,5 Milliarden Euro.
Schulz hatte sich Ende Februar in einer Rede in Bielefeld für Korrekturen an der 2003 unter dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) durchgesetzten Agenda 2010 ausgesprochen. Neben einer längeren Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld forderte er auch ein Ende von sachgrundlosen Befristungen von Arbeitnehmern. Das Konzept, das am Montag vorgestellt werden soll, hat eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) erstellt.
Mit Blick auf die Verlängerung des Arbeitslosengelds I machen Deutschlands Arbeitgeber bereits Front gegen Schulz' Pläne. So ein Schritt wäre "eine fatale Rolle rückwärts", sagte Peter Clever vom Arbeitgeberverband BDA - und argumentierte: "Je länger jemand arbeitslos ist, desto schwieriger wird der Wiedereinstieg in Beschäftigung."
Für den DGB ist es hingegen "der richtige Ansatz, den Schutz der Arbeitslosenversicherung zu verbessern", wie Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte. "Dazu gehört, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld für Ältere wieder zu verlängern." Vor allem Arbeitslose, die älter als 55 sind, hätten es sehr schwer, wieder Arbeit zu finden, zumal sozialversicherte. "Deshalb sollten Arbeitgeber in Zukunft stärker in die Pflicht genommen werden, Ältere gar nicht erst zu entlassen."