AfD sinkt in Umfragen Angst bei den Angstmachern
Der Höhenflug der AfD scheint gestoppt. Die internen Kämpfe halten an, die Umfragewerte sinken - nun versprechen alle 16 Landeschefs in einer Brand-Mail an die Basis, die Reihen zu schließen. Wird das reichen?
Über Monate war für AfD-Spitzenpolitiker der Blick auf Ergebnisse bei den Landtagswahlen und auf Umfragen eine Quelle steter Freude. Die Werte stiegen und stiegen, die Zahl der Abgeordneten nahm zu, ein zweistelliges Ergebnis bei den Bundestagswahlen im September schien ein Selbstläufer zu sein. Nun ist es vorbei mit der Euphorie.
Gleich in mehreren Umfragen schält sich ein Trend heraus - die Partei sackt ab, zum Teil deutlich . In manchen Umfragen liegt sie nur noch bei rund acht Prozent.
Die Führungsspitze ahnt, dass dieser Trend noch länger anhalten könnte. In der Partei bricht Panik aus. "Ich habe große Sorge, dass die AfD gerade dabei ist, sich selbst zu marginalisieren, dass wir dabei sind, den Weg der Piraten zu gehen", sagt ein AfD-Mitglied dem SPIEGEL, der über gute Kontakte zum engsten Führungszirkel verfügt.
Das Horrorszenario sieht für manche in der Partei so aus: Die AfD zerfleischt sich weiter selbst, rutscht irgendwann in Umfragen unter die Fünf-Prozent-Hürde, der Frust steigt, die gegenseitigen Anfeindungen nehmen zu, es kommt zur Austrittswelle. Die Partei ereilte dann das Schicksal vieler Neugründungen: Sie wäre eine weitere Fußnote in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Versuch, rechts von CDU und CSU auf Dauer eine politische Kraft zu etablieren, wäre einmal mehr gescheitert.
Zwar liegt die Mitgliederzahl bei stabilen 26.000, die vor vier Jahren gegründete Partei ist in zehn Landtagen vertreten. Doch der Überschwang ist dahin. In einem vertraulichen AfD-Papier vom Dezember für den Bundesvorstand gingen die Funktionäre noch von einem Wählerpotenzial von rund 20 Prozent aus. Aktuell scheinen solche Höhen unerreichbar.
Gleich mehrere Vorkommnisse haben der AfD offenbar schwer geschadet. Da ist die Dresdner Rede des Rechtsaußen Björn Höcke, in der der AfD-Landes- und Fraktionschef aus Thüringen eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" verlangte und vom Holocaust-Mahnmal in Berlin als "Denkmal der Schande" sprach. Der interne Streit um das Ausschlussverfahren gegen Höcke sorgt zudem nicht nur für Schlagzeilen in Medien und bindet innerparteilich Kräfte. Jenseits des Streits über den Umgang mit Höcke bewirken offenbar weitere Faktoren den Abschwung:
Das Flüchtlingsthema ziehe nicht mehr so stark, analysiert etwa der Chef des Umfrageinstituts Forsa, Manfred Güllner. Das aber hat die AfD neben der Kritik am Islam in den Mittelpunkt ihrer Kampagnen gerückt. Auch sind laut Forsa gemäßigte AfD-Anhänger zur SPD abgewandert, weil sie deren Kanzlerkandidaten Martin Schulz zutrauten, die ihnen so verhasste Kanzlerin Angela Merkel abzulösen. Auch bei den Nichtwählern - bislang ein Reservoir der AfD in den Landtagswahlen - legt die SPD zu.
Angesichts der alarmierenden Umfragewerte versucht die Führung, mit einer Art von Burgfrieden dagegenzusteuern. In einer aktuellen Mail aller 16 AfD-Landeschefs und -sprecher an die Basis - darunter auch Frauke Petry und ihre internen Gegner AfD-Vize Alexander Gauland und Höcke - heißt es: "Die letzten Wochen waren innerparteilich von scharfen Diskussionen um die Ausrichtung der Partei und um einzelne Personen geprägt." Damit habe man sich der "eigentlichen historischen Aufgabe, dem politischen Gegner entschlossen und gemeinsam die Stirn zu bieten und glaubwürdige Politik für unser Vaterland zu gestalten, ein Stück entfernt", so in der Mail, die am Sonntagabend an Journalisten ging.
Nun gelte es, den Blick "nach vorne zu richten", im gemeinsamen Kampf gegen die Traditions-Parteien "die Reihen zu schließen", in den Veranstaltungen "klare Kante zu zeigen", an Infoständen den Dialog mit den Wählern entschlossen zu führen und auf Demonstrationen und Kundgebungen "Einigkeit und Stärke zu zeigen". Über den Fall Höcke, so heißt es indirekt in dem dem SPIEGEL vorliegenden Papier, sollen die Schiedsgerichte der Partei entscheiden.
Ob das Friedensversprechen hält? Mehr als einmal hat die tief zerstrittene Führung an die Einigkeit appelliert und sie kurz darauf wieder aufgekündigt. Denn Inhalte spielen bei der AfD weit weniger eine Rolle als persönliche Gegnerschaft. Zwei Lager stehen sich seit Monaten fast unversöhnlich gegenüber - auf der einen Seite Vize-Parteichef Alexander Gauland, Co-Parteichef Jörg Meuthen sowie Björn Höcke. Auf der anderen Seite Parteichefin Frauke Petry und deren Ehemann, der Europaabgeordnete und AfD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell.
Erst jüngst hatte das AfD-Bundesvorstandsmitglied Georg Pazderski vor dem Hintergrund der Höcke-Äußerungen ein desolates Bild der Bundespartei gezeichnet. In einer E-Mail an die Mitglieder seiner Berliner Basis verwies er auf Daten der Forschungsgruppe Wahlen, wonach die AfD auf einer Beliebtheitsskala von +5 bis -5 auf -3,5 abgesunken war. "Noch nie waren wir so unsympathisch", schlussfolgerte der AfD-Landes- und Fraktionschef in Berlin. Auf Bundesebene habe sich ein "drastischer Umschwung" vollzogen. "Ich schreibe Ihnen diese Zeilen," mahnte Pazderski, "weil ich mir Sorgen um die Zukunft unserer Partei und den politischen Erfolg der Alternative für Deutschland mache."