AfD im Sinkflug Schulz-Delle, Höcke-Tief, Trump-Einbruch
Vor zwei Monaten sah die AfD ihr Wählerpotenzial noch bei 20 Prozent, und viele ihrer Unterstützer hielten Frauke Petry schon für die kommende Bundeskanzlerin. Davon ist die selbsternannte "Alternative für Deutschland" inzwischen weit entfernt. Die Meinungsforscher fragen sich, worauf der Sinkflug in den Umfragen zurückzuführen ist. Und auch innerhalb der AfD wird der Ton auf der Suche nach den Schuldigen rauer.
Die Umfragewerte der AfD sind sieben Monate vor der Bundestagswahl im Keller, der Trend weist seit Jahresbeginn nach unten. Das Gleiche lässt sich über die Stimmung in der Partei sagen.
In der gesamten zweiten Jahreshälfte 2016 lag die AfD je nach Umfrageinstitut zwar unterschiedlich, aber doch stabil bei deutlich über zehn Prozent, meist sogar bei 13 bis 14 Prozent. Zweimal sah das Institut Insa, das im Auftrag der "Bild"-Zeitung arbeitet, die Partei gar bei 15 Prozent: im September und im Dezember.
Aktuell liegt die Zustimmung für die Partei von Frauke Petry und Jörg Meuthen nur noch zwischen 8 und 11 Prozent. Das ist für eine so junge Partei wie die AfD zwar immer noch ganz ordentlich. Doch Listenplätze, die im Dezember noch als sicheres Ticket auf dem Weg in den Bundestag galten, sehen plötzlich gar nicht mehr so attraktiv aus. Dadurch wird das Gerangel um die Spitzenplätze in den Landesverbänden aggressiver.
Hoffnung: Schulz "schnell entzaubert"
Dass der Senkrechtstart von SPD-Spitzenmann Martin Schulz der AfD dieses aktuelle Umfragetief beschert haben könnte, glauben in der Partei nur wenige. "Das spielt eine untergeordnete Rolle", wiegelt Parteichef Meuthen ab.
Er hält die Schulz-Begeisterung ohnehin für eine Eintagsfliege und setzt darauf, dass der neue Star der SPD "schnell entzaubert" werden wird. Die derzeit hohen Zustimmungswerte für Schulz, sieht er vor allem darin begründet, "dass die Leute von Angela Merkel als Bundeskanzlerin die Nase voll haben".
Fragt man andere AfD-ler nach dem Grund für die aktuelle Misere, hört man einen Namen deutlich häufiger als den von Schulz: Björn Höcke. Wobei es hier zwei Lager gibt: Die einen sagen, der Thüringer Landes- und Fraktionsvorsitzende Höcke habe der Partei durch seine umstrittene Dresdner Rede über das deutsche Geschichtsverständnis massiv geschadet. Die anderen sehen eher die Zerstrittenheit der Partei im Umgang mit Höcke als das Kernproblem.
Streit um die "Bewegungspartei"
Dirk Driesang gehört der ersten Gruppe an. Der Opernsänger, der dem Bundesvorstand als Beisitzer angehört, sagt: "Ich bin sicher, dass dies auf die Rede von Höcke zurückzuführen ist."
Er hat in den letzten Tagen von einigen Parteikollegen Kritik am konfrontativen Kurs des Vorstandes in der Causa Höcke einstecken müssen. Dennoch ist er immer noch überzeugt, dass die Parteiführung mit der Entscheidung zum Parteiausschluss "ein richtiges Signal gesetzt" hat.
Driesang weiß Parteichefin Frauke Petry und die baden-württembergische Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Alice Weidel, auf seiner Seite. Petry hält Höckes Idee von der AfD als "Bewegungspartei" für falsch. In einem Mitgliederrundbrief, den sie zehn Tage nach Höckes Rede im Namen des Vorstandes verschickte, schrieb Petry: "Dieser Weg würde die AfD als Partei nicht nur unglaubwürdig machen, sondern mittelfristig auch ihrer demokratischen Legitimation berauben."
Die Höcke-Gegner schätzen, dass dessen rechtsnationaler Parteiflügel etwa 15 Prozent der AfD-Mitglieder hinter sich versammelt. Höckes Unterstützer sehen das anders, sie sehen den "Flügel" eher im Bereich von 30 Prozent.
Flüchtlingspolitik und pro Europa
Theoretisch würde sich noch eine ganz andere Begründung für den Sinkflug der AfD finden lassen: Dass die von ihr so heftig kritisierte Bundesregierung ihren Job heute in der Wahrnehmung der Wähler besser macht als im vergangenen Jahr. Der "Kölner Stadt-Anzeiger" vermutet: "Dass die AfD schrumpft, dürfte auch mit der schleichenden Wende in der Flüchtlingspolitik in Verbindung stehen." Die liberale "Fassade der Willkommenskultur" stehe zwar noch. Im Vordergrund stehe inzwischen aber nicht mehr die Aufnahme, sondern die Abwehr.
Forsa-Chef Manfred Güllner glaubt, dass zudem Donald Trump, dessen Wahl zum US-Präsidenten die AfD bejubelt hat, der Partei schadet. Zu einer Umfrage für "Stern" und "RTL" sagte er am Mittwoch: "Die chaotische Amtsführung von US-Präsident Donald Trump, den man zunächst noch feierte, beunruhigt jetzt eher angesichts der Krisenherde in aller Welt."
Es könnte ja auch sein, dass nicht nur Trumps Wahl in den USA, sondern auch die Brexit-Abstimmung in Großbritannien zunehmend dafür sorgt, dass sich die liberalen und pro-europäischen Kräfte wieder bewusster politisch äußern, um eine reaktionäre Politik der nationalen Alleingänge zu verhindern. Dafür spricht auch, dass die Zahl der Unentschiedenen und der Nichtwähler, wie sie von Forsa erhoben wird, seit Anfang des Jahres wieder rückläufig ist.
Stundenlang und ohne Ergebnis
Und wie geht es jetzt weiter? Am vergangenen Freitag diskutierte der Bundesvorstand der AfD noch einmal über Höckes Zukunft. Stundenlang und ohne konkretes Ergebnis, wie aus Teilnehmerkreisen zu hören ist. Sollte das Thüringer Landesschiedsgericht Höckes Rauswurf kippen, dürfte der Fall vor dem AfD-Bundesschiedsgericht landen. Dort hat Höcke Unterstützer.
Einer von ihnen ist Thomas Seitz aus Baden-Württemberg. Er hatte nach Höckes Dresdner Rede sein Titelbild auf Facebook aktualisiert. Dort stand danach der Slogan des "Flügels": "Wir stehen zu Björn Höcke!" Seitz steht auf der baden-württembergischen Kandidatenliste für die Bundestagswahl auf Platz fünf. Sollte es noch weiter bergab gehen, dann müsste vielleicht auch er um seinen Platz im Bundestag bangen.