Merkel-Kritiker plötzlich sanft Kohl und Orban mit Kanzlerin auf einer Linie
80 Minuten hat der Besuch von Ungarns umstrittenen Ministerpräsidenten Viktor Orban bei Altkanzler Helmut Kohl (CDU) gedauert. In einer gemeinsamen Erklärung betonten beide anschließend "die historische Herausforderung der Flüchtlingskrise" - und dass es keine Differenzen in ihrer Haltung zur aktuellen Politik der Bundeskanzlerin gäbe.
"Ungarn und ich als sein Ministerpräsident sehen sich Seite an Seite mit Berlin und unterstützen Angela Merkel mit weiteren Anregungen, wie unserem Aktionsplan, bei der Bewältigung der aktuellen europäischen Herausforderungen", sagte Orban der "Bild"-Zeitung.
Mit Kohl eine ihn "die gemeinsame Überzeugung, dass die Bedeutung christlich-jüdischer Werte in der Europäischen Union unverrückbar ist, sowie die Einhaltung unserer europäischen Gesetze". "Gemeinsam getroffene Abkommen und ihre Wahrung sollten für alle Mitgliedsstaaten bindend sein, dies betrifft selbstverständlich auch den Schutz der europäischen Außengrenzen", sagte Orban.
Angela Merkel bezeichnete das Treffen ihres Amtsvorgängers mit Orban als sinnvoll und nützlich. Viele dort diskutierten Akzente entsprächen - so weit ihr bekannt - genau dem, was sie auch "für absolut unerlässlich und wichtig" halte, sagte Merkel. Sie nannte als Beispiele die Bekämpfung von Fluchtursachen und gemeinsames europäisches Handeln.
Privates Treffen, gemeinsame Erklärung
Orban war zu einem Treffen mit Kohl in dessen Wohnhaus im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim gereist. Kohls Büro erklärte das Treffen zu einer rein privaten Zusammenkunft. Beide zeigten sich anschließend für kurze Zeit auf der Straße vor dem Haus.
Es gehe darum, "unter humanitären Aspekten in einer existentiellen Frage für Millionen von Menschen den besten Weg zu finden", betonten Orban und Kohl in einer gemeinsamen Erklärung und sprachen von einer "Schicksalsentscheidung für die Menschen in Europa wie in der Welt". Es gehe um "eine gute Zukunft für Europa und den Frieden in der Welt". "Die Bemühungen der Kanzlerin" zeigten "in dieselbe Richtung".
Lange Freundschaft
Orban und Kohl sind sich seit langem freundschaftlich verbunden. Die Bundesregierung hatte im Vorfeld gelassen auf das geplante Treffen reagiert. Der Besuch Orbans veranlasste die ungarische Regierung allerdings zu der Klarstellung, dass das Treffen kein Affront gegen Merkel sein solle.
Orban gilt EU-intern als scharfer Widersacher Merkels in der Flüchtlingspolitik. Die Differenzen zwischen beiden Politikern traten wiederholt deutlich öffentlich zu Tage. Unter anderem lehnt Ungarn vehement die Aufnahme von Flüchtlingen nach einem EU-Quotensystem ab.