"Petry ist wie ein Chamäleon" Insider erklären die einfache Strategie der AfD
Auf die Anti-Euro-Pläne von Bernd Lucke folgte die große Flüchtlingskritik - und jetzt das neue Aufregerthema der AfD: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland." Experten sind sich einig: Der umstrittenen Partei geht es nicht um Inhalte, ihr geht es um Stimmungen und "Elitenbashing".
"Frauke Petry ist wie ein Chamäleon", sagt Christian Schmidt über die Chefin seiner früheren Partei. "Sie war schon immer äußerst geschickt darin, sich verschiedenen Stimmungen anzupassen." Genau das mache die Strategie der AfD aus, erläutert der heutige Pressesprecher der Alfa-Partei gegenüber t-online.de.
Eine inhaltliche Ausrichtung in der Partei gebe es gar nicht, sagt Schmidt. Sie wähle ihre Themen vielmehr je nach Stimmung in der Bevölkerung.
So sieht es auch Werner J. Patzelt, Politikwissenschaftler an der Universität in Dresden: "Die AfD beobachtet und greift sich dann die Themen, die für einen Teil der Bevölkerung ein Problem darstellen, aber von den etablierten Parteien nicht behandelt werden."
"Aus Politikverdrossenheit wurde Politikverachtung"
Gerade diese Abgrenzung sei entscheidend für die AfD-Taktik: "Wenn die Regierung in einem wichtigen Punkt mit der AfD übereinstimmen würde, wäre das fatal für die AfD." Als Beispiel nennt Patzelt die nun stärker in den AfD-Fokus rückende Islamkritik: Würde die Union ebenfalls behaupten, es gebe zwar mehrere Islam-Auslegungen, aber der Islam als Ganzes gehöre nicht zu Deutschland, verlöre das Thema für die AfD an Attraktivität.
Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann spricht in diesem Zusammenhang von "Elitenbashing", wie es derzeit auch in anderen europäischen Ländern beispielsweise den Niederlanden oder Österreich sowie in den USA betrieben wird. "Die AfD hat eine allgemeine Politikverdrossenheit in Politikverachtung gesteigert." Das richte sich natürlich vor allem gegen die aktuell Regierenden.
Proteststrategie könnte sich abnutzen
Von Alemann bezweifelt jedoch, dass eine solche Anti-Establishment-Strategie dauerhaft erfolgreich sein kann: "Das nutzt sich ab. Je mehr Erfolg die AfD hat, desto mehr wird sie Teil des Systems - so war es auch schon bei den Grünen, die in den 80ern ebenfalls als Protestpartei gestartet waren." Das sei dann der Punkt, an dem es nicht mehr ausreiche, nur gegen etwas zu sein.
Zustimmung erhält von Alemann von Manfred Güllner. Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa hält die AfD für eine rechtsradikale Partei und verweist auf die Erfahrung mit Parteien wie der DVU, den Republikanern und der NPD: "Die rechtsradikalen Phänomene der letzten Jahrzehnte haben sich in Deutschland immer verlebt." Anders als andere Beobachter ist sich Güllner noch nicht einmal sicher, dass es die AfD 2017 in den Bundestag schafft.
AfD-Insider Schmidt ist ebenfalls überzeugt: "Reiner Protest" funktioniere nur kurzfristig. "Auf Dauer ist die AfD zum Scheitern verurteilt." Dem widerspricht jedoch Patzelt: Die Union hat dem Politikforscher zufolge eine Lücke rechts neben ihr eröffnet. "Dort könnte sich die AfD nun etablieren." Außer die Partei "besiegt sich selbst, indem sie in den Parlamenten unangenehm auffällt - oder sie sich nicht genügend vom verfassungsfeindlichen Rand abgrenzt."
Eine gespaltene Partei
Dieses Risiko für die AfD sehen auch die anderen Experten. Die fehlende Geschlossenheit könnte eine große Schwachstelle der Partei sein: Laut von Ahlemann gibt es eine "national-konservative Version" der AfD und eine "liberal-konservative Version" - und mittendrin versuche Partei-Chefin Petry eine Konfrontation der beiden Lager zu vermeiden.
Genauso unterscheidet Alfa-Mann Schmidt zwischen einem rechten AfD-Lager um André Poggenburg (Vorsitzender in Sachsen-Anhalt), Björn Höcke (Fraktionsvorsitzender in Thüringen) und "vielen Verschwörungstheoretikern und Schwarzmalern" sowie einem Lager, das aus Anhängern des Ex-Parteivorsitzenden Lucke besteht. "Diese Personen haben den Absprung zur Alfa noch nicht geschafft. Sie haben lange für die AfD gearbeitet und wollen nun die Früchte ernten oder versuchen, die Partei auf Kurs zu bringen."
Die Folge der Differenzen in den eigenen Reihen sei die inhaltliche "Unbeständigkeit" der AfD, erklärt Schmidt. Das werde die Partei aber nicht davon abhalten, weiter Stimmungen aufzugreifen und "populistisch auszuschlachten".
Die Themen seien längst nicht aufgebraucht, sagt auch Patzelt. "Im Umfeld der Flüchtlingskrise werden sich jede Menge weitere Themen auftun - zum Beispiel die Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt oder die kulturelle Integration."