Vor allem im Osten stark AfD könnte Linke als Protestpartei ablösen
Früher waren es die Linken, die auf Stimmen von Protestwählern setzen konnten und so den etablierten Parteien das Leben schwer machten. In Sachsen-Anhalt hat sich nun fast jeder Vierte an der Wahlurne für die AfD entschieden. Die Rechtspopulisten stellen die anderen Parteien vor Riesenprobleme - und könnten die Linkspartei in ihrer Rolle ablösen.
In den Augen der etablierten Parteien galt die Linkspartei einst als Schreckgespenst aus dem Osten. Nach der Einheit trat die aus der SED hervorgegangene PDS als Fundamentalopposition an - bis 1994 das "Magdeburger Modell" der heutigen Linken gewisse Macht in die Hände gab. Sie tolerierte damals eine SPD-Minderheitsregierung.
Mehr als zwei Jahrzehnte später hat die Linke schon in mehreren Bundesländern mitregiert, stellt mit Bodo Ramelow in Thüringen erstmals den Ministerpräsidenten. Als Protestpartei fungiert derzeit die AfD.
Baldiger Untergang oder neuer Faktor?
In Sachsen-Anhalt sind die Rechtspopulisten - die in dem Land oftmals auch als völkisch eingestuft werden - aus dem Stand zum Oppositionsführer im Magdeburger Landtag aufgestiegen. Landesparteichef André Poggenburg brachte auch gleich eine Tolerierung ins Spiel - die die anderen Parteien derzeit aber gar nicht wollen.
Viele fragen sich nun: Geht die AfD bald unter - wie die einst in Sachsen-Anhalt fast 13 Prozent starke rechtsextreme DVU oder wie in Hamburg die Schill-Partei? Oder wird die AfD ein neuer Faktor in der politischen Auseinandersetzung, der auf ein Sammelsurium aus Protest, Angst und Populismus baut, ohne zunächst Verantwortung übernehmen zu müssen?
Knapp an Unregierbarkeit vorbeigeschrammt
Der Magdeburger Politologe Wolfgang Renzsch ist sich nicht sicher: "Die schießen schnell hoch und sind genauso schnell wieder weg", sagte er. Global gebe es aber solche Protestparteien. "So gesehen, ist das nicht auszuschließen. Heute hinzugehen und zu sagen, in fünf Jahren sind die weg, wäre zu einfach."
Tatsächlich ist Sachsen-Anhalt bei der Landtagswahl am Sonntag wegen der AfD-Stärke nur äußerst knapp an der praktischen Unregierbarkeit vorbeigeschrammt. Zwar haben CDU, SPD und Grüne eine Mehrheit, mit der eine Regierung möglich ist.
Doch wenn die Grünen den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde nicht knapp geschafft hätten, wären AfD und Linkspartei gemeinsam auf eine Mehrheit gekommen. Auch Rot-Rot wäre keine Option gewesen. Da Bündnisse von CDU mit AfD oder Linkspartei als praktisch unmöglich gelten, hätten dann Neuwahlen im Raum gestanden.
Neue Herausforderungen
Für die etablierten Parteien bedeutet das starke Abschneiden der AfD neue Herausforderungen. "Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratische Alternative geben", betonte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Doch genau dort könnte sich nun die AfD festsetzen.
Die SPD kennt das Phänomen von Parteien an ihrem linken Rand schon lange: Zum einen seit den 1980er Jahre im Westen, als die Grünen als Protestbewegung in den Bundestag zogen. Und seit 1990 mit der heutigen Linkspartei. Für die CDU brisant: Während die Linke im Westen kaum Fuß fassen konnte, schnitt die laut Umfragen ebenfalls vor allem im Osten starke AfD auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zweistellig ab.
Die Linke ist im System angekommen
Doch auch für die Linke - die etwa mit ihrem Ministerpräsidenten Ramelow zumindest im Osten längst im politischen System angekommen ist - bedeutet das starke Abschneiden der AfD ein Problem. Das zeigt der Stimmenrückgang um rund ein Drittel auf nur noch 16,3 Prozent in Sachsen-Anhalt.
Denn Wähler - so zeigen es Analysen der Meinungsforscher - sind durchaus auch von der Linkspartei zur AfD gewechselt. Nach einer Analyse von Infratest dimap verlor die CDU 38.000 Wähler an die AfD, die Linke 28.000 und die SPD 20.000.
Inhalte zählen da oftmals nicht, beklagte der Ex-Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, am Tag nach der Wahl. "Wissen sie (die Wähler) wirklich, dass sie den Mindestlohn abschaffen wollen, dass sie den Spitzensteuersatz in der Einkommensteuer senken wollen, dass sie auf jeden Fall eine Vermögensteuer ablehnen, dass sie die Atomkraftwerke wieder anschalten wollen?", fragte Gysi im rbb-Inforadio zum Wissen über die AfD. "Das alles steht drin im Programm!"