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CSU-Parteitag: Seehofer führt Merkel vor - "Der Lehrer und das Schulmädchen"


Seehofer führt Merkel vor
"Der Lehrer und das Schulmädchen"

Von t-online
Aktualisiert am 21.11.2015Lesedauer: 4 Min.
Angela Merkel wurde beim CSU-Parteitag auf offener Bühne von Horst Seehofer zurechtgewiesen.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel wurde beim CSU-Parteitag auf offener Bühne von Horst Seehofer zurechtgewiesen. (Quelle: ap)

Affront auf dem Parteitag des CSU in München: Bundeskanzlerin Angela Merkel war als Gastrednerin geladen und wurde von Parteichef Horst Seehofer auf offener Bühne ungewöhlich scharf abgekanzelt - "wie ein Schulmädchen", schreiben "Süddeutsche Zeitung" und "Bild" übereinstimmend.

Merkel hatte es gewagt, der Forderung nach einer Obergrenze für die Aufnahme neuer Flüchtlinge nicht zu entsprechen. Seehofer wollte das so nicht stehen lassen - und führte die Kanzlerin vor den Deligierten regelrecht vor, die daraufhin sichtlich genervt und grußlos den Saal verließ.

Hier einige Presse-Reaktionen auf den offen ausgetragenen Machtkampf:

Der "Tagesspiegel" (Berlin) beschreibt die Situation auf dem Münchner Parteitag sehr anschaulich:

"Horst Seehofer hat die Rede mit verschränkten Armen verfolgt. Er steht auf und geht langsam, sehr langsam hoch zu der Frau im roten Blazer auf dem Podium. Der CSU-Chef weiß, dass er jetzt nur noch eine Möglichkeit hat. Er löst den offenen Eklat aus: 'Es geht nicht ohne Begrenzung.'

Merkel steht die ganze Zeit neben ihm. Die Kanzlerin ist ja deutlich kleiner als der CSU-Chef, sie muss zu ihm hochgucken. Ihre Nase wirkt deshalb noch trotziger erhoben, als sie vielleicht gemeint ist. Die Merkel-Raute wechselt zu verschränkten Armen."

Für die "Bild"-Zeitung war das ein Affront. "Das kann sich Merkel nicht bieten lassen!", meint ihr Kommentator Béla Anda.

"Wie ein Schulmädchen hat Horst Seehofer die Bundeskanzlerin auf seinem CSU-Parteitag behandelt. Im Verhältnis von CSU und CDU ist das ein epochales Ereignis. Angela Merkel kann sich diesen Affront nicht bieten lassen. München ändert alles!"

Auch die "Süddeutsche Zeitung" (München) fühlt sich bei Seehofers Auftritt an unangenehme Schulszenen erinnert. Souveränität sehe anders aus.

"Seehofer hat sich nach der wackeren Rede Merkels um die Regeln der Höflichkeit nicht geschert. Er hat die Kanzlerin bei seinen langen Dank- und Mahnworten neben sich stehen lassen, als sei er der Lehrer und sie das Schulmädchen - der nun "der Angela" mitzuteilen hat, was an ihrem Referat gut war und was nicht.

Seehofer tat das in säuselndem Ton, aber doch in der Attitüde deutlich; es war ziemlich stoffelig. Die Stoffelei sollte wohl, zum Gefallen des Parteitags, die Überlegenheit der CSU-Positionen demonstrieren. Souveränität sieht anders aus."

Für den Nachrichtensender n-tv ist Seehofers Kritik an Merkels Rede nicht einfach nur ein Streit zwischen Schwesterparteien, sondern deutlich mehr. Es herrsche eisige Anti-Merkel-Stimmung, stellt der Sender fest.

"Streit gab es ja immer, aber an diesem Freitagabend in München herrscht eisige Anti-Merkel-Stimmung bei der CSU. Fast so lange, wie Merkel selbst gesprochen hat, spricht nach ihr der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer. Sie muss daneben stehen und weiß nicht, wohin mit ihren Händen. Sie schaut missmutig, bemüht sich hin und wieder um eine irgendwie positive oder neutrale Mimik. Die Dimension von Seehofers Replik erfassen viele (Deligierte) erst einige Zeit später."

Seehofer habe damit an den Machtverhältnissen gerüttelt, glaubt die "Deutsche Welle" (Berlin): Die Kanzlerin habe ihm zu folgen.

"Seehofer saß während Merkels Rede im Saal beim Parteivolk. Als er ans Rednerpult trat, ließ er, groß gewachsener Oberlehrer, die Kanzlerin wie eine Schülerin neben sich stehen. Fast 15 Minuten lang. Auch die bewährte Raute verlor da mal den Halt.

Sie habe Großes geleistet für Deutschland und Europa, sagte Seehofer. Nur um dann klar zu machen: Merkel habe ihm zu folgen. 'Damit die Standpunkte klar sind: Integration gelingt nicht auf Dauer, wenn wir nicht zu einer Obergrenze für die Zuwanderung kommen,' sagte Seehofer und fuhr fort: 'Wir sehen uns zu diesem Thema wieder...'"

Die "Neue Osnabrücker Zeitung" (Osnabrück) spricht nach dem Vorfall von einem Bruch auf offener Bühne. Die Autorität der Kanzlerin werde damit angegriffen.

"Dieser CSU-Parteitag war eine schwere Niederlage, für die Flüchtlingskanzlerin und für die Christsozialen. Sie haben die CDU-Vorsitzende Angela Merkel derart eisig und geradezu ungehörig empfangen, dass man von einem Bruch auf offener Bühne sprechen kann.

CSU-Chef Horst Seehofer bestand auf Taten bei der Reduzierung des Flüchtlingszustroms. Sein Appell kam einem Ultimatum gleich. Geschmeidig hatte Merkel dem Konflikt ausweichen wollen, es hat nicht funktioniert. Aus Possen, Posen und Provokationen der CSU ist ein böser Eklat geworden. Der wird kein Intermezzo bleiben, sondern die Autorität der Kanzlerin beschädigen."

Für die Zeitung "Der neue Tag" (Weiden) aus der Oberpfalz ist Seehofers Verhalten ein weiterer Schritt zur Demontage von Angela Merkel:

"Horst Seehofer im Stimmungshoch, die Kanzlerin im Umfragetief, verlassen auch von Teilen der eigenen Gefolgschaft: So verfestigt sich die Kanzlerdämmerung. Und Merkel kann nicht einmal darauf hoffen, dass die Zeit für sie arbeitet."

Dagegen bewahrt die norddeutsche "Landeszeitung" aus Lüneburg einen kühlen Kopf: Die Choreographie des Parteitags sei schon darauf angelegt gewesen, Merkel zu brüskieren. Die Kanzlerin solle sich davon nicht beirren lassen.

"Nüchternheit und Besonnenheit sind es ja für gewöhnlich, die das Merkel-Jahrzehnt charakterisieren. Jetzt, da sich die Welt im Angesicht des Terrorschreckens einer zunehmend martialischen Sprache bedient und vielfach die Rede ist von 'Krieg', kommt es wiederum auf die alte Besonnenheit der Kanzlerin an. Das gewissenhafte Abwägen der geeigneten Mittel im Vorgehen gegen die mörderischen Kriminellen erscheint allemal besser als teils von Rachedurst getragener Aktionismus.

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