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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die Basis Anti-Corona-Partei rechnet mit hoher Strafzahlung
Corona-Aktivist Reiner Fuellmich sitzt in U-Haft, weil er 700.000 Euro veruntreut haben soll. Seine Partei "dieBasis" macht ihn und seine frühere Co-Vorsitzende für einen mindestens ebenso hohen Schaden mitverantwortlich.
"Achtsamkeit" wird großgeschrieben bei der aus der Anti-Corona-Bewegung entstandenen Partei "dieBasis". "Achtsamkeit" ist eine der vier Säulen ihres Programms. Entsprechend kommentiert die Spitze auch, was ihrem früheren Vorsitzenden Reiner Fuellmich vorgeworfen wird: 700.000 Euro gespendete Gelder soll er veruntreut haben. Fuellmich sitzt deshalb in Untersuchungshaft.
Von "Unschuldsvermutung" spricht angesichts der Vorwürfe der Bundesvorsitzende Sven Lingreen, davon, dass Fuellmich "als Basis-Mitglied natürlich weiterhin Teil" der Gemeinschaft sei, "die ihm für die Aufklärungsarbeit in der Corona-Krise großen Respekt zollt".
Fuellmich hatte 2020 unter anderem mit der Rechtsanwältin Viviane Fischer den sogenannten "Corona-Ausschuss" gegründet. In stundenlangen Livestreams diskutierten sie dort mit vermeintlichen oder echten Experten Corona-Themen, bis sich die Macher über die Verwendung der reichlich geflossenen Spenden heillos zerstritten und Fuellmich schließlich wegen Veruntreuung anzeigten. Lingreens Co-Vorsitzende Skadi Helmert erklärt, im Sinne der "Achtsamkeit füreinander" wäre es "sinnvoller gewesen (...), wenn man nicht mit Anzeigen und Verhaftungen die bestehenden Konflikte geklärt hätte".
Probleme mit dem Jahresbericht 2021
Allerdings hat die "Achtsamkeit" im Umgang miteinander auch für die aus der "Querdenker"-Szene hervorgegangene Partei Grenzen: Denn aus Sicht der Führung ist die damalige Doppelspitze Fuellmich und Fischer ihren Pflichten gegenüber der Partei nicht ausreichend nachgekommen: Das kostet "dieBasis" jetzt offenbar Hunderttausende Euro. Intern wird von einer Summe zwischen 750.000 und 1,5 Millionen Euro gesprochen.
Demnach soll es Fehler im Jahresbericht für das Jahr 2021 geben, der 2022 zu erstellen war – in dem Jahr, in dem Fuellmich und Fischer überwiegend an der Spitze standen. Als Vorsitzende hätten beide es versäumt, zusammen mit den damaligen Schatzmeisterinnen die Anforderungen an einen Rechenschaftsbericht für die korrekte Sicherstellung der Parteienfinanzierung zu erfüllen, heißt es aus der Partei.
Im Rahmen der Parteienfinanzierung hat die Partei Anspruch auf Geld vom Staat. Es geht um 1,06 Euro für jede der rund 700.000 Stimmen zur Bundestagswahl und weitere staatliche Zuschüsse für Mitgliedsbeiträge und Spenden. Aber der Staat fordert dafür in den Rechenschaftsberichten eine saubere Buchführung. Von fast allen Kleinst- und Kleinparteien hat die Bundestagsverwaltung die Rechenschaftsberichte für 2021 geprüft und inzwischen veröffentlicht.
Der "Basis"-Bericht fehlt in der öffentlichen Datenbank.
Dabei gibt es Bilder, wie der damalige Berliner Landesschatzmeister Bernd Bremer am 30. Dezember 2022 glücklich in einem Büro des Referats PM 3 "Parteienfinanzierung, Landesparlament" der Bundestagsverwaltung sitzt und die Empfangsbestätigung bekommt. "Wir haben es geschafft", heißt es dazu. Daran hatte es vorher große Zweifel gegeben.
Hauptsache, irgendwas abgegeben
Wenn man sich heute in der Partei umhört, war seinerzeit bei den Beteiligten die Sorge groß, dass unter der damaligen Führung der Rechenschaftsbericht nicht rechtzeitig fertig würde. Nur in einem Hauruck-Akt und mit einer "gewaltigen Teamleistung" auf Initiative der Ländervertreter sei die Abgabe überhaupt termingerecht gelungen. Schon damals ging man offenbar davon aus, dass wegen möglicher Fehler nur ein Teilbetrag der Summe, die der Partei eigentlich zustünde, bezahlt würde. Der Gedanke war offenbar: Lieber einen Teilbetrag als gar kein Geld bekommen, weil der Bundesvorstand es nicht hinbekommt.
Und zwar der Bundesvorstand, an dessen Spitze Viviane Fischer bis zu einer vergeblichen Wiederwahl-Kandidatur im April 2023 stand – und zu jener Zeit schon nicht mehr Reiner Fuellmich. Dieser war im Rahmen einer turbulenten Videokonferenz am 10. November 2022 zurückgetreten. Der Streit im Coronaausschuss hatte "dieBasis" längst erreicht. Fünf Vorstandsmitglieder, darunter die Schatzmeisterin und deren Stellvertreterin, waren Fuellmich beigesprungen und hatten Fischers Rücktritt gefordert. Vergebens. Schlag auf Schlag traten die Schatzmeisterinnen und Fuellmich aus. Fischer blieb mit einem Rumpfvorstand.
Für die frühere Vorsitzende heißt das nicht, dass die Ausgeschiedenen keine Verantwortung mehr trugen: "Generell entbindet der Rücktritt eines Vorstandsmitglieds dieses nicht von der Pflicht zur weiteren Ausführung seines Amtes bis zu dessen Neubesetzung", erklärte Fischer t-online. Sie sagt aber auch: Da Fuellmich nicht für den Rechenschaftsbericht persönlich zuständig gewesen sei, habe sein Ausscheiden keinen Einfluss auf die Erstellung des Berichts gehabt. Und der Rücktritt der beiden eingearbeiteten Schatzmeisterinnen habe die "Finalisierung des Rechenschaftsberichts erschwert". Sie sagt, von Vorstandsseite seien "sofort" neue Zuständigkeiten festgelegt worden.
Fischer: "Verantwortung nicht bei einzelnen Mitgliedern"
Fischer verweist auch auf das Parteiengesetz, wonach der Bundesvorstand der Partei sowie die Vorstände aller Untergliederungen jeweils für ihre Rechenschaftslegung verantwortlich seien. "Insofern liegt die Verantwortung jeweils bei den Organen der Partei und nicht bei einzelnen Mitgliedern der Organe." Soll heißen: Die Ländervorstände der Basis waren genauso verantwortlich.
"Auf Bundes- und Landesebene" sei die Arbeit weitergegangen, "sodass die Frist letztlich gehalten werden konnte". Es sei allen klar und bewusst gewesen, dass der Rechenschaftsbericht bis Ende des Jahres erstellt werden musste.
Aus der Partei heißt es, das sei aber nur gelungen, weil die Vertreter der Landesverbände schließlich die Initiative ergriffen hätten. Zwar gebe es von Fischer oder Füllmich keine erkennbaren Verfehlungen, die die Bundestagsverwaltung mit Strafzahlungen ahnden könnte. Indirekt seien sie aber verantwortlich für die Fehler des mit heißer Nadel gestrickten Berichts. Ob die Partei deshalb Regress von ihnen und den Schatzmeisterinnen fordere oder Strafanzeige stelle, sei noch nicht abschließend juristisch bewertet, heißt es auf Anfrage.
Erhofft und erhalten hat die Partei 2,271 Millionen Euro. Die Auszahlung ist aber "auf der Grundlage der nur vorläufigen Festsetzung erfolgt", teilt die Bundestagsverwaltung t-online mit. "Wegen der noch nicht abgeschlossenen Prüfung des Rechenschaftsberichts konnte für 2022 auch nur eine vorläufige Festsetzung der staatlichen Mittel erfolgen." Zwar sind in der Partei etliche Mitglieder offen für Verschwörungserzählungen, aber zumindest die maßgeblichen Köpfe sehen hierin keinen Angriff des "Systems": Die Zusammenarbeit mit der Bundestagsverwaltung sei gut und vertrauensvoll, heißt es.
Klar ist der Partei bereits, dass 360.000 Euro definitiv verloren sind. 180.000 Euro Parteienfinanzierung aus dem Rechenschaftsbericht 2020 wurden im Bericht 2021 nicht korrekt ausgewiesen – als Strafe kostet das den doppelten Betrag. Der NPD war in ihrem Rechenschaftsbericht 2007 ein ähnlicher Fehler unterlaufen, als sie Einnahmen, vor allem aus der staatlichen Parteienfinanzierung, um 635.000 Euro zu niedrig angab.
Dieser Fehler bei der "Basis" sei Folge der fehlenden Erfahrung, man werde ihn nicht noch einmal machen, so Lingreen, Vorsitzender seit April. Zudem gibt es eine große Diskrepanz zwischen dem, was im Rechenschaftsbericht als Sachausgaben angegeben ist, und dem, was die Berechnung der Bundestagsverwaltung dazu ergibt. Auch sind diverse Buchungen strittig und die Frage, ob es Fehler oder nur Rechenfehler wie falsche Formeln in Excel sind. Die Strafzahlungen könnten sich nach einer internen Schätzung der Basis auf mindestens 750.000 Euro und maximal 1,5 Millionen Euro summieren.
Lingreen: "Dieses Geld wird für die politische Arbeit in der ganzen Partei fehlen, da diese Zuschüsse zwischen Bund und Ländern verteilt und von den Ländern in die Verbände direkt vor Ort verteilt werden sollten." Die Sorge ist jetzt dort, nicht wie geplant zusätzliche programmatische Parteitage durchführen zu können und beim Wahlkampf zur EU-Wahl abspecken zu müssen. Man werde das mit der Spendenbereitschaft und dem ehrenamtlichen Engagement der Mitglieder kompensieren, so Lingreen. "Aufgeben ist aber keine Option."
- Eigene Recherchen
- Anfragen an "dieBasis", die Bundestagsverwaltung und Viviane Fischer