Von der Leyen im Interview Diese drei Dinge würde sie heute anders machen
Der Posten des Verteidigungsministers gilt als Schleudersitz. Täglich können Probleme und Skandale die Karriere beenden. Das weiß auch Ursula von der Leyen (CDU).
Sex-Skandale, die Affäre um den rechtsextremen Oberleutnant Franco A., nun ein tödlicher Hubschrauberabsturz in Mali – mal ehrlich: Macht Ihnen ihr Job eigentlich noch Spaß?
Ursula von der Leyen: Ja, ich bin sehr gerne Verteidigungsministerin. Denn immer wenn ich nah bei der Truppe bin, weiß ich, warum ich das tue. Es gibt immer wieder schöne Momente im Gespräch mit Soldaten. Das sind oft kleine Bemerkungen, das ist mal ein Dank. Das trägt stärker als alle Probleme, die der Alltag mit sich bringt.
Aber der Widerstand in der Truppe wächst, auch viel Unmut gegen ihre Person wurde geäußert – haben Sie noch genug Rückhalt in der Bundeswehr, um Verteidigungsministerin zu bleiben?
Ja. Das spüre ich vor allem in diesen Wochen, die nicht leicht gewesen sind. Die Soldaten merken: Es bewegt sich was, beim Personal, bei der Modernisierung des Materials und auch bei den Finanzen. Und ich spüre, was uns eint: Nämlich der gemeinsame Auftrag, dieses Land zu verteidigen. Ich freue mich, dass auch in der Gesellschaft die Anerkennung wächst für die Leistung, die diese Frauen und Männer oft unbemerkt erbringen. Das gibt viel Antrieb.
Es heißt, der Stuhl des Verteidigungsministeriums sei ein Schleudersitz. Stimmen Sie dem zu?
Es ist das schwerste Amt, das ich je inne hatte – gar keine Frage. Mir ist klar, dass in der weltweit aktiven Bundeswehr mit ihren 250.000 Menschen jeden Tag etwas passieren kann, was die Amtszeit beendet. Aber so darf man nicht denken. Für mich ist wichtig: Die Truppe hat verdient, dass ich beharrlich für ihre Modernisierung werbe, denn sie braucht Investitionen, sie braucht die Zuwendung, sie braucht die Anerkennung, den schweren Auftrag auszuführen, den sie durch das Parlament bekommt.
Selbst führende Militärs wünschen sich aber, dass nach den Turbulenzen endlich wieder Ruhe in der Truppe einkehrt. Ganz nach dem Motto: Schwamm drüber, weitermachen. Haben Sie dafür Verständnis?
Die Truppe sagt mir etwas Anderes. Die Soldaten sind dankbar, dass wir auch über schmerzhafte Themen in der ganzen Breite diskutieren können. Die beschämenden Vorfälle hat es gegeben, und es ist gut, mit offenem Visier ungefiltert darüber zu sprechen. Denn auch die Bevölkerung beobachtet sehr genau, wie wir mit Problemen und Missständen umgehen. Das ist für die Zukunft der Truppe wichtig. Als Freiwilligenarmee müssen wir im Jahr rund 100.000 junge Bewerber überzeugen, dass wir der richtige Arbeitgeber für sie sind.
Rückblickend auf ihre Amtszeit: Nennen Sie bitte drei Dinge, die Sie aus heutiger Sicht anders machen würden.
Wir haben in dieser Legislatur enorm viel geschafft, aber ich habe erst spät realisiert, dass zwar rein militärische Aufträge sehr gerade von der Spitze bis in die letzten Winkel eines Standorts verstanden und ausgeführt werden, aber dass wir bei emotionalen und sozialen Themen in der internen Kommunikation viel besser werden müssen.
Der zweite Punkt: Es wäre leichter gewesen, wenn wir von Anfang einen besseren Überblick gehabt hätten, wie ausgedünnt das Material der Bundeswehr ist. Dann hätte ich früher mit der Agenda Rüstung, den Trendwenden Material, Personal und Finanzen begonnen.
Drittens: Ich wünschte, ich hätte von Anfang an gewusst, wie wenig digitalisiert die Bundeswehr ist. Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, dass wir zum Beispiel Krankenakten noch per Hand führen und auch nicht per Knopfdruck Abfragen können, wie die Einsatzbereitschaft der Panzer und Flugzeuge ist. Trendwenden, Digitalisierung und der Aufbau des Cyber-Bereichs sind nun auf den Weg gebracht, werden aber noch Jahre Arbeit kosten.