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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Dubiose Netzwerke Was macht Putins "Offizier" in Deutschland?
Er war russischer Elitesoldat, steht hinter dem Krieg in der Ukraine, hat gute Kontakte bis in den Kreml und wohnt in Berlin. Ein Mann mit alarmierendem Netzwerk agiert als Leiter der "Offiziere Russlands" in Deutschland.
Oleg Eremenko hat es noch drauf: Der Mann in der russischen Militäruniform springt über den Rand des Flachdachs und stößt sich – am Seil hängend – mehrfach mit den Füßen von der Außenwand ab. Sehr schnell und fast geräuschlos befindet er sich direkt über seinem Gegner und kann ihn überwältigen.
Es ist ein spektakuläres Schauspiel, das im August 2018 auf Video festgehalten wird, als Eremenko und ein Kamerad sich an der einstigen DDR-Ingenieurschule für Tiermedizin im thüringischen Beichlingen abseilen.
Nun, fast fünf Jahre später, ist das Video von der Vorführung hingegen ein Anlass, ins Grübeln zu geraten. Denn Eremenko hat eine Vergangenheit beim russischen Militärgeheimdienst GRU, verfügt über beste Kontakte zu berüchtigten russischen Anheizern des Ukraine-Kriegs und ist Statthalter einer Organisation russischer Sicherheitskräfte in der Bundesrepublik. Er leitet die deutsche Abordnung der "Offiziere Russlands", einer russischen Organisation mit 300.000 Mitgliedern aus Militär und Sicherheitsapparat. Im März bekräftigte er in der Moskauer Zentrale den Satz: "Alles für die Front, alles für den Sieg."
"Informationen tun prorussischer Seite keinen Gefallen"
Wie viele "Offiziere Russlands" in Deutschland unter Eremenkos Federführung stehen, ist unklar. Die Organisation und der 45-Jährige geben wenig preis. Eremenko äußert sich auf Nachfragen für die gemeinsame Recherche von t-online und Stern nicht. Der Nachrichtenagentur Reuters hatte er zu Jahresanfang zumindest noch einige Fragen beantwortet, ehe er schließlich erklärte: "Zu viele Informationen werden der prorussischen Seite keinen Gefallen tun." Damit hat er möglicherweise recht.
Die Recherche zeigt neue Informationen und Verbindungen, die von Eremenko und den "Offizieren Russlands" zur Stasi führen. Welche Ziele verfolgt eine Organisation russischer Militärs, die als entschiedener Unterstützer von Putins Ukraine-Krieg auftritt, in Deutschland? Was verbindet sie noch heute mit den ehemaligen DDR-Spionen? Und wieso taucht Eremenko im März auf Fotos auf, die in der Zentrale der berüchtigten Söldner-Gruppe Wagner gemacht wurden?
Wer mehr über die "Offiziere Russlands" erfahren will, stößt zunächst auf eine Leerstelle: In deutschen Vereinsregistern existieren sie nicht. Sehr wohl treten sie aber immer wieder gemeinsam mit einem Verein namens "Desant" auf. "Desant" war der Gastgeber des Kommandoeinsatzes in Thüringen. Erwachsene und Kinder durften unter Draht kriechen und mit hölzernen Stabhandgranaten auf Ziele werfen, es gab Kaffee und Kuchen. Und der Verein "Desant" ist an einer Adresse von Eremenko angemeldet.
2014 Verwirrung um vermeintliches deutsches Freiwilligenkorps
"Desant" (russisch für "Landung") ist ein Zusammenschluss früherer Elitesoldaten der Sowjetunion, der russischen Armee und der DDR. Die Mitglieder sind Angehörige von Spezialkräften, meist Fallschirmjäger und ausgebildet für "Kampfhandlungen im Hinterland des Gegners", wie es auf der Vereinsseite heißt. Bezeichnend: Auf Facebook nannte sich der deutsche Verein "DesantUdSSR".
Rückblende ins Jahr 2014: In der Ukraine ist der EU-Gegner Wiktor Janukowitsch als Präsident abgesetzt worden und geflohen, Russland hat die Krim annektiert, frühere russische Geheimdienstsoldaten haben Freiwillige aus den Streitkräften rekrutiert, die in der Ostukraine professionell mit prorussischen Separatisten gegen ukrainische Kräfte kämpfen. In Russland löst eine Nachricht aus Deutschland Begeisterung aus: Zur Unterstützung der russischen Kämpfer in der Ostukraine und auf der Krim soll ein Freiwilligenkorps gebildet werden, angeblich wollen von hier frühere Elitesoldaten für Putin in den Krieg ziehen.
Die Moskauer Wochenzeitung "Kultura" meldet nach einer Demo in Berlin: "Ein Veteran der Spezialeinheiten der DDR, Alexander K., ist bereit, ein nach Ernst Thälmann benanntes Freiwilligenbataillon für den Donbass zu organisieren." Dutzende Suchmaschinentreffer und das Buch "Putins verdeckter Krieg" des einstigen deutschen Russland-Korrespondenten Boris Reitschuster liefern die Geschichte, dass Fallschirmjäger aus Ostdeutschland an der Seite Russlands kämpfen wollen, auch heute noch. Bei Solidaritätsdemos für die Annexionen Putins in der Ukraine wehen bereits damals die Fahnen von "Desant" und den "Offizieren Russlands".
Der Verein bestreitet allerdings, dass es solche Pläne auch nur im Ansatz gab. "Das ist völliger Blödsinn", sagt Jürgen Köhler. Während Alexander K. dem erweiterten Vorstand von "Desant" angehört, leitet Köhler die Revisionskommission. Und er ist meist mittendrin, wenn sich frühere Fallschirmjäger des Ostblocks treffen.
Er ist auch Pressesprecher des Fallschirmjäger-Traditionsverbands Ost, wo frühere Fallschirmjäger der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR versammelt sind. "Ich war damals live dabei. Zu keinem Zeitpunkt hat Alexander K. mitgeteilt oder dazu aufgerufen, ein Freiwilligen-Bataillon zu installieren", sagt Köhler. Ein Missverständnis des russischen Reporters sei das gewesen, das in Russland dankbar aufgenommen worden sei.
"Wie ein Karnickelzüchterverein"
t-online trifft Köhler im Mai 2023 auf einem abgelegenen, weitläufigen Gelände in Mecklenburg-Vorpommern, auf dem früher für den Kalten Krieg trainiert wurde. Zu DDR-Zeiten war dort eine Raketenbrigade der NVA beheimatet. Heute stehen die meisten Gebäude leer, ein Trakt beherbergt ein Artilleriemuseum, gegenüber ist ein günstiges Hotel. Zum "Tag des Sieges" am 9. Mai, an dem Russland die Kapitulation Nazi-Deutschlands 1945 feiert, haben sich "Desant"-Mitglieder in der Abgeschiedenheit des Dörfchens Demen verabredet.
Eremenko, der Leiter der "Russischen Offiziere" in Deutschland, ist nicht dabei. Dafür sind ältere Herren angereist. Russen, Deutsch-Russen, Deutsche stehen ums Lagerfeuer und plaudern. t-online wird geduldet, der Reporter muss aber einen Wodka trinken. "Hier ist absolut nichts Verdächtiges. Man trifft sich zu Feiertagen und einmal im Jahr zu einer Mitgliederversammlung", sagt Köhler. "Das ist wie beim Karnickelzüchterverein, hier ist nur niemand russophob."
Allerdings bekommen Mitglieder des Kaninchenzuchtvereins im Gegensatz zu Wolfgang Schröder keine Orden aus Russland. Der zweite Vorsitzende von "Desant" steht auch am Lagerfeuer, ist nur nicht so gesprächig wie Köhler. Früher diente er im Stasi-Wachregiment "Feliks Dzierżyński". Er und seine Frau, die Kassiererin beim Fallschirmjäger-Traditionsverband ist, haben von Eremenko 2020 die Auszeichnung "Für die Offiziersehre" der "Offiziere Russlands" erhalten.
Peinlicher Termin für Manuela Schwesig
Mit Schröders Hilfe brachte Eremenko vor rund zwei Jahren Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) einmal mehr in Erklärungsnot zu ihrem Russland-Verhältnis. In ihrer Anwesenheit übergab Eremenko eine Ehrentafel im Greifswalder Rathaus. Der damalige Kommandant der Stadt hatte 1945 beim Anrücken der sowjetischen Truppen Greifswald kampflos übergeben. Ohne Blutvergießen konnte Generalmajor Nicolai Ljaschtschenko die Stadt übernehmen.
Ljaschtschenko ist Großonkel oder Großvater von Eremenko. Eremenko konnte nach der Übergabe der Tafel nach Russland melden, dass die "Offiziere Russlands" den früheren Oberbürgermeister der Stadt posthum geehrt hatten. Eingefädelt war der Festakt, so schilderte es Eremenko bei Instagram, durch die russische Botschaft – und seinen "lieben Freund" Schröder, dem er einen "besonderen Dank" dafür zukommen ließ. Schröder beantwortete Fragen von t-online nicht.
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Einen Artikel der "FAZ" über die Greifswalder Veranstaltung hat Eremenko im Oktober 2022 in Moskau vor sich auf dem Tisch liegen, wie ein Foto zeigt. "Schwesig und die 'Offiziere Russlands'" ist der Titel des Texts, Eremenko wird als "Ukraine-Hasser" bezeichnet. Neben dem Artikel hat er eine blaue Fahne mit Grüßen aus Deutschland für die Kämpfer in der Ukraine mitgebracht. Zu lesen ist, dass der Fallschirmjäger Traditionsverband Ost "Standhaftigkeit und Erfolg für euren Kampf" wünscht.
Ukraine-Krieg für "Offiziere" eine "gerechte Sache"
Die blaue Fahne ist das Erkennungszeichen der "Offiziere Russlands", Eremenko steht dort wenige Tage nach Russlands Teilmobilmachung mit den Spitzen des Vereins. Das sind zum Teil hochdekorierte Veteranen, die den Titel "Helden Russlands" tragen. Gegründet wurde die Organisation auf Betreiben Wladimir Putins 2007, sie versteht den Krieg in der Ukraine als "gerechte Sache, egal welche Sünden Pseudohumanisten unserem Land vorwerfen". Kurz vor Eremenkos Besuch kam die Ankündigung der "Offiziere", dass die Regionalgruppen Freiwillige zum Kämpfen entsenden werden.
Eremenkos erstes dokumentiertes Zusammentreffen mit der Organisation datiert vom 16. Dezember 2016 und ist in der gleichen Umgebung aufgenommen. Ein Foto zeigt ihn beim Handschlag mit dem Leiter des Exekutivkomitees der "Offiziere". Roman Schkurlatow war einst einer der Medienverantwortlichen der Streitkräfte und ist heute Generaldirektor der kremlnahen Nachrichtenagentur "Public News Service" OSN.
Nach dem Treffen kehrt Eremenko am 19. Dezember als örtlicher Leiter der "Offiziere Russlands" nach Deutschland zurück, wo er aufgewachsen ist. Eremenkos Vater war Dolmetscher und Offizier in Wünsdorf, dem damaligen Sitz des sowjetischen Militärs in der DDR.
Der Abzug der russischen Truppen nach der Wiedervereinigung hinterließ bei Eremenko offenbar tiefe Spuren: "Innerhalb von drei Jahren eine so mächtige Truppengruppierung zurückzuziehen und unsere Eliteeinheiten praktisch ins freie Feld zu schicken – ist das nicht auch ein Verrat?", sagte er 2022 einem russischen Sender.
Frust über Medaille zum Ende der Sowjetunion
Sein Vater habe 1991 eine vergoldete Medaille bekommen, auf der einen Seite der Spruch "Für den Zerfall der Sowjetunion". Das hätten Offiziere dem Westen verübelt. So erzählte es Eremenko im Sommer 2022 auf einem Podium der "Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung (GRH)", eine Art Hilfsverein für ehemalige Stasi-Spione und Spitzenfunktionäre.
Im März 2023 berichtet Eremenko unverblümt davon, dass es in diesen Kreisen "trotz aller Provokationen gegenüber Russlands Regierung" Mitstreiter gebe: "Es gibt sehr viele Deutsche, die uns unterstützen, die Offiziere der ehemaligen nationalen Armee der DDR sind, viele von ihnen aus staatlichen Strukturen, aus der Stasi."
Eremenko geht dort noch weiter: "Sie sagen: 'Leute, wenn euer Oberbefehlshaber uns einen Befehl gibt, sind wir bereit, von Berlin aus Züge entgleisen zu lassen'". Das kann vieles heißen – so drastisch wie es klingt, ist es aber nicht zu verstehen: Es ist eine russische Redewendung, ähnlich der deutschen Aussage "Mit denen kann man Pferde stehlen".
Pikant ist aber auch, wo Eremenko das sagt – an einem Ort, der es in sich hat: Eremenko ist Redner in der erst im November eröffneten Zentrale der Söldnergruppe Wagner. Jewgeni Prigoschin, einst enger Putin-Vertrauter, Milliardär und Gründer der berüchtigten Söldnergruppe Wagner, hat das schicke Bürohochhaus in St. Petersburg bauen lassen.
Eremenko ist nach einem Termin im Februar bereits mindestens zum zweiten Mal dort. Er trifft bei der Veranstaltung einer patriotischen Vereinigung auch auf den Leiter der militärischen Erstausbildung am PMC Wagner Center, Alexei Savinsky. Savinsky ist dort mit weiteren Kämpfern einer Gruppe, über die das oppositionelle Investigativ-Portal "The Insider" im Mai schrieb: "Wie Neonazis russischen Kindern das Töten beibringen."
Nach Eremenkos Kinderzeit in Wünsdorf verliert sich seine Spur zunächst: Nachdem im Sommer 1994 die letzten von einst 500.000 sowjetischen Soldaten und Familienangehörigen Deutschland verlassen haben, wird dem damals 16-Jährigen im Raum St. Petersburg ein Pass ausgestellt. 2002 ist er dort mit eigener Wohnung gemeldet. Im November 2009 meldet er in Deutschland ein Gewerbe an.
Eremenko im Rang eines Oberleutnants
Ein Suchaufruf nach Kommilitonen verrät, dass er in den Jahren dazwischen Fremdsprachen an der Herzen-Universität St. Petersburg studiert hat. Und im Militär muss er gewesen sein. War er bei den Elitesoldaten Speznas des Militärgeheimdienstes GRU? Gegenüber Reuters gab er an, beim GRU gedient zu haben, auf Fotos sind die drei Sterne eines Oberleutnants der russischen Streitkräfte zu erkennen und ein Abzeichen der Speznas; die kommandoartige Abseilaktion in Beichlingen legt ebenfalls nahe, was er in der Ausbildung gelernt hat.
Vereinsfreund Köhler reagiert auf Nachfrage verwundert, von Eremenko im GRU wisse er nichts, und er könne es sich nicht vorstellen. Und Eremenko sagt nichts mehr dazu. Es ist nur klar, dass er viele Freunde aus dem Militär und Militärgeheimdienst hat.
Zwei, die zudem als Kriegsverbrecher gelten, trifft er im Dezember 2016, kurz bevor er seine Aufgabe in Deutschland antritt. In der Zentrale der Bewegung "Neurussland", die nach eigenen Angaben "die russische Welt erhalten und ein einheitliches Großrussland" wiederherstellen will, tauscht er sich mit Anführer Igor Girkin aus. Der frühere Oberst des Militärgeheimdienstes GRU nennt sich auch "Strelkov" und war einer der militärischen Führer 2014 im Ukraine-Krieg und dort zeitweise Verteidigungsminister.
Girkin wurde im November 2022 in den Niederlanden in Abwesenheit als ein Verantwortlicher für den Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 zu lebenslanger Haft verurteilt. Etwa zur gleichen Zeit erklärte er, gemeinsam mit Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin Freiwillige für den Krieg zu suchen. Sein Spezialist dafür, der "Freiwilligenkoordinator" Michail Polynkow, trifft im Dezember 2016 ebenfalls Eremenko.
Eremenkos Freund rekrutierte Tausende Freiwillige
Polynkow, ebenfalls früherer GRU-Soldat, spielte 2014 eine große Rolle im beginnenden Krieg und Russlands Ukraine-Plänen: Freimütig erzählte Polynkow in seinem Videokanal, mit einer weiteren Person ab dem 20. Februar 2014 eine Freiwilligenbewegung organisiert und Kämpfer auf die Krim und nach Donezk, Lugansk, Charkow und Odessa vermittelt zu haben. Tausende Soldaten hat Polynkow für den Donbass rekrutiert, darunter auch einige aus Deutschland.
Das Ausmaß brachte ein Hack seines Profils im russischen Netzwerk VK mit 300.000 Nachrichten ans Licht. Polynkow wollte zu seinem Verhältnis zu Eremenko auf Anfrage nichts sagen, "weil Eremenko und Girkin meine Freunde sind". In seinem Profil findet sich auch ein Foto vom Sommer 2015, Eremenko ist zu Besuch. Mitgebracht hat er einen Mini-Reichstag aus Schokolade, auf dem eine rote Fahne steckt – und 500 Euro für die Freiwilligen im Donbass. "Anscheinend entwickelt sich Deutschland zu einem der Hauptlieferanten von Geschenken", schreibt Polynkow.
Polnykov und Eremenko sind so eng befreundet, dass Polynkov Eremenkos Begleiter bei der Kuppelshow "Heirate mich" im russischen Fernsehen war. Zur Ausstrahlung der Sendung im Frühjahr 2017 hat Eremenko seine neue Funktion als Leiter der "Offiziere Russlands" bereits angetreten.
Thüringens Verfassungsschutzchef bemängelt Blauäugigkeit
Zwölf organisierte "Offiziere" habe es zu dem Zeitpunkt gegeben, schrieb Eremenko nach seiner Amtsübernahme: Männer, "die durch die Brennpunkte der Sowjetunion gingen und durch verschiedene Zufälle in Deutschland landeten und ihrem Vaterland und dem Eid treu blieben". Sein Vorgänger sagte mal einer russischen Zeitung: "Wo wir sind, da ist Russland, und wir sind überall." Er setze sich in der Bundesrepublik für die patriotische Erziehung der Jugend ein, deutsche Behörden würden das gelassen sehen.
Tatsächlich gelten ihnen die Verbände von Ehemaligen – etwa der DDR-Truppen – nach Informationen von t-online eher als fragwürdige Folklore denn als Sicherheitsbedrohung. Traditionspflege, so wie "Desant" sich auch selbst darstellt. Und eine Deutung, die Eremenko und den "Offizieren" vermutlich entgegenkommt.
Aber nicht jeder teilt sie vorbehaltlos. Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer kennt etwa die Bilder von Schloss Beichlingen. Aktivitäten und Familienfeste wie das "Desant"-Spektakel mit wehrsportartigen Übungen seien "angesichts der deutsch-russischen Freundschaftsbemühungen bis zum Ukraine-Krieg sogar als wichtiger Beitrag zur Völkerverständigung verstanden worden", sagt er t-online.
Ein großes Problem der vergangenen Jahre sei "die Blauäugigkeit in der Politik, dass man bestimmte Warnungen nicht hören wollte, weil Frieden und Freundschaft ja zur Selbstverständlichkeit geworden waren". Wenn Kramer dann allerdings öffentlich verbreitete Bilder sieht, auf denen Eremenko und ein "Desant"-Funktionär T-Shirts mit der Aufschrift "Don’t worry – wait for the Russians" ("Mach' Dir keine Sorgen – warte auf die Russen") tragen und im Hintergrund Flaggen der Sowjetunion und des Berliner Wachregiments des Ministeriums für Staatssicherheit zu sehen sind, findet er: "Das sollte Grund zur Sorge sein, nicht nur für den Verfassungsschutz."
"Desant" ist registriert an einer Adresse, an der auch der Name des Chefs der "Offiziere" auf dem Briefkasten steht. Es ist die Adresse in einem frei stehenden Wohnhaus mit Garten im Berliner Südosten, und dort haben auch zwei Firmen ihren Sitz: Eines davon ist Eremenkos Bauunternehmen. Es verfügt über einen schicken Internet-Auftritt und eine große Angebotspalette.
Viel Schein bei Eremenkos Firma?
Steckt dahinter vor allem viel Schein? Creditreform führt die Firma als Ein-Mann-Unternehmen. Das von der Auskunftei empfohlene Kreditlimit in Höhe von 2.500 Euro entspricht dem Betrag, der angegeben wird, wenn keine Daten vorliegen. Eremenko habe 2020 auf eine Creditreform-Bitte um Informationen nicht reagiert. Es gebe aber umgekehrt auch sehr wenig Nachfrage, wie solvent die Firma sei. Wer sich bei den von Eremenko genannten Referenzobjekten informiert, bekommt auf Nachfrage vor allem mitgeteilt, man könne sich an seine Firma nicht erinnern.
Vielleicht hat Eremenko noch einen anderen Arbeitsplatz? Im September 2022 schrieb ein russisches Portal, auf dem Weg zur Arbeit komme er täglich am "Checkpoint Charlie" in Berlin vorbei. In der Friedrichstraße befindet sich auch das "Russische Haus". Bei einem Anruf dort, verbunden mit der Bitte, zu ihm durchzustellen, heißt es, man könne nicht verbinden, und es sei nicht klar, ob er an diesem Tag noch im Haus ist.
Eremenko hat nicht nur die Funktion bei den "Offizieren Russlands": Er gehörte zumindest dem Vorstand des Koordinierungsrats der russischen Landsleute in Deutschland an, ist der Koordinator für russische Bürger in der EU bei der Bewegung "Starkes Russland" und beim "Koordinierungsrat nichtkommerzieller Organisationen Russlands". Organisationen, die eng verwoben sind mit den "Offizieren Russlands".
2021 hätte Eremenko wohl noch weniger Zeit für seine Baufirma gehabt: Er war zwei Monate lang in Russland gemeldet. In der Zeit erzählte er beim "Internationalen Antifaschistischen Forum", im Informationskrieg gegen Russland gebe es "extrem gefährliche Tendenzen. Wir hinken den fortschrittlichen Technologien in der Propaganda qualitativ um 15 bis 20 Jahre hinterher. Und dagegen muss etwas getan werden."
Mit Eremenkos Einstieg bei den "Offizieren" wird die Gruppe sichtbarer, eine Delegation hält die Fahne sogar in der Reichstagskuppel in die Höhe, die "Offiziere" lassen eine Drohne mit sowjetischer Siegesfahne über ein sowjetisches Ehrenmal fliegen. Als der heutige AfD-Bundestagsabgeordnete Rainer Rothfuß 2017 die "Druschba"-Friedensfahrt mitorganisiert, steht zum Start Eremenko mit dem Logo der "Offiziere" auf der Bühne. Rothfuß erklärte auf Anfrage, er kenne Eremenko nicht genauer.
KZ-Gedenkstätte ließ sich nicht auf Kooperation ein
Eremenko versucht 2020 sogar, die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen für eine Kooperation zum russischen "Tag der jungen Opfer des Faschismus" am 9. September zu gewinnen – mit einem fertigen Programm. "Da dies nicht unserem Verständnis einer Kooperation entspricht, haben wir uns darauf nicht eingelassen", sagt ein Sprecher. Die "Offiziere Russlands" hätten zudem zuvor in der Gedenkstätte Aufnahmen für einen Film mit "problematischer geschichtspolitischer Stoßrichtung" aufgenommen.
Es geht bei den "Offizieren", die die Umbenennung Wolgograds in "Stalingrad" forcieren, auch um die Deutungshoheit über die russische Geschichte. Als die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Organisation Memorial im Oktober 2021 in Berlin die Namen von Opfer des politischen Terrors in der Sowjetunion vorlas, organisierten die "Offiziere" eine Lesung, auf der Nazi-Täter aufgelistet wurden.
Die Moskauer Zentrale und russische Medien melden nun regelmäßige Aktivitäten. Keine große russische Gedenk- und Trauerfeier und kaum eine Traditionsveranstaltung findet mehr ohne die Offiziersvereinigung statt.
Die Rede ist oft von "Desant und Offizieren Russlands". Einige Vorstandsmitglieder waren zumindest in beiden Gruppen, die Fahne der "Offiziere" hängt seit Jahren bei "Desant"-Veranstaltungen. Mehrfach stehen "Desant" und "Offiziere Russlands" gemeinsam auf Kränzen an Ehrenmalen.
Es auch nicht immer klar, ob im fernen Moskau vielleicht Aktivitäten von "Desant" für die "Offiziere" vereinnahmt werden, um größer zu erscheinen. Im Ukraine-Krieg hat sich vielfach gezeigt, dass Russland sich selbst belogen hat und es im Militär viele Potemkinsche Dörfer gibt.
Überhöht auch Eremenko die Hilfe aus Deutschland? "Mir ist gar keine Kooperation bekannt", erklärt Jürgen Köhler von "Desant", im Verein gebe es auch kaum Mitglieder im Offiziers-Rang. Die Seite der "Offiziere" habe er aber auch nicht besucht.
"Alles für die Front, alles für den Sieg"
Dort wurde unter anderem verkündet, dass die "Offiziere" bei ihrer deutschen Sektion Kampfsportgruppen gegründet hätten, genannt werden Namen, die dem "Desant"-Vorstand angehörten oder angehören. Das Entsetzen bei einer Nachfrage ist groß. Was als "Desant"-Abteilung geführt wurde, ist inzwischen selbständiger Verein. Und der Vorsitzende, früher auch Vorsitzender beim Mutterverein, sagt, er widme sich voll dem Sport und wolle mit Politik nichts zu tun haben. "Bei uns trainieren auch ukrainische Flüchtlingskinder", meint er. In der deutschen Sportszene und bei Verbänden ist der Verein durchaus anerkannt.
Auf der anderen Seite gehörten Köpfe des Sportvereins auch einer "Combat" genannten Abteilung von "Desant" an. Dort geht es um Airsoft, ein für eine große Szene harmloser Sport, bei dem nachgebaute Waffen Munition mit geringer Geschossenergie verschießen. Die Grenzen zum militärischen Training aber können fließend sein. Einer der früheren "Desant"-Vorstände bot auf Schloss Beichlingen den "Army Day" an, "auf der Grundlage der taktischen Ausbildung von Spezialeinheiten des ‘Ostblocks".
Das kann völlig harmlos sein. Aber was meint Eremenko im März 2023, als er wieder einmal in der Heimat der "Offiziere Russlands" ist? Auf dem Instagram-Account von Alexander Golowaschkin, einst als "Bester Mitarbeiter der Spezialeinheiten der Polizei" ausgezeichnet und von Putin persönlich als "Held Russlands" geehrt, ist zu sehen, wie sich Eremenko und Golowaschkin die Hände drücken. "Alles für die Front, alles für den Sieg. Ich umarme dich, Bruder!" schreibt Golowaschkin. Eremenko erwidert: "Warte auf die Gäste, Bruder. Ich werde bald da sein."
Nach der Anfrage von t-online verschwand das Foto.
- Eigene Recherchen
- Instagram.com, vk.com. ok.ru
- reuters.com: Pro-Putin operatives in Germany work to turn Berlin against Ukraine
- oficery.ru: "Offiziere Russlands" unterstützen die Entscheidung Wladimir Putins zur Teilmobilisierung in Russland (russisch, archiviert)
- oficery.ru: "Offiziere Russlands" eröffneten in Deutschland eine Gedenktafel, die dem Helden der Sowjetunion, Nikolai Ljatschenko, gewidmet ist (russisch, archiviert)
- mirtesen.ru: Suchaufruf Oleg Eremenko (russisch, archiviert)
- informnapalm.org: Angst und Abscheu unter den Donbas-Söldnern (archiviert)
- theinsider.ru: Wie Neonazis mit Unterstützung von Gouverneur Beglov russischen Kindern das Töten beibringen (russisch, archiviert)
- ren.tv: Das Ende der Ära Gorbatschow: Wofür der Politiker, der den Lauf der Geschichte veränderte, in Erinnerung bleibt (russisch, archiviert)
- 53news.ru: Wettbewerb des patriotischen Liedes "Participate in the Heart" in Kholm ist beendet (russisch, archiviert)
- oficery.ru: "Offiziere Russlands" eröffnen in Deutschland neue SAMBO- und Taekwondo-Sektionen (russisch, archiviert)