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Markus Söder stellt seine erste Regierungserklärung im Landtag vor


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Erste Regierungserklärung
Söders Staat zeigt seine Muskeln

Eine Analyse von Jonas Schaible

Aktualisiert am 19.04.2018Lesedauer: 4 Min.
Markus Söder: Klare Ansagen, große Versprechen.Vergrößern des Bildes
Markus Söder: Klare Ansagen, große Versprechen. (Quelle: Lino Mirgeler/dpa)

Markus Söder hat sein Regierungsprogramm vorgestellt. Damit will er im Herbst die absolute Mehrheit gewinnen. Was er plant, ist radikal – und könnte die deutsche Politik verändern.

Markus Söder hat ein Ziel: Er will die Landtagswahl im Oktober gewinnen und er will die absolute Mehrheit. Seit heute ist klar: Markus Söder hat auch einen Plan.

Seit einem Monat ist Söder bayerischer Landeschef. Jetzt stellte er im Landtag in München seine erste Regierungserklärung vor – sein Programm, um verloren gegangene Wähler zurückzugewinnen.

Die gingen der Union nach der Ankunft hunderttausender Flüchtlinge verloren, so die verbreitete Diagnose, weil sie den Untergang des christlichen Abendlandes fürchten, weil sie den Glauben an die Handlungsfähigkeit des Staates verloren, oder weil sie das Gefühl hatten, der Staat helfe Flüchtlingen, aber nicht ihnen.

So selbstbewusst war der Staat lange nicht

Söder scheint diese Analyse zu teilen, denn er reagiert jetzt mit einem Maßnahmenpaket, das die "christliche-abendländische Prägung" symbolisch überhöht, das aber vor allem Geld verteilt und den Staat ausbaut. Massiv ausbaut. Sichtbar ausbaut. Überall im Land.

Es ist das maximale Kontrastprogramm zu Deregulierung, Bürokratieabbau und Zurückhaltung eines Nationalstaates, der fragt, ob er angesichts des Klimawandels, der Globalisierung und der Digitalisierung überhaupt noch handlungsfähig ist. Söder sagt: Bayern ist es auf jeden Fall! So selbstbewusst hat der Staat lange nicht mehr eigene Steuerungsfähigkeit behauptet. In dieser Hinsicht ist Söder: radikal. Wenn sein Plan aufgeht, könnte es das Selbstverständnis der Parteien und des Staates dauerhaft verändern.

Söders Programm ruht auf vier Säulen.

Erste Säule: Der Staat muss sich zeigen, zeigen, zeigen

Die erste und wichtigste Säule ist die Sichtbarkeit des Staates. Der Staat zeigt seine Muskeln und jeder soll es mitbekommen. Mehr noch: Das ganze Land soll profitieren, also werden die neuen Behörden gewissenhaft über den Freistaat verteilt.

Ein wirklich nur kleiner Auszug aus den geplanten Maßnahmen:

Eine neue Grenzpolizei soll zusätzlich zur Bundespolizei Bayerns Außengrenzen kontrollieren. Jede Großstadt soll eine Polizei-Reiterstaffel bekommen, denn die sorge "für eine ganz andere Sichtbarkeit“. Außerdem geplant: Eine neue Wirtschaftsagentur, eine neue staatliche Wohnungsbaugesellschaft, ein neues Landespflegeamt, ein neues Staatstheater, ein neues Artenschutzzentrum, eine neue Landesbehörde für Asyl, eine neue Abschiebehaftanstalt.

In München wird eine bayerische Besonderheit wieder belebt: das Oberste Landesgericht. Es wurde erst 2006 abgeschafft, von Söders Mentor Edmund Stoiber – aus Kostengründen. Stoiber hatte das in einer Regierungserklärung angekündigt. So ändern sich die Zeiten.

Söder versprach drei Milliarden Euro für den Krankenhausbau, 2000 zusätzliche neue Lehrerstellen, 2000 Tagespfleger für Kitas, "so viel Geld für Staatsstraßen" wie noch nie und 100 Millionen Euro pro Jahr für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, der bis 2020 flächendeckend mit W-Lan ausgestattet sein soll.

Bayern soll mit "Bavaria One" zudem ein eigenes unbemanntes Raumfahrtporgramm entwickeln – was in der Sowjetunion und den USA den Glauben an den Staat stärkte, soll jetzt auch in Bayern gelingen.

Nur einmal sagte Söder pflichtschuldig, er wolle die Flächenversiegelung nicht mit Verboten bekämpfen, denn das "würde ein neues Bürokratiemonster schaffen, eine Flächenbeschränkungsbehörde". Staatsgläubig? Er doch nicht.

Zweite Säule: Geldgeschenke

Die zweite Säule bilden direkte Geldgeschenke. Die Menschen sollen verstehen: Der Staat kümmert sich, auch um sie.

Menschen, die Familienangehörige pflegen, sollen ein Landespflegegeld bekommen: 1000 Euro pro Jahr für jeden Pflegebedürftigen. Hebammen sollen künftig einen Hebammenbonus bekommen: 1000 Euro pro Jahr – „der zeigt die besondere Wertschätzung“, sagte Söder. Betonung auf: zeigen. Eltern sollen künftig ein "bayerisches Familiengeld" bekommen, je 6000 Euro für das erste und zweite und 7200 Euro für jedes weitere Kind, unabhängig vom Einkommen und der Betreuung. Denn: "Wir wollen zeigen, was uns Familien wert sind". Betonung auf: zeigen. Ein Baukindergeld hatte Bayern schon angekündigt, bevor es im Bund verabredet wurde.

Die meisten Programme sollen schon im Sommer starten – also rechtzeitig vor der Wahl im Oktober.

Dritte Säule: Kulturelle Hoheit

Die dritte Säule besteht aus der Betonung des Christentums, der Abwehr des Islams, kultureller Hoheit des Hergebrachten. Dazu passt die wiederholte Botschaft, der Islam gehöre nicht zu Deutschland.

Mehrfach verwies Söder auch in seiner Regierungserklärung auf die "christlich-abendländische Prägung". Wer in Bayern leben wolle, müsse sich an "Werte, Sitten und Gebräuche anpassen". Kinder aus Zuwandererfamilien sollen künftig in eigenen Deutschklassen auch "Wertekundeunterricht" erhalten, bevor sie in den Regelunterricht dürfen. In Ämtern und Behörden will Söder künftig demonstrativ Kreuze aufhängen lassen, anstatt sie abzuhängen. Moscheeverbände, die mehr als ein Drittel ihrer Mittel aus dem Nicht-EU-Ausland bekommen, sollen künftig ihre Geldgeber offenlegen müssen. Andernfalls drohe der Entzug der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit.

Schließlich noch die Botschaft: Ihr seid gut, wie ihr seid – "Dialekt macht schlau." Hier ist Bayern, und da sind wir dahoam!

Vierte Säule: Bayernfolklore

Das leitet über zur vierten Säule, ohne die es für die CSU nie ging: Bayernfolklore.

Diese Regierungserklärung, sagte Söder, sei "de facto auch eine Liebeserklärung an Land und Leute". Mehrfach sagte er, dieses oder jenes gebe es nur in Bayern, das im Übrigen nicht einfach eine Variante Berlin werden dürfe. Bayern sei "ein Generationenland", "Autoland", "Bauern- und Bioland", außerdem "human" und "Trendsetter in Sachen Demokratie", Bayern erlebe "goldene Zeiten" und müsse "ein Zentrum der Foschungsavantgarde" werden.

Geht das zusammen? Ergibt das ein schlüssiges Bild eines Landes? Egal. Es betont jedenfalls das gute Gefühl: Wo Bayern ist, ist vorn, und früher, und beides ganz sicher mehr als anderswo.

Ein bisschen Schwund ist immer

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Was Söder insgesamt versprach, ist: Ein selbstbewusster, kraftstrotzender, kümmernder, dabei manchmal etwas paternalistischer Staat, der zusieht, dass alle zusehen, wenn er die Dinge regelt. So entschlossen war lange niemand mehr, nichts dem Zufall zu überlassen.

Es wäre falsch, so zu tun, als habe er nur folgenlose Symbolik oder eigennützige Wahlgeschenke versprochen: Die Forschungsförderung, der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs und des Sicherheitsapparats, all das könnte das Leben vieler Menschen dauerhaft verbessern.

Was dabei keine Rolle spielt: Dass einige unter die Räder geraten werden – weil sie als Muslime per se für fremd erklärt werden; weil sie Opfer präventiver Polizeimaßnahmen unter dem neuen weitreichenden Polizeigesetz werden; oder weil sie als psychisch Kranke unter dem geplanten Psychiatriegesetz präventiv weggesperrt werden können wie Straftäter.

Wer die große Mehrheit zufriedenstellen will, will sich mit wenigen Außenseitern nicht aufhalten.

Wenn es trotzdem nicht reicht für die absolute Mehrheit, kann niemand Söder vorwerfen, er hätte nicht wirklich alles versucht.

Verwendete Quellen
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